EU-Agentur fĂĽr Polizeisysteme expandiert

Die europäische Agentur für das Betriebsmanagement von polizeilichen IT-Großsystemen EU-LISA soll künftig auch das geplante Ein-/Ausreisesystem umfassen. Damit wird sie zur zentralen Anlaufstelle für migrationspolitische Datenbanken.

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Von
  • Christiane Schulzki-Haddouti
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Die in Estland ansässige Agentur EU-LISA ist seit 2013 mit der Verwaltung des Schengener Informationssystems SIS II, des Visa-Informationssystems VIS sowie der Fingerabdruck-Datei Eurodac betraut. Derzeit laufen die technisch-organisatorischen Arbeiten für die dafür notwendigen Umzüge. Nun soll der Kompetenzbereich von EU-LISA erweitert werden: Auch Daten des geplanten Ein-/Ausreiseystems (EES) und des Registrierungsprogramms (RTP) sollen bei EU-LISA verwaltet werden. Dies sehen die jeweiligen Verordnungsvorschläge der Kommission vor.

Die Linke im Bundestag befürchtet: "Dadurch erhielte die ohnehin bereits zentralisierte Datenbank-Architektur eine Art Monopol für migrationspolitische Informationssysteme." Sie hat deshalb in einer kleinen Anfrage nachgefasst. Die Antwort der Bundesregierung liegt jetzt vor. Sie setzt sich demnach dafür ein, EU-LISA zu einem "zentralen IT-Dienstleister für die europäischen Sicherheitsbehörden" auszubauen. Sie plädiert für eine zentrale Verwaltung, da hier "einheitliche Vorgehensweisen definiert und koordiniert" werden können.

Derzeit gestalteten sich die technischen Abstimmungsprozesse bei dezentralen Verfahren "schwierig", heißt es weiter in der Antwort. EU-LISA könnte eine koordinierende Rolle übernehmen. Eine zentrale europäische Datenbank für die geplante Erfassung von Flugpassagierdaten, die bei EU-LISA angesiedelt sein könnte, wird hingegen nicht gefordert, da sich die meisten Mitgliedstaaten dagegen aussprechen.

Vor allem das deutsche Bundesinnenministerium drängt die EU-Kommission, im Rahmen des Pakets "Intelligente Grenzen" ein "Ein-/Ausreisesystem" (EES) nach US-Vorbild zu errichten. Darin sollen von Reisenden aus Drittländern nicht nur Zeit und Ort von Ein- und Ausreise erfasst werden, sondern auch alle zehn Fingerabdrücke. Es soll ein automatischer Warnhinweis an die Behörden generiert werden, wenn jemand bis zum Ablauf der Aufenthaltsdauer nicht ausgereist ist. Dies ist derzeit auf Basis der Stempelüberprüfungen nicht möglich. Betroffen wären rund eine halbe Milliarde Reisende jährlich.

Der Vielreisende öffnet selbst den Eingang zu einer Autocontrol-Spur, indem er das Reisedokument auf einen Ausweisleser legt.

(Bild: Bundespolizei)

Vielreisende sollen über ein Registrierungsprogramm (RTP) ihre biometrischen Daten auf einem Token etwa in Form einer Chipkarte hinterlegen können, um automatische Kontrollspuren nutzen zu können. Solche Spuren werden in Deutschland in einigen Flughäfen wie etwa in Frankfurt bereits auf freiwilliger Basis genutzt, etwa um den Kontrollprozess bei Reisen in die USA zu beschleunigen.

Im Rahmen der "Intelligenten Grenzen" untersucht die EU-Kommission, wie "Lücken in den bestehenden polizeilichen Informationsaustauschsystemen geschlossen werden können". Eine Machbarkeitsstudie soll im September vorliegen. Eine Lücke sieht die Bundesregierung darin, dass ein "EU-weiter Fundstellennachweis bestimmter polizeilicher Daten" wie etwa zu Kriminalakten fehlt. Derzeit erfolgt während der polizeilichen Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs an den Schengen-Außengrenzen "ein systematischer Abgleich" mit dem Schengener Informationssystem (SIS II), INPOL (Personen- und Sachfahndungsbestand) sowie der für die Grenzfahndung geführten Datei. Bei Personen mit Anspruch auf Personenfreizügigkeit wird nur im Einzelfall abgefragt, wobei "noch ein Abgleich mit dem Ausländerzentralregister, dem Interpol ASF-SLTD (Stolen and Lost Travel Document Database) und vereinzelt unter den spezifischen Voraussetzungen des ATDG auch der (ATD) möglich" ist.

Der linke Bundestagsabgeordnete Andrej Hunko hält EU-LISA jedenfalls schon jetzt für "ein Symbol für die polizeiliche Datenbankgesellschaft". Er fordert: "Anstatt die immer zahlreicher werdenden Polizeidatenbanken zu zentralisieren, wäre Abrüstung angesagt." Hunko kritisiert auch die Bundesregierung, die ihre Stellung als einwohner- und finanzstarkes EU-Mitglied nutze, "um für weitere digitale Kontrolle zu sorgen."

Auch anderer Stelle bewegt sich nach den Snowden-EnthĂĽllungen etwas: Das sTESTA-Netzwerk, ĂĽber das die polizeilichen Daten aus den Datenbanken VIS, SIS II und Eurodac zwischen den Mitgliedstaaten ausgetauscht werden, wurde bislang von einem Konsortium aus den Firmen Orange Business Services und Hewlett Packard betrieben. Nach einer Neuausschreibung wird es nun auf ein System der deutschen T-Systems migriert, womit die Daten nun von einer Firma im Schengenraum betreut werden. (anw)