Ein Katalog von Gravitationswellen

Gravitationsphysiker haben nicht nur vier bislang noch unbekannte Events veröffentlicht, sondern auch einen umfangreichen Gesamtkatalog.

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Ein Katalog von Gravitationswellen

(Bild: S. Ossokine, A. Buonanno (Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik), Simulating eXtreme Spacetimes Projekt, W. Benger (Airborne Hydro Mapping GmbH))

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Andreas Stiller

Während die Kollegen vom Large Hadron Collider (LHC) in Genf schon seit Jahren auf ein paar neue publikumswirksame Events warten, können die Gravitationswellenforscher immer wieder mit neuen Erfolgen bei der Suche nach den „Geisterwellen“ (Zitat von Einstein) punkten. Zwar noch nicht ganz so wie erhofft im Monatstakt, aber immer mal wieder. Die vier kürzlich auf dem bis Dienstag laufenden Workshop "Gravitational Wave Physics and Astronomy Workshop" der University of Maryland gemeldeten vier neuen Events sind allerdings so neu nicht, nur wurden sie erst beim Reprocessing der Daten aus der zweiten Operationsphase (O2) vom 30. November 2016 bis zum 25. August 2017 herausgerechnet [–] oder aber sie wurden etwas zurückgehalten, um auch in der aktuellen nichtoperativen Update-Phase was Spannendes zu berichten zu haben.

Besonders bedeutend ist darunter das Event GW170818 vom 18. August 2017, das sowohl von den beiden Ligo-Detektoren in den USA, als auch von dem italienisch-französischen Virgo in Pisa gemessen werden konnte, wo man dann dank Triangulation die Herkunftsquelle so präzise wie nie zuvor (auf 39 Quadratgrad) bestimmen konnte. Und dieses Ereignis war nur ein Tag nach dem spektakulären Event GW170817, das auch vom Fermi Gamma-Strahlungsdetektor und von optischen Teleskopen wahrgenommen werden konnte. Bei jenem handelte es sich um die erste nachgewiesene Kollision zweier Neutronensterne. Drei Wochen vorher konnte man zudem, wie jetzt bekannt wurde, eine Kollision von den bislang schwersten bekannten Schwarzen Löchern detektieren – aber genauer gesagt waren diese ja schon vor 5 Milliarden Jahren zusammengestoßen. Sie wogen zusammen etwa 85 Sonnenmassen und strahlten bei der innigen, nur wenige Sekunden dauernden Vereinigung gut 5 Sonnenmassen als Energie in den Weltraum ab.

Der Bereich der beteiligen Massen (Sonne =1). Für den dicksten Zusammenstoß von zwei Schwarzen Löchern GW170818 liegt der Schwerpunkt bei 51 und 34 Sonnenmassen (aus dem neuen Katalog).

(Bild: LIGO & Virgo Collaboration)

Die Upgrade-Phase des Jahres 2018 (unter anderem stärkere Laser und gequetschtes Licht, beides bei GEO600 in Hannover entwickelt) für LIGO und Virgo ist weitgehend beendet, jetzt beginnen die Testläufe (Engineering Runs, ER). Der Start der neuen operativen Phase O3 ist gegenüber früheren Planungen um ein paar Monate auf Ende März verschoben worden, vielleicht wird man dann gegen Ende von O3 noch Verstärkung durch den japanischen Detektor KAPRA bekommen. Für O3 erhofft man sich zwei bis drei Events pro Monat, und möglichst auch ein paar Dutzend Neutronensternkollisionen, die dann vielleicht auch von den Gamma-, Radiowellen- und optischen Teleskopen aufgespürt werden können.

Die Steigerung der Empfindlichkeiten von LIGO und Virgo nach jedem Upgrade, hier ausgedrückt in der in der Astronomie üblichen Einheit Megaparsec. Der ursprüngliche Start der Beobachtungsphase O3 wurde derweil um ein paar Monate auf Ende März 2019 verschoben. 2020 soll dann der japanische KAGRA hinzukommen

(Bild: LIGO)

Für einen Weihnachtskalender haben die insgesamt elf bislang als sicher erkannten Events (zehn „Merger“ von zwei Schwarzen Löchern (BBH) und eins von zwei Neutronensternen(BNS)) zwar noch nicht gereicht, rechnet man die 14 im frisch veröffentlichten Katalog aufgelisteten Kandidaten (etwa mögliche Fehltriggerungen) hinzu, käme es aber schon gut hin. Dieser umfangreiche Katalog wurde anlässlich des oben genannten Workshops von der LIGO und Virgo Collaboration auf Arxiv veröffentlicht: GWTC-1: A Gravitational-Wave Transient Catalog of Compact Binary Mergers Observed by LIGO and Virgo during the First and Second Observing Runs.

Hier kann man für jedes Event und für jeden Kandidaten, für jeden Detektor für jede Pipeline und jeden Filter-Algorithmus (etwa GstLAL, als open source verfügbar auf GitHub) die Werte, etwa Signal-Rauschabstand, nachlesen.

Wer selber mal nachrechnen und vielleicht weitere Events aufspüren möchte: Die Datensätze von O1-O2 kann man vom Gravitational-Wave Open Science Center herunterladen, insbesondere die Datensätze der detektierten Gravitationswellen-Events. Wem das zu kompliziert ist: Mit dem verteilten Rechenprojekt Einstein@home kann jeder ohne Programmierkenntnisse mithelfen, potenzielle Quellen von Gravitationswellen, wie Pulsare, aufzuspüren. (as)