Die Schweiz führt kein Leistungsschutzrecht ein

Die Schweiz modernisiert das Urheberrecht. Doch im Unterschied zur EU werden die Eidgenossen kein Leistungsschutzrecht für Medienverlage einführen.

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(Bild: gemeinfrei)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Tom Sperlich
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Die kleine Kammer des Schweizer Parlaments, der Ständerat, hat der Revision des Urheberrechtsgesetzes (URG) zugestimmt und ein umstrittenes Leistungsschutzrecht für Presseverleger nicht in die Gesetzesänderung integriert. Damit neigen sich die jahrelangen Arbeiten an der Modernisierung des Urheberrechts, die die Schweizer Regierung – den Bundesrat – und das Schweizer Parlament seit über sechs Jahren beschäftigen, langsam einem Ende entgegen.

Anders als der Nationalrat wollte die vorberatende Kommission des Ständerats ein Leistungsschutzrecht zunächst ins Gesetz einbauen. Damit hätten kommerzielle Onlinedienste und Anbieter von journalistischen Inhalten im Internet Medienverlagen eine Vergütung geschuldet, wenn sie Verlagsinhalte online zugänglich machen. Angesichts der Krise der Medien seien der Kommission die zusätzlichen Bestimmungen zunächst sinnvoll erschienen, sagte seinerzeit Kommissionssprecher Ruedi Noser (FDP/ZH).

In der Debatte der zurückliegenden Parlamentsession im Frühjahr lehnte der Ständerat jedoch die Vorlage seiner Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur (WBK-S) ab und schickte die Angelegenheit an diese zurück. Verbunden war das mit dem Auftrag, den Kommissions-Entscheid unter Berücksichtigung aktueller Rechtsentwicklungen in der EU zu überprüfen. Laut eines Berichts in der Neuen Zürcher Zeitung, der mehrere Kommissionsmitglieder anonym zitiert, hatte sich die WBK damals nicht genügend Zeit genommen für vertiefte Klärungen.

Die nähere Prüfung durch die WBK-S habe dann aber schlussendlich ergeben, dass ein Leistungsschutzrecht sogar kontraproduktiv sein könnte. Die Regelung könne dazu führen, dass Internet-Plattformen die Textanrisse und Hinweise auf Artikel nicht mehr anzeigten, so die Kommission.

Schließlich verzichtete die WBK-S dann Ende April auf das Leistungsschutzrecht für Verlage und den Vergütungsanspruch für Journalisten. Sie sei zum Schluss gekommen, dass sich schwierige Abgrenzungsfragen stellen würden, sagte damals WBK-Sprecher Noser. Es sei aus Sicht der Kommission sinnvoller, die aktuelle Revision nicht zu verzögern, so Noser. Das Urheberrecht müsse angesichts der raschen Entwicklungen ohnehin in absehbarer Zeit wieder angepasst werden, glaubt Noser.

Diesem Kommissionsentscheid folgte bei der Sitzung am gestrigen Dienstag fast der gesamte Ständerat, verabschiedete allerdings ebenfalls ein Postulat an die Regierung: Damit wird der Bundesrat beauftragt, die Entwicklungen nach der Umsetzung der Urheberrechtsmodernisierung und insbesondere die Situation der Verleger und Medienschaffenden vertieft zu analysieren.

In einem Bericht solle die Wirksamkeit der Revision unter Berücksichtigung der Entwicklung des EU-Rechts überprüft werden. So gewinne man Zeit, um eine Lösung zu finden, sagte eine Ständerätin. Die Probleme seien nämlich keineswegs vom Tisch.

Die ursprüngliche Ausgangslage für die Überarbeitung des URG war die sogenannte "Pirateriebekämpfung". Braucht die Schweiz ein Gesetz gegen das illegale Herunterladen von Musik und Filmen, so die Frage der diversen Interessensgruppen seinerzeit.

Seit längerem ist parlamentarisch entschieden: die Bekämpfung illegaler Inhalte soll bei den Schweizer Hosting-Providern erfolgen, welche solche Inhalte speichern. Bereits heute entfernen Provider in der Regel auf Meldung hin Inhalte von ihren Servern, wenn diese Urheberrechte verletzen. Künftig sollen sie verhindern müssen, dass entfernte illegale Angebote wieder hochgeladen werden ("Stay-down"-Prinzip) - und zwar ohne erneute Meldung. Tun sie das nicht, können sie strafrechtlich belangt werden.

Ursprünglich wollte der Bundesrat auch Access-Provider in die Pflicht nehmen. Sie sollten auf Anweisung der Behörden den Zugang zu bestimmten Seiten sperren müssen. Nach Kritik in der Vernehmlassung sah der Bundesrat aber von Netzsperren ab. Auch auf die vorgesehenen Maßnahmen gegen Peer-to-Peer-Netzwerke wie Musiktauschbörsen verzichtete er. Und auch für alle, die privat Filme oder Musik ohne Erlaubnis des Rechteinhabers herunterladen: Es bleibt dabei – sie werden auch weiterhin nicht strafrechtlich belangt.

In der Gesamtabstimmung hieß der Ständerat das geänderte Urheberrechtsgesetz mit 36 zu 0 Stimmen bei 3 Enthaltungen gut. Die Vorlage geht für eine Differenzbereinigung nochmal zurück an den Nationalrat. (mho)