Firefox Quantum ist da: "Größtes Update aller Zeiten"
Firefox Quantum ist laut Mozilla das "größte Update aller Zeiten". Der Browser ist flinker, schlanker und schöner geworden und soll endlich mit Chrome mithalten – und ihn überholen. Gelingt Firefox das große Comeback?
Neu, schnell und stark soll er sein, der neue Firefox Quantum – auch bekannt als Firefox 57. Mozilla geht mit diesem Update in die Offensive und verspricht nichts weniger als "das größte Update aller Zeiten" und die "Wiedergeburt von Firefox". Die größte Neuerung ist die Browser-Engine Quantum, die den Seitenaufbau deutlich beschleunigen soll und dabei weniger RAM beansprucht als ältere Firefox-Fassungen. Auffallen dürfte außerdem die neue Bedienoberfläche namens Photon, die Australis ablöst. Auch das Firefox-Logo hat einen neuen Anstrich erhalten und wirkt – passend zum neuen Browser-Design – gleich etwas moderner.
"Er ist wirklich schnell"
Mit Firefox Quantum will Mozilla seinem starken Rivalen Chrome die Stirn bieten. Googles Browser ist weltweiter Marktführer und überzeugt seine Nutzer mit Schnelligkeit und einem schlanken Auftreten. Das waren lange Zeit zwei Problemzonen von Firefox: Der Browser gilt bei Kritikern als träge und aufgeblasen. Viele Firefox-Nutzer wandten sich schon vor Jahren von ihrem ehemaligen Lieblingsbrowser ab und dem Chrome-Browser zu.
Die wichtigste Nachricht an (ehemalige) Firefox-Fans lautet deshalb: "It's really fast", betont Mark Mayo im Gespräch mit heise online. Der "Kopf aller Dinge" bei Firefox hofft, dass Chrome im Vergleich zu Firefox Quantum geradezu veraltet wirkt. Quantum soll schnell und schlank sein und sich nicht wie ein Kompromiss anfühlen. Dieses Ziel zu erreichen, kostete viel Aufwand: Die Entwickler haben 75 Prozent der Codebasis von Firefox angefasst – das sind fast 7 Millionen Codezeilen. Das sei keine "glamouröse Angelegenheit" gewesen, sagt Mayo. Viel mehr war das vergangene Jahr von "intensiver Arbeit" geprägt, die mit dem aktuellen Release aber noch keinen Abschluss gefunden hat. Quantum sei eben ein "pretty big deal".
Mehr Performance, weniger RAM-Verbrauch
Firefox Quantum verteilt Aufgaben auf mehrere Prozessorkerne und arbeitet effizienter als die Vorgänger. Der Browser profitiert dadurch von moderner Hardware, auch bei Smartphones. Die Entwickler hatten mit dem Umstieg auf eine Multiprozess-Architektur bereits mit Firefox 53 begonnen und einen ersten Bestandteil von Quantum in den Browser eingebaut. Bis dahin griff Firefox üblicherweise nur auf einen Prozessorkern zurück. Mit Version 57 nutzt die in Rust geschriebene CSS-Engine Quantum CSS (bislang bekannt als Stylo) mehrere Kerne aus, um Webseiten schneller zu zeichnen. Wie Mark Mayo erklärte, entfaltet die CSS-Engine ihre Kraft insbesondere bei komplexeren Seiten und Web-Apps.
Für Geschwindigkeit sorgt außerdem eine Vorfahrtsregel: Das aktiv genutzte Tab hat immer Vorrang gegenüber denen, die ungenutzt im Hintergrund liegen. So zwingen selbst 1691 geöffnete Tabs den Browser nicht in die Knie, wie Firefox-Entwickler Dietrich Ayala bewies. Zusätzlich konnten die Entwickler den RAM-Bedarf des Browsers senken: Ayalas beachtliche Tabs-Sammlung belegte in Firefox 55 nur noch 0,5 GByte RAM, während es in den älteren Versionen noch rund 2 GByte waren. Unter macOS gibt es jedoch weiteren Optimierungsbedarf – hier liegen Chrome und Firefox beim RAM-Verbrauch dicht beieinander, sind aber immerhin sparsamer als Safari.
Bei internen Mozilla-Benchmarks mit Speedometer 2.0 war Firefox 57 doppelt so schnell wie Version 52, was wir mit unseren eigenen Messungen bestätigen konnten (siehe Bilderstrecke). Im Vergleich zu Edge 41 liegt Firefox 57 gleichauf; Chrome 62 hat noch einen deutlichen Vorsprung. Im Alltagsgebrauch macht Firefox 57 insgesamt eine gute Figur – die Schwuppdizität stimmt. Es hakt nichts und die Webseiten sind fix geladen, sodass Firefox einem Chrome in nichts nachsteht. Einen ausführlichen Vergleichstest lesen Sie demnächst in der c't.
