EU-Rat will "alle Optionen" für neue Vorratsdatenspeicherung ausloten

Die estnische Ratsspitze will sich bei der Vorratsdatenspeicherung noch nicht geschlagen geben. Eine Gedankenwolke und der Einbezug der geplanten E-Privacy-Verordnung sollen den Mitgliedsstaaten auf die Sprünge helfen.

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EU-Rat will "alle Optionen" für neue Vorratsdatenspeicherung ausloten

(Bild: dpa, Matthias Balk)

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Anfang Juli hatte die neue estnische Präsidentschaft des EU-Ministerrates bereits eine Expertengruppe eingesetzt, um beim Dauerstreitthema Vorratsdatenspeicherung doch noch zu einer einheitlichen Lösung für alle Mitgliedsstaaten zu kommen. Einen Monat später wird deutlich, dass die Bemühungen der Ratsspitze in dieser Frage deutlich weiter gehen. "Alle gesetzgeberischen und nicht-gesetzgeberischen Optionen sollten untersucht werden, um das Thema der Vorratsdatenspeicherung anzugehen", heißt es in einem als vertraulich eingestuften Papier der Esten, das die britische Bürgerrechtsorganisation Statewatch veröffentlicht hat.

Dabei sei auch die Arbeit an einer neuen Verordnung für den Datenschutz in der elektronischen Kommunikation einzubeziehen, schreibt die Ratsführung. Eventuell könne über diesen Weg das massenhafte Protokollieren von Nutzerspuren wieder vorgeschrieben werden. Die aus Estland stammende Berichterstatterin für die Novelle der bestehenden E-Privacy-Verordnung im EU-Parlament, Marju Lauristin, dürfte davon aber wenig halten. Die Sozialdemokratin wirbt dafür, den Schutz von Verbindungs- und Standortdaten zu verbessern und mehr Ende-zu-Ende-Verschlüsselung einzuführen.

Kopfzerbrechen bereitet den EU-Staaten nach wie vor die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH). Er erklärte 2014 zunächst die EU-Richtlinie für nichtig und bekräftigte in einem zweiten Grundsatzurteil Ende 2016 noch einmal, dass eine anlasslose Vorratsdatenspeicherung grundrechtswidrig ist. Zu diesem zweiten Richterspruch hat die Ratspräsidentschaft nun in einem separaten Geheimdokument eine eine "Mind Map" erstellt, um möglichst viele Aspekte sowie Vor- und Nachteile insbesondere aus Sicht der Strafverfolgung des Protokollierens von Nutzerspuren auszuloten. Schwerpunkte in der Übersicht bilden die Bereiche Zugangsbedingungen, "gezielte Datenspeicherung" und der "E-Privacy-Kontext".

Auch denkbare Kompromisse bringen die Esten ins Spiel. So fragen sie die Delegationen der Mitgliedsstaaten, in welchem Kontext Sicherheitsbehörden sich auf Abrechnungsdaten der Provider stützen könnten, um etwa Betrugsversuche auszumachen und zu stoppen. Sie wollen auch wissen, ob diese Informationen ausreichend seien, um den "operationalen Bedürfnissen" von Ermittlern im Kampf gegen Verbrechen entgegenzukommen.

Eine weitere Frage bezieht sich darauf, ob ein System, mit dem eine Pseudonymisierung von Verbindungs- und Standortdaten rückgängig gemacht werden könne, mit dem EU-Recht vereinbar sei. Zu bedenken gibt die Ratsspitze ferner, ob nicht generell angesichts der starken Stellung von "Over-the-Top"-Anbietern wie WhatsApp oder Skpye die Datenberge wüchsen, die mit der Einwilligung der Endnutzer verarbeitet werden dürften, und ob Strafverfolger von einem Zugriff davon profitieren könnten. Antworten erwarten die Esten bis Anfang September, danach wollen sie die eventuell verbleibenden Möglichkeiten tiefer analysieren. (anw)