Endgültiges Aus für LiMux: Münchener Stadtrat setzt den Pinguin vor die Tür

Microsoft kann nach 14 Jahren Auszeit in München wieder voll "fensterln". Mit der Mehrheit der großen Koalition hat der Stadtrat endgültig beschlossen, bis 2020 wieder auf Windows umzustellen und den Ausflug in die Linux-Welt zu beenden.

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Endgtültiges Aus für Limux: Münchener Stadtrat setzt den Pinguin vor die Tür

(Bild: designerpoint + LiMux)

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Nach einer turbulenten Debatte hat der Münchner Stadtrat am Donnerstag mit den Stimmen der Regierungsfraktionen von SPD und CSU für eine heftig umstrittene Beschlussvorlage gestimmt, wonach spätestens bis Ende 2020 eine stadtweit einheitliche Client-Architektur für insgesamt rund 29.000 Rechner auf Windows-Basis geschaffen werden soll. Für Bürotätigkeiten und Internetanwendungen sind "marktübliche Standardprodukte einzusetzen". Dies bedeutet endgültig das Aus für das alternative einstige Open-Source-Prestigeprojekt LiMux, mit dem die Münchner in rot-grünen Zeiten mithilfe von Linux und anderer freier Software Lizenzkosten sparen und sich von großen Herstellern wie Microsoft unabhängig machen wollten.

LiMux - Linux in der Stadtverwaltung München

Die Kehrtwende ist Teil eines größeren Plans zur "Neuorganisation der städtischen Informations- und Telekommunikationstechnik" auf Basis eines Gutachtens des Microsoft-Partners Accenture von 2016. Dabei geht es etwa auch um eine neue IT-Strategie mit einem veränderten Sicherheitsmanagement, Kompetenzen und Werkzeugen sowie einem neuen Lösungs- und Projektmanagement. Der Stadtrat folgte mit der Entscheidung einer Empfehlung des Verwaltungsausschusses, gegen den die Opposition und Linux-Befürworter Sturm liefen. Sie befürchten, dass die Verwaltung mit dem Schritt jahrelang gelähmt wird.

Die Kosten für das Vorhaben sollten anfangs geheim bleiben. Die Grünen konnten im federführenden Ausschuss aber zumindest noch durchsetzen, dass das zuständige Rathausdirektorium die von den Abgeordneten verlangte grobe Schätzung jetzt veröffentlicht hat. Die "zahlungswirksamen" Gesamtausgaben für sämtliche Umsetzungsprojekte sollen sich demnach für die nächsten sechs Jahre zunächst auf 86,1 Millionen Euro belaufen. Davon entfielen 49,3 Millionen allein auf den vorgesehenen einheitlichen IT-Arbeitsplatz mit Windows.

Enthalten sind in dem Gesamtbetrag laut der Darstellung Ausgaben für Lizenzen für Microsoft Windows, Softwareverteilung, Druck- und Profil- und ID- sowie die angestrebte "Erweiterung der Virtualisierungsumgebung". Auch 6000 Lizenzen für einen ersten Test mit Microsoft Office sind eingerechnet. Der Abschied auch vom derzeit eingesetzten LibreOffice ist aber noch nicht beschlossen: ein unabhängiger Sachverständiger soll zunächst die von diesem Schritt abhängigen hohen Folgekosten für die erforderliche Umstellung tausender Makros, Formulare und Vorlagen analysieren, bevor der Stadtrat auch hier Nägel mit Köpfen machen kann. Käme es auch dazu, gehen die Grünen von einem Gesamtbudget im dreistelligen Millionenbereich aus.

Jenseits der 86 Millionen Euro kommen laut dem Direktorium Ausgaben in Höhe von 3,1 Millionen Euro auf die einzelnen Referate und Eigenbetriebe zu, da diese ihre eigenen Anforderungen erstellen, Tests durchführen, an Schulungen teilnehmen und Arbeitspakete abnehmen müssten. Die vorläufige Endsumme betrage so über 89 Millionen Euro.

Die Opposition kritisierte den Beschluss scharf. Verbesserungen im IT-Bereich seien unbedingt nötig, nicht aber ein "völliger Roll-Back zu Microsoft", betonte Florian Roth von den Grünen. Es handle sich um ein "großes Beispiel für Geldverschwendung". Thomas Ranft (FDP) beklagte den hohen Umstellungsaufwand und bedauerte, dass die teils erlangte Herstellerunabhängigkeit aufgegeben werde. Es mache keinen Sinn, für eine Übergangslösung rund 100 Millionen Euro auszugeben. Tobias Ruff (ÖDP) beklagte, dass die Zukunft nicht dem stationären PC gehöre und mittlerweile selbst Microsoft teils auf Linux-Basis arbeite. Zudem gebe die Stadt ihre erarbeitete Open-Source-Expertise auf. Die Linke Brigitte Wolf meint, dass es zielführender wäre, konsequent auf webbasierte Anwendungen zu setzen.

"Wir brauchen den Windows-10-Client", hielt die SPD-Politikerin Anne Hübner dagegen. Auch wenn es sich um eine Zwischenlösung handle und das Microsoft-Betriebssystem "nicht die nächsten 30 Jahre laufen" solle, "können wir nicht einfach auf Virtualisierung warten". Mit dem bisher letztlich gefahrenen Doppelbetrieb "waren wir über die Jahre ein Stück weit überfordert". Für die CSU-Fraktion sprach Sabine Pfeiler von einem positiven Moment; der Umstieg werde behilflich sein, die Digitalisierung der Verwaltung voranzutreiben. Alles andere sei Augenwischerei. (mho)