Firefox 57 - Testergebnisse (6 Bilder)
Neues Photon-Design
Photon nennt sich das neue Design von Firefox. Mozilla beschreibt es als "Design-System", das die Programme auf unterschiedlichen Plattformen vereinheitlichen soll. Die Bedienoberfläche von Firefox eignet sich dank Photon auch besser für die Bedienung mit dem Finger und ist für hochauflösende Bildschirme optimiert. Die Tabs haben ihre Rundungen verloren und liegen auf einer dunklen Titelleiste, von der es auch eine helle Variante gibt ("ein Theme mit hellen Farben"). Die Entwickler-Tools wurden ebenfalls aufgehübscht.
Die Firefox-Einstellungen sowie die Add-ons-Verwaltung sind übersichtlicher geworden. Insgesamt wirkt der Browser etwas aufgeräumter als sein Vorgänger. Das Hauptmenü haben die Designer schlanker gestaltet, es lässt sich allerdings nicht mehr beliebig umsortieren. Die einzelnen Menüpunkte sind fest verankert. Heißt auch, dass der Nutzer keine eigenen Punkte mehr hinzufügen kann, wie es bislang der Fall war. Die Symbolleiste lässt sich weiterhin anpassen und mit eigenen Icons bestücken. Mehr Platz gibt es in einem "Überhangmenü" in der Symbolleiste. In der Adresszeile verbirgt sich hinter drei Punkten ein weiteres Menü, dass Website-spezifische Optionen bereit hält. Der Nutzer kann damit schnell eine Seite fotografieren oder sie ans Mobilgerät schicken.
Neu ist ein Icon für die "Bibliothek". Sie sammelt zentral alles, was beim Surfen so anfällt: Lesezeichen, "wichtige Seiten", die Chronik, Downloads und mehr. Der Download-Button erscheint in der Symbolleiste nur noch, wenn der Nutzer eine Datei heruntergeladen hat und verschwindet nach einem Neustart. Wer ihn ständig im Blick haben will, kann das in den "Anpassungen" entsprechend feststellen. Dort lässt sich auch die optionale Suchleiste ein- und ausblenden; sie ergänzt die Adressleiste, die ebenfalls Suchanfragen entgegennimmt.
Alte Add-ons gehen nicht mehr
Firefox-Nutzer, die viele Erweiterungen installiert haben, könnten eine böse Überraschung erleben: Ab sofort sind nur noch Add-ons erlaubt, welche die mit Version 54 eingeführten WebExtension-APIs nutzen. Sie unterstützen die Multi-Prozess-Architektur des Browsers, was das Arbeitstempo beschleunigt. Die veralteten XPCOM- und XUL-Schnittstellen werden nicht mehr unterstützt, weshalb ältere Erweiterungen nicht mehr funktionieren. Davon betroffen ist etwa das populäre Add-on NoScript, das noch nicht mit Quantum kompatibel ist. Entwickler können das Aussehen des Browsers nicht mehr so stark verändern wie vorher. WebExtensions vereinfacht dafür die Entwicklung von Browser-übergreifenden Erweiterungen.
Das "größte Update aller Zeiten" stopft nebenher diverse Sicherheitslücken. Für mehr Sicherheit sorgt zudem das Sandboxing bei Add-ons: Wegen des Umstiegs auf WebExtensions laufen diese nun in einem eigenen Prozess, was außerdem deren Stabilität erhöht. Vor ungewollter Verfolgung durch Werbenetzwerke schützt eine mit Version 42 eingeführte "Tracking Protection", die ab sofort in allen Tabs und Fenstern arbeitet, und nicht mehr nur in "privaten Fenstern". Vorher mussten Nutzer das erst in der about:config
einstellen.
Beginn einer Evolution
Nach dem Update ist vor dem Update: Version 57 war nur "der erste Schritt in einer Evolution", erklärt Mark Mayo. Eine der größeren Veränderungen wird die kommende Einführung von WebRender sein, einem weiteren Bestandteil von Quantum. Laut Mayo soll der Renderer für Webseiten in Version 60 oder später ("60-ish") eingeführt werden. Es sei das größte "Pipeline-Update" in nächster Zeit. WebRender arbeitet so ähnliche wie eine Spiele-Engine und bezieht die GPU stärker ein, was die Performance verbessert und den Akku schont. Ist keine GPU vorhanden, wird sie simuliert. Zunächst muss sich nun aber zeigen, ob die Nutzer Lust auf den neuen Firefox haben und ihm eine (zweite) Chance geben. Verdient hat er es.
Firefox Quantum steht ab sofort zum Download bereit für Windows, macOS und Linux. Das Update auf Version 57 wird nach und nach verteilt. Alle Änderungen und Neuerungen sind in den Release Notes aufgeführt. (dbe)