Expert Days: Wie nah sollen sich Mensch und Roboter kommen?

Würden Sie einen Roboter Elektroden in Ihren Kopf hämmern lassen? Oder doch lieber nur Getränke von ihm annehmen? Auf den Expert Days wurde beides vorgestellt.

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Expert Days: Wie nah sollen sich Mensch und Roboter kommen?

Der Jeeves

(Bild: Robotise)

Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Hans-Arthur Marsiske
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Nach dem Vortrag von Wolfgang Ptacek waren die Zuhörer erst einmal sprachlos. "Die Videos waren wohl zu abschreckend", vermutete er mit einem Augenzwinkern, als zunächst keine Fragen kamen. In der Tat ist es zumindest für Nichtmediziner wohl etwas gewöhnungsbedürftig, zu sehen, wie einem Patienten für eine Gehirnuntersuchung Elektroden in den Kopf gehämmert werden.

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Ptacek berichtete bei den Schunk Expert Days in Odense von seinen Forschungen mit Robotern am Austrian Center for Medical Innovation and Technology (ACMIT). Dabei ging es im Rahmen des Projekts Virtopsy anfangs noch um den Einsatz eines Roboters bei der Untersuchung von Leichen. Der Virtobot, ein Roboterarm, der an Schienen über dem Untersuchungstisch montiert ist, könne den Körper dreidimensional scannen. Auf Grundlage von MRI-Daten sei er aber auch in der Lage, Biopsien vorzunehmen, also Gewebeproben aus dem Körper zu entnehmen. Dank eines externen Trackingssystems könne die Biopsie-Nadel mit einer Präzision von 0,5 Millimetern bewegt werden. Die Analyse der Daten in virtueller Realität könne helfen, Tat- oder Unfallhergänge zu rekonstruieren.

Unter dem Titel NeuRob zeigte Ptacek dann allerdings, wie die gleiche Technologie auch am lebenden Körper eingesetzt werden kann. Zur chirurgischen Behandlung von Epilepsie oder für Forschungszwecke kann es notwendig sein, ein Stereo-EEG zu erstellen. Hierfür werden mehrere Elektroden ins Gehirn implantiert, wobei zuvor erhobene CT- und MRI-Daten für die Navigation genutzt werden. Bei diesen Bildern ging ein Raunen durch den Saal. Drastischer konnte die Frage, wie nah wir Roboter an uns heranlassen wollen, wohl kaum gestellt werden.

Zuvor hatte schon Stefano Stramigioli über das an der University of Twente entwickelte System SunRAM-5 berichtet, das zur Behandlung von Brustkrebs eingesetzt werden soll, indem es Biopsien an der weiblichen Brust entnimmt. Auf die Frage nach der Akzeptanz bei Patientinnen argumentierte Stramigioli mit der Präzision des Roboters: "Ein Einstich und das war‘s", sagte er. Bei einer von Menschen durchgeführten Biopsie wären dagegen häufig mehrere Versuche nötig, bevor eine Gewebeprobe von der richtigen Stelle entnommen werden konnte. Ob das aber wirklich das entscheidende Kriterium dafür ist, sich einem Roboter anzuvertrauen, muss indessen vorerst dahingestellt bleiben: Bisher sei das System noch nicht an Menschen getestet worden, so Stramigioli.

Fragen nach der Zusammenarbeit von Mensch und Roboter am Arbeitsplatz waren demgegenüber deutlich weniger beunruhigend, wenn auch nicht unbedingt leichter zu beantworten. So zeigte Thomas Pilz von der Pilz GmbH am Beispiel des Sicherheitsstandards TS 15066, wie schwierig es ist, sich auf verbindliche Messverfahren zu verständigen oder Schwellenwerte fürs Schmerzempfinden festzulegen. "Die Japaner fordern, sie höher zu setzen", sagte Pilz.

Besser ist es natürlich, wenn Mensch und Roboter gar nicht erst miteinander kollidieren. Wenn es aber doch passiert, soll der Roboter so schnell wie möglich seine Bewegung stoppen. Um das zu gewährleisten, bietet die österreichische Firma Blue Danube Robotics eine künstliche Haut an, mit der Roboter nachträglich ausgestattet werden können. Diese Airskin besteht, wie der Name nahelegt, aus einer Lufthülle, die aufgrund der Druckveränderung jede Berührung rasch registriert. Die Reaktionszeit liege bei weniger als 9 Millisekunden, sagte Walter Wohlkinger, CEO von Blue Danube Robotics.

Bei den Expert Days präsentierte Blue Danube Robotics ihr Produkt Airskin auf einem (Ehrensache!) dänischen Roboterarm von Universal Robots.

(Bild: heise online/Hans-Arthur Marsiske)

Der Vorteil gegenüber Verfahren, die mit Kraft-Momenten-Sensoren arbeiteten, sei zudem, dass der Roboter reagiere, bevor die Kräfte wirkten. Mithilfe von 3D-Druck könne Airskin nach Maß für jeden beliebigen Roboter gefertigt werden. Außerdem gebe es modulare Airskin Pads zum Selberbauen. Auch mobile Roboter könnten damit ausgestattet werden, das vorrangige Einsatzfeld seien aber vorerst Roboterarme.

Die 2016 gegründete Robotise GmbH hat bei ihrem Roboter Jeeves allerdings weniger aus Sicherheitsgründen auf einen Arm verzichtet, sondern um die Komplexität des Systems gering zu halten. "Einfachheit ist der Schlüssel", sagte Unternehmensgründer Oliver Stahl. Das gelte auch für die implementierte Künstliche Intelligenz, bei der die Dialogmaschine RASA Core zum Einsatz käme. Jeeves soll in Hotels als eine Art mobile Minibar auf Bestellung Produkte zum Zimmer transportieren und verfügt dafür über mehrere Fächer, sowohl für gekühlte als auch für heiße Speisen und Getränke.

Ein Problem, so Stahl, sei allerdings die Bedienung des Fahrstuhls. Um bestehende Fahrstühle auf die drahtlose Kommunikation mit dem Roboter umzustellen, seien von den Herstellern teilweise Fristen von bis zu einem Jahr gesetzt worden. Daher würden sie bei Robotise jetzt doch überlegen, Jeeves wenigstens mit einem kleinen Arm auszustatten, damit er die Tasten im Fahrstuhl bedienen – und bei Erreichen des Zimmers höflich anklopfen kann. Mit solchen Robotern lässt sich dann doch eher auskommen, als mit denen, die einem ("Es ist nur zu deinem Besten!") Nadeln in den Körper rammen wollen. (mho)