Ceta: EuGH erklärt Investoren-Schiedsgerichte für rechtens

Die Richter haben keinen Einwand gegen den Mechanismus in dem Handelsabkommen mit Kanada, mit dem Streit mit Investoren beigelegt werden soll.

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Ceta: EuGH erklärt Investoren-Schiedsgerichte für rechtens
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Das Schiedsverfahren für den Investorenschutz (ISDS) im Wirtschafts- und Handelsabkommen zwischen der EU und Kanada (Ceta) ist mit dem Unionsrecht vereinbar. Dies hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) in einem Gutachten erklärt. Eine internationale Übereinkunft, mit der ein Gericht etabliert und damit einzelne Vertragsbestimmungen ausgelegt werden sollen, geht unter bestimmten Bedingungen grundsätzlich in Ordnung, auch wenn dessen Entscheidungen für die EU dann bindend sind.

Die technischen Verhandlungen zwischen der EU und Kanada für Ceta liefen von 2009 bis 2014, 2016 unterzeichneten beide Seiten das Abkommen, nachdem sämtliche EU-Staaten zugestimmt hatten. Ceta wird seit 2017 teilweise vorläufig angewendet. Mit dem Abkommen sollen Zollabgaben im gegenseitigen Handel für europäische und kanadische Firmen weitgehend abgeschafft werden. Außerdem geht es um verbesserten Zugang zu öffentlichen Aufträgen und der Liberalisierung des Dienstleistungsverkehrs, um Wirtschaftswachstum zu erzeugen.

Ein Mechanismus in Ceta soll helfen, Streitigkeiten zwischen Investoren und Staaten beizulegen. Zunächst sollen ein Gericht und eine Rechtsbehelfsinstanz eingerichtet werden, später ein multilateraler Investitionsgerichtshof. Die EU und Kanada hatten den Entwurf für das Freihandelsabkommen im März 2016 nach heftigen Protesten an diesem Punkt noch nachgebessert: Sie nahmen dabei vor allem formale Korrekturen vor und verbesserten etwa das Auswahlverfahren für Schiedsrichter. Auch eine Berufungsinstanz sahen die Partner noch vor.

Belgien hatte dennoch Bedenken angesichts der potenziellen Auswirkungen des Schiedsmechanismus' auf die ausschließliche Zuständigkeit des EuGHs, das Unionsrecht verbindlich auszulegen und damit die Autonomie der Rechtsordnung zu wahren. Belgien warf auch die Frage auf, ob der Grundsatz der Gleichbehandlung und das Recht auf Zugang zu einem unabhängigen und unparteiischen Gericht gewahrt blieben.

Der EuGH bescheinigt den Verhandlungsführern nun, das Schiedsverfahren angemessen geplant zu haben. Voraussetzung dafür sei, dass die Autonomie der auf einem eigenen verfassungsrechtlichen Rahmen beruhenden Rechtsordnung der EU "nicht angetastet werden darf".

Durch Ceta werde ein Gerichtssystem geschaffen, das die einheitliche Interpretation des Unionsrechts gewährleisten solle, stellt der EuGH fest. Dieses werde dann auch dafür zuständig sein, seine Vorschriften nach den völkerrechtlichen Regeln und Grundsätzen anzuwenden. Da die Gerichte aber außerhalb des Rechtssystems der EU stünden, können sie nicht dafür zuständig sein, Vorschriften des Unionsrechts außer den Normen des Abkommens zu interpretieren. Sie könnten auch keine Urteilssprüche erlassen, durch die EU-Organe in ihrem verfassungsrechtlichen Rahmen nicht mehr funktionierten.

Auch bei einer Klage eines kanadischen Investors gegen eine Maßnahme eines Mitgliedstaats beziehungsweise der EU sieht der EuGH so die eigene "ausschließliche Zuständigkeit" gewahrt. Das Schiedsgericht habe nicht das Recht, demokratisch getroffene Entscheidungen in der EU oder in Kanada in Frage zu stellen – vor allem beim Verbraucherschutz, dem Schutz der Lebensmittelsicherheit sowie der Gesundheit von Menschen und Tieren.

Außerdem sei der Zugang zu diesem Gericht nicht nur für finanzstarke Investoren, sondern auch für kleine und mittlere Unternehmen gesichert, befanden die Richter abschließend. Aktivisten hatten den ursprünglichen Entwurfstext kritisiert, da die Kommission damit einen ISDS-Zombie in Form einer Paralleljustiz für Konzerne aus dem Grab auferstehen lassen und die Öffentlichkeit täuschen wolle. Auch der Deutsche Richterbund lehnte die erste ISDS-Variante ab. (anw)