CompuServe reagiert auf Porno-Anklage

Der Online-Dienst CompuServe wies die gestern bekanntgewordene Anklage gegen seinen Geschäftsführer Felix Somm heute zurück.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht
Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Axel Kossel

Der Online-Dienst CompuServe wies die gestern bekanntgewordene Anklage gegen seinen Geschäftsführer Felix Somm heute zurück.

In der bereits am 26. Februar beim Amtsgericht München erhobenen Anklage wirft die Münchner Staatsanwaltschaft Somm vor, er habe es in den Jahren 1995 und 1996 wissentlich zugelassen, daß kinder-, gewalt- und tierpornografische Bilddateien aus Newsgroups des Internet an CompuServe-Kunden gelangen konnten. Laut Anklageschrift hätte Somm dies durch geeignete technische und organisatorische Maßnahmen verhindern können.

Ferner habe der Angeschuldigte in "bewußtem und gewolltem Zusammenwirken" mit den Verantwortlichen bei CompuServe USA beziehungsweise "unter Verletzung der ihm obliegenden Sorgfaltspflichten" indizierte Computerspiele deutschen Kunden zugänglich gemacht. Eines der Spiele enthalte beispielsweise ein Hakenkreuz sowie Hitlerbilder und verherrliche den Nationalsozialismus.

Die Münchener CompuServe-Filiale betont, der weltweite Online-Dienst werde von der CompuServe Incorporated mit Sitz in USA bereitgestellt. Ferner sei es nicht möglich, Inhalte von Internet-Newsgroups zu kontrollieren, weil diese sich ständig änderten und aufgrund des Volumens nicht vor der Verbreitung gesichtet werden könnten. Auf den eigenen Servern speichere CompuServe keine Newsgroups, in denen kinder- oder tierpornografischen Inhalte gemeldet wurden. Außerdem könne jeder Kunde mit von CompuServe gelieferter Software den Zugriff auf beliebige Newsgroups im Internet sperren.

Dem letzten Argument hatte ein Sprecher des bayerischen Justizministeriums bereits vergangenes Jahr entgegengehalten, CompuServe könne die Verantwortung nicht auf die Kunden abwälzen.

Das Münchner Amtsgericht muß nun aufgrund der vorliegenden Ermittlungsergebnisse entscheiden, ob ein Hauptverfahren eröffnet wird. Derzeit läuft eine Frist, in der CompuServe zu den Ermittlungsergebnissen der Staatsanwaltschaft und zum Tatvorwurf Stellung nehmen kann.

CompuServe wird bereits seit 1995 von der Münchner Staatsanwaltschaft der Verbreitung illegaler Inhalte beschuldigt. Am 22. November 1995 kam es sogar zu einer Hausdurchsuchung, in deren Folge der Online-Dienst aufgrund einer vom Polizeipräsidium München hastig zusammengestellten Liste rund 250 "verdächtige" Newsgroups sperrte -- und zwar aus technischen Gründen zunächst weltweit.

Daraufhin brach ein Proteststurm los, denn ein Großteil der betroffenen Newsgroups enthielt keinerlei Pornografie. Sowohl das Unternehmen als auch die deutschen Behörden wurden vor allem in den USA wild beschimpft. Scharenweise drohten Kunden mit der Kündigung; in San Francisco kippten aufgebrachte Internet-Teilnehmer vor laufenden Fernsehkameras deutsches Bier in die Kanalisation. Kurze Zeit darauf gelang es CompuServe, die Sperre auf seine deutschen Zugänge zu beschränken, und gut zwei Monate später waren die Newsgroups bis auf fünf auch in Deutschland wieder frei zugänglich.

Nun ist Felix Somm in eine prekäre Situation geraten. Denn nach der in Deutschland vertretenen Rechtsauffassung macht sich ein Provider strafbar, sofern er auf strafrechtlich relevante Inhalte aufmerksam gemacht wird und innerhalb einer sinnvollen Frist keine zumutbaren Gegenmaßnahmen ergreift. CompuServe hatte eine Liste zumindest "verdächtiger" Newsgroups erhalten und auch bewiesen, daß eine Sperrung technisch möglich ist.

Der Sachverhalt wird offenbar regional unterschiedlich bewertet: Als AOL-Mitglieder im Internet mit Pornos gehandelt hatten, ließ sich die Hamburger Staatsanwaltschaft im September vergangenen Jahres davon überzeugen, daß der Online-Dienst keine wirkungsvolle Kontrolle auf die Inhalte des Internet ausüben könne, und erhob keine Anklage. (ad)