Debatte um AtommĂĽll-Lager: "Keine falschen Erwartungen wecken"
Seit der Atomausstieg beschlossen ist, halten manche das Thema für erledigt. Doch der radioaktive Müll wird noch sehr lange Ärger machen. Und die Suche nach einem Endlager zieht sich - länger, als die Zwischenlager in Betrieb bleiben sollten. Und nun?
Nie wieder "Gorleben", nie wieder Atompolitik gegen Bürger und Vernunft – das ist das Ziel der neu gestarteten Suche nach einem Endlager für hochradioaktiven Atommüll. Dass es bis 2050 gebaut wird wie vorgesehen, halten viele Experten indes für unrealistisch. Wolfram König ist Chef des Bundesamts für kerntechnische Entsorgungssicherheit, das die mühsame Suche nach einem Standort überwacht – und alle Castor-Transporte und Zwischenlager genehmigen muss. Mit dpa sprach er über Terrorschutz, Populismus und die Grenzen der Mitbestimmung.
Gorleben und Castor-Transporte, das waren frĂĽher bundesweite Aufreger. Interessieren sich die Deutschen heute weniger fĂĽr AtommĂĽll?
Wolfram König: Mit dem Ausstieg aus der Atomenergie wird das Thema von vielen als gelöst wahrgenommen. Außer, wenn es vor der Haustür konkret wird - dann entsteht natürlich eine ganz andere Dynamik. Wir machen aber die Erfahrung, dass auch außerhalb der betroffenen Regionen Interesse für das Thema da ist - jedenfalls dann, wenn wir aktiv auf die Bürger zugehen, wie beispielsweise mit unserer mobilen Endlagerausstellung.
Warum ist es aus Ihrer Sicht so wichtig, dass die BĂĽrger Bescheid wissen?
König: Das ist ein Thema, das schnell auch populistisch ausgeschlachtet werden kann. Was nach einfachen Antworten klingt - wir verbuddeln den Atommüll irgendwie, schieben ihn ins Ausland oder schießen ihn in den Weltraum - entpuppt sich bei genauerem Hinschauen als Verschiebe- und Wegschau-Taktik. Aus ethischen und sicherheitspolitischen Gründen dürfen wir das nicht zeitlich oder räumlich verschieben. Wegschauen löst das Problem nicht. Wir wollen die Öffentlichkeit mitnehmen und beteiligen. Dafür ist es grundlegend, dass Informationen nicht nur Fachleute beruhigen, sondern allgemeinverständlich sind.
Was hat die Endlager-Suche mit den Zwischenlagern zu tun?
König: Bis 2031 soll ein Standort für ein Endlager gefunden werden. Dann muss diese Anlage geplant, genehmigt und gebaut werden. Man kann also sagen, bis 2050 soll ein Endlager bereitstehen, das ist ein ehrgeiziges Ziel und auch eine Herausforderung für die Zwischenlager. Denn dort laufen ab Mitte der 2030er Jahre die Genehmigungen aus, die für 40 Jahre ausgestellt wurden - gerade auch mit dem Signal an die Anwohner, dass Zwischenlager keine verkappten Endlager sind. Ob Genehmigungen verlängert werden müssen, ist eine Frage für die Zukunft, die uns heute schon beschäftigt.
In den vergangenen Jahren ist der Schutz vor Terroranschlägen Teil der Debatte geworden. Können die bisherigen Zwischenlager denn sicher weiterbetrieben werden?
König: Ausreichender Schutz ist Aufgabe des Betreibers und die Voraussetzung dafür, dass eine Genehmigung überhaupt erst erteilt werden darf. Nach dem 11. September 2001 sind die Zwischenlager auf mein Betreiben hin auf Flugzeugabstürze geprüft worden. An allen Zwischenlagern gab es in den vergangenen Jahren zusätzlich Maßnahmen, um der veränderten Einschätzung der Sicherheitslage gerecht zu werden. Etwa eine Verstärkung der Wachmannschaften, Nachhärtung der Gebäude oder höhere Mauern, das ist auch von außen sichtbar. Andere Vorkehrungen sind aus Sicherheitsgründen nicht öffentlich. Wir müssen uns gleichwohl darauf konzentrieren, so schnell wie möglich ein Endlager mit den bestmöglichen Sicherheitsstandards zu realisieren. Und genau für den Zeitraum brauchen wir sichere Zwischenlager - nicht mehr und nicht weniger. Das sind keine oberirdischen Lager, die Sicherheit auf lange Zeit wie ein Endlager gewährleisten können.
Beim Zwischenlager Lubmin soll es nun einen Neubau geben, weil die Aufrüstung nicht möglich ist. Droht dieses Szenario auch an anderen Zwischenlager-Standorten?
König: Lubmin ist ein Sonderfall und lässt sich nicht auf andere Zwischenlager übertragen. Der Neubau ist hier aus Sicht des Betreibers notwendig, weil man dort eine gemischte Lagerung von hoch- und schwach- bis mittelradioaktiven Abfällen in einer Hallenkombination hat. Und diese Hallenkombination ist nicht so nachzurüsten, dass die erhöhten bautechnischen Anforderungen zu erfüllen sind.
Drohen denn Klagen an Orten, die Atommüll länger als gedacht zwischenlagern müssen?
König: Natürlich müssen wir rechtssicher genehmigen. Aber das vordringliche Ziel ist die Sicherheit und nicht, Klagen abzuwehren. Wir müssen auf der einen Seite andere Arten der Beteiligung finden mit dem Ziel, Verständnis für die Gesamtsituation zu erzeugen. Auf der anderen Seite darf man keine falschen Erwartungen an die Möglichkeit der Mitbestimmung wecken, das könnte am Ende in Frustration enden. Wir müssen deutlich machen, wo aufgrund von Sicherheitsfragen und Terrorschutz manche Entscheidungen nicht der Bevölkerung zur Diskussion vorgelegt werden können.
Was halten Sie von der Idee, zentrale Zwischenlager zu bauen?
König: Diese Debatte blendet bei den Sicherheitsfragen einen wichtigen Aspekt aus: Die dezentrale Lagerung, also die Lagerung an den verschiedenen Standorten der Kernkraftwerke, ist eingeführt worden, um die Transporte der hochgefährlichen Stoffe zu vermeiden, die ja mit Risiken verbunden sind. Zentrale Lager aber würden Transporte von A nach B bedeuten, ohne dass B ein dauerhafter Lagerort wäre - die Castoren müssten von dort also weiter in ein Endlager gebracht werden. Jeder, der diese Diskussion führt, muss seine Interessen offen legen. Wenn es vor allem darum geht, keinen Atommüll vor der eigenen Haustür zu haben, dann beantworten sich die Fragen meist von selbst. Trotzdem ist die Diskussion um die Anpassung an gegebenenfalls neue Sicherheitsanforderungen notwendig.
Drei AKW sind noch in Deutschland in Betrieb (7 Bilder)
(jk)