Durchsuchungen nach Massenstrafanzeigen gegen Filesharing-Nutzer
Die massenhaft gestellten Strafanzeigen gegen P2P-Tauschbörsennutzer zogen erste drakonische Maßnahmen der Ermittlungsbehörden nach sich.
Die massenhaft gestellten Strafanzeigen gegen P2P-Tauschbörsennutzer zogen erste drakonische Maßnahmen der Ermittlungsbehörden nach sich. Verschickte die zuständige Staatsanwaltschaft Karlsruhe zunächst nur Anschreiben an die Verdächtigten, in denen sie mitteilt, dass "ein Ermittlungsverfahren wegen Verstoßes gegen das Urheberrechtsgesetz" eingeleitet worden sei, fanden jetzt erste Hausdurchsuchungen bei Verdächtigen statt.
In einem heise online vorliegenden Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichts Schwetzingen etwa wird die Maßnahme mit dem Verdacht begründet, der Beschuldigte habe das Computerspiel Earth 2160 "bei einer Tauschbörse im Internet zum Tausch angeboten", obwohl er "nicht in Besitz der dafür erforderlichen Erlaubnis der Rechteinhaberin, nämlich der Firma Zuxxez Entertainment AG" gewesen sei. Eine Durchsuchung und Beschlagnahme sei gerechtfertigt, da mit der "Auffindung von Beweismitteln" zu rechnen sei.
Der Verdächtige hatte allerdings vor der Durchsuchung bereits eine Abmahnung der Karlsruher Kanzlei Schutt-Waetke erhalten, in der er von Zuxxez aufgefordert wurde, die Datei, die der Polizei als Beweismaterial dienen soll, "unverzüglich von dem zum Download für andere Tauschbörsennutzer freigegebenen Ordner Ihres Rechners zu entfernen", was er lange vor der Durchsuchung auch tat. Dennoch beschlagnahmten die Ermittlungsbeamten seinen Rechner. Rechtsanwältin Julia Janson-Czermak, die mehrere der Abmahnungsempfänger vertritt, hält das Vorgehen für "absurd".
Wie in allen derartigen Fällen wurde zuvor vom Schweizer Unternehmen Logistep die IP-Adresse und der Zeitpunkt des Tauschbörsenangebots von Earth 2160 ermittelt. Logistep übermittelt diese Daten in Echtzeit an die Karlsruher Anwaltskanzlei, die wiederum vom Rechteinhaber pauschal für sämtliche derartige Rechtsverstöße mandatiert ist. Die Kanzlei stellt sodann Strafanzeige gegen unbekannt, wartet, bis die Staatsanwaltschaft den Anschlussinhaber zur IP-Adresse ermittelt hat, nimmt sofort Akteneinsicht und mahnt den mutmaßlichen Rechtsverstoß ab. Wie der Fall zeigt, wird die Strafverfolgung erheblich gestört, wenn die Staatsanwaltschaft mehr Zeit benötigt als die zivilrechtlich vorgehende Kanzlei Schutt-Waetke.
Dazu befragt, antwortet Dirk P. Hassinger, Vorstand von Zuxxez: "Wir können nichts dafür, wenn sich die Staatsanwaltschaft bisweilen recht viel Zeit lässt." Hassinger hat kein Problem damit, dass aufgrund der Strafanzeigen Durchsuchungen stattfinden und Rechner beschlagnahmt werden. Durch den Tausch des Spiels im Börsen wie eDonkey entstehe Zuxxez immenser Schaden, den man nur mit diesem Vorgehen eindämmen könne.
Allein bis Oktober 2005 habe die Kanzlei 3700 Abmahnungen an Tauschbörsennutzer verschickt, die Earth 2160 zum Download angeboten haben sollen. Der Tausch des Spiels sei kein Kavaliersdelikt, sondern eine Straftat. Die deutschen Nutzer kämen ja noch glimpflich davon, sagte Hassinger, und fand drastische Worte: "Wenn Sie in China jemanden anzeigen, kann es sein, dass er gleich an die Wand gestellt wird."
Derweil hat Logistep offenbar neue Kunden für seinen Antipiracy-Service gewinnen können. Für das Frankfurter Musiklabel 3p des Rappers und Produzenten Moses Pelham mahnt die Kanzlei Schutt-Waetke jetzt Nutzer ab, die CD-Rips der Band Glashaus in Tauschbörsen anbieten. Dieses Verhalten dürfte kaum auf der Linie des Verbands der deutschen Phonoverbände IFPI liegen, der einen großen Teil der deutschen Musikindustrie vertritt. Dessen Sprecher Hartmut Spiesecke äußerte sich im Gespräch mit heise online skeptisch zur Strafanzeigenmaschinerie von Logistep.
Eine der Abmahnungen des Pelham-Labels liegt heise online vor. Sie ist nahezu gleichlautend mit der zum Spiel Earth 2160. Die Kanzlei verlangt für die Aufwendungen ihrer Mandantin einen Pauschalbetrag von 250 Euro. Hinzu kommt eine Schadensersatzforderung in Höhe von 50 Euro. Dieser "geringe Pauschalbetrag" bestehe "nicht lediglich in dem Wert des Albums, das Sie hätten kaufen müssen, sondern stellt vielmehr den Wert der ersparten Lizenzgebühr für das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung, Verbreitung und Verwertung" dar. Mehrfache Anfragen von heise online beim Label 3p zu den Abmahnungen blieben bisher unbeantwortet.
Zum Aufspüren von Urheberrechtsverstößen durchforstet Logistep mit einer modifizierten Version des Open-Source-Clients Shareaza die P2P-Netze. Findet der Client die urheberrechtlich geschützte Datei des Logistep-Auftraggebers, protokolliert er die Anbieter-IP-Adresse sowie im Falle des beliebten emule den bei der Client-Installation generierten 16-stelligen User-Hash (GUID). Taucht diese GUID in einem anderen Protokoll wieder auf, geht Logistep davon aus, dass es sich um einen "Mehrfachtäter" handelt, was unter anderem eine höhere Abmahngebühr bedeutet. Dies dürfte im Zweifelsfalle allerdings wenig Beweiskraft haben: Die GUID lässt sich fast beliebig manipulieren. Das Löschen einer bestimmten Datei sorgt beispielsweise dafür, dass emule beim nächsten Start eine neue GUID erzeugt.
Der Logistep-Client schickt direkt nach dem Fund der Datei eine E-Mail an den Abusedesk des zur IP-Adresse zugehörigen Providers. Das Schreiben enthält die Bitte, alle Log-Daten zur IP-Adresse ausnahmsweise nicht zu löschen, weil mutmaßlich eine Straftat vorliegt und demnächst die Staatsanwaltschaft nach dem Anschlussinhaber fragen dürfte. Dieses Vorgehen sorgt zunehmend für Unmut bei den Zugangs-Providern, die qua Datenschutzvorschriften eigentlich dazu angehalten sind, genau diese Daten nach Verbindungsende zu löschen. Dem Berliner Flatrate-Anbieter Versatel platzte der Kragen: Per einstweiliger Verfügung ließ man Logistep verbieten, den Abusedesk mit solchen Mails zu bombardieren. Das Schweizer Unternehmen hat bereits Widerspruch gegen die Verfügung eingelegt. (hob)