Chronist der Rechenmaschinen: Wilfried de Beauclair wird 105

Im Jahre 1912 kurz nach der Gründung von IBM geboren, vom gleichen Jahrgang wie Alan Turing: Der deutsche Computerpionier Wilfried de Beauclair feiert heute seinen 105. Geburtstag.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 14 Kommentare lesen
Chronist der Rechenmaschinen: Wilfried de Beauclair wird 105

Wilfried de Beauclair im Jahr 1975

(Bild: Familie)

Lesezeit: 2 Min.
Von
  • Detlef Borchers

Er dürfte der älteste noch lebende deutsche Computerpionier sein: Wilfried de Beauclair feiert am heutigen Dienstag seinen 105. Geburtstag mit dem nötigen Humor: "Dass ich im Jahr 2017 das hohe Alter von 105 erlebe, verdanke ich meiner guten Mutter, die mir schon 1912 das Leben schenkte", erwiderte er nach Auskunft seiner Familie. In der Landkommune von Monte Verità aufgewachsen, wurde er im Jahre 1939 als Maschinenbauingenieur Assistent von Alwin Walther am Institut für Praktische Mathematik (IPM) der TU Darmstadt.

Eine Pioniertat eigener Art vollbrachte Wilfried de Beauclair mit seinem 1968 erschienenen, wunderbar illustrierten Standardwerk "Rechnen mit Maschinen", das als Bestandteil der Sammlung vom DEC-Pionier Gordon Bell mittlerweile digital erschlossen ist. Als einer der ersten Ingenieure beschäftigte sich de Beauclair mit Lochstreifenprogrammierung, ausgehend von Rechen-Schemablättern, die am IPM entwickelt wurden, um unter anderem die Flugbahnen der V2-Raketen zu berechnen. So kam 1942 der Kontakt mit dem Computerpionier Konrad Zuse zustande, für dessen Computer Z4 das IPM die Stanzgeräte lieferte.

1945 konnte de Beauclair noch unter den Nazis promovieren, musste aber wegen einer schweren Tuberkulose bis 1954 pausieren. Danach arbeitete er 1954 im "Informatik-Werk" von Mix & Genest (später Standard Elektrik) als Laborleiter an der Entwicklung des Elektronenrechners ER 56 mit. Nach der Auflösung des Informatikwerks der nun umbenannten SEL wechselte de Beauclair zur Deutschen Bundespost, wo er für die Postcheck-Automatisierung mit Hilfe von OCR-Scannern und Datenfernübertragung verantwortlich war. 1976 wurde er als Leitender Oberpostdirektor pensioniert.

Heute lebt er im Kreise seiner Familie nahe Ulm und verfolgt nach wie vor mit Interesse, was seine Enkel treiben. Zu ihnen gehört Christoph Schöch in der Computerphilologie und der Atmosphärenchemiker Armin Rauthe-Schöch mit Big-Data-Analysen.

Die Redaktion von heise online wünscht nach wie vor dem Jubilar Gesundheit und einen rundum gelingenden Geburtstag. (anw)