Chrome bleicht das Internet aus

Mit der Chromium-Engine 61 scheinen Browser wie Chrome, Opera und Vivaldi alle Internet-Seiten flauer darzustellen. Das liegt an einem geänderten Umgang mit Farbprofilen und lässt sich auch abschalten.

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Chrome bleicht das Internet aus

Firefox (links) und Chrome (rechts) zeigen auf farbkräftigen Monitoren nun unterschiedlich satte Farben an. Links sieht es knalliger aus, so wie rechts ist es aber von den Webdesignern gewünscht.

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YouTube ist nicht mehr so rot, ct.de nicht mehr so blau (und dieses Facebook auch nicht mehr), Instagram nicht mehr so orange – seit den vorigen Updates fehlen vielen Internet-Seiten die Farben, wenn man mit Chrome, Vivaldi, Opera oder einem anderen Browser unterwegs ist, der die Chromium-Engine nutzt. Bei Firefox und den Microsoft-Browsern sieht hingegen alles wie immer aus, ebenso unter iOS und Android.

Sichtbar ist der Unterschied nur für Nutzer, die einen farbkräftigen Monitor besitzen und ein entsprechendes Monitorprofil installiert haben. Und das führt auch schon auf die richtige Fährte. Chromium v61 ändert den Umgang mit Farben, für die keine Profilinformation vorliegt: Bilder ohne Profil sowie Farbangaben in HTML- und CSS-Code. Sie werden nun als sRGB-Farben interpretiert, sodass sie für Monitore mit einem größeren Farbraum heruntergerechnet – abgeflaut – werden.

Für einen Rotton wie "background-color:#f00;" schickt Chromium also nicht mehr 255,0,0 an den Monitor, sondern in Abhängigkeit von dessen Farbraum einen Ton, der dem kräftigsten sRGB-Rot entspricht. Beispielsweise wird daraus auf dem Monitor des Autors mit etwas mehr als AdobeRGB 253,61,16.

Für Fotos ist dieses Verhalten durchaus wünschenswert, denn nun zeigt Chromium auch diejenigen in natürlicheren Farben an, die ohne Farbprofil gespeichert sind – und das dürfte die große Mehrheit der Internet-Fotos sein. Auch Logos, Designfarben und letztlich die Website-Icons in den Lesezeichen entsprechen nun mehr dem, was vom Webdesigner beabsichtigt ist.

Bisher konnte Chromium nur solche Fotos und Grafiken korrekt anzeigen, die explizit mit einem Farbprofil wie sRGB oder AdobeRGB versehen sind. Selbst wenn das hochgeladene Foto ein Farbprofil hat, was etwa für die meisten direkt von Kameras oder Smartphones stammenden Fotos gilt, erscheint es auf vielen Seiten falsch. Denn viele CMS liefern nicht die Original-Datei aus, sondern eine herunterskalierte Version mit zerstörter Farbprofilinformation. WordPress etwa muss man den korrekten Umgang mit Farbprofilen erst beibringen.

Chromium bis v60 und Firefox haben CSS/HTML-Farben sowie JPG-, BMP-, und GIF-Bilder ohne Farbprofil nicht umgerechnet und mit der ganzen Farbkraft des Monitors ausgegeben. PNGs ohne Farbprofil wurden interessanterweise schon immer als sRGB interpretiert.

Noch anders machen es die Microsoft-Browser: Sie ignorieren das Monitorprofil komplett und geben selbst mit Profilen versehene Fotos mit ĂĽberzeichneten Farben aus.

[Update] Laut W3C sind die CSS-Farben als sRGB-Farben zu interpretieren, Chrome macht es also richtig; Firefox und Microsoft verhalten sich nicht standardkonform. [/Update]

Wem das Internet nun zwar korrekt, aber zu blass ist, der hat zwei Möglichkeiten, die bisherige Anzeige zurück zu bekommen: Entweder steigt er auf Firefox um – die Microsoft-Browser sind allerdings für Nutzer farbkräftiger Monitore nicht empfehlenswert.

Oder er stellt Chromium aufs alte Verhalten um: Dazu tippt man in die Adresszeile "chrome://flags" ein und sucht in der erscheinenden Liste nach "color". Die Option "Color correct rendering" stellt man dann auf Disabled. Das funktioniert in Opera, Vivaldi und Chrome gleichermaĂźen, sie zeigen dann wieder das gleiche Verhalten wie Firefox.

Zusätzlich gibt es eine dritte Möglichkeit: Entfernen Sie das Monitorprofil aus Ihren Systemeinstellungen. Dann zeigen alle Browser das Internet mit knalligen Farben an – aber dann haben auch farbprofilfähige Anwendungen wie Photoshop und Lightroom keine Möglichkeit mehr, natürliche Farben anzuzeigen, sondern alles wird eine Bonbonwelt. (jow)