Firma Sunfire macht Sprit aus Luft statt aus Öl

Strom, Luft und Wasser – daraus stellt das Dresdner Start-up einen Ersatz für Erdöl her. Er kann als Treibstoff oder als chemischer Rohstoff dienen.

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Luft statt Öl

Sunfire-Mitgründer Nils Aldag mit einem Glas "Blue Crude", das allerdings nicht blau ist.

(Bild: Sven Döring / Agentur Focus)

Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Rainer Kurlemann
Inhaltsverzeichnis

Die Idee könnte nicht verlockender sein. Autos fahren mit einem Treibstoff, der nur aus Kohlendioxid aus der Luft und aus Wasser hergestellt wird. Die Dresdner Firma Sunfire hat diesen Traum verwirklicht. Mit ihrem Ansatz schaffte es die Firma auf die Liste der "50 innovativsten Unternehmen", die Technology Review in diesem Jahr erstellt hat. Die vollständige Liste gibt es zum Einsehen online und mit größeren Porträts einzelner Firmen in der aktuellen TR-Ausgabe (jetzt im Handel und im heise shop erhältlich).

TR 9/2017

Auf dem Betriebsgelände von Sunfire kann man seit ein paar Monaten synthetischen Sprit mit dem Namen "Blue Crude" tanken. Er wird mit Strom hergestellt. "Strombasierte Kraftstoffe und Gase sind eine vielversprechende Ergänzung zum Einsatz von Strom in batteriebetriebenen Elektroautos, da sie schon jetzt mit der heutigen Infrastruktur kompatibel sind“, erklärt Nils Aldag, Chief Commercial Officer von Sunfire. Derzeit plant das Unternehmen eine Pilotfabrik in Norwegen. Die 20-Megawatt-Anlage soll jährlich 8000 Tonnen herstellen.

Der dafür nötige chemische Prozess ist seit fast 100 Jahren bekannt. Franz Fischer und Hans Tropsch stellten 1925 ein alternatives Verfahren zur Benzinherstellung vor. Die beiden deutschen Chemiker wollten das Kokereigas sinnvoll verwenden, das bei der Herstellung von Koks für die Stahlindustrie in großen Mengen nutzlos abgefackelt wurde. Sie entdeckten, dass dieses Gemisch aus Wasserstoff, Methan und Kohlenmonoxid an der Oberfläche von Katalysatoren langkettige Kohlenwasserstoffe bildet. So stellten sie Flüssiggase, Benzin, Diesel, Kerosin und Wachs her.

Doch wirtschaftlich erfolgreich wurde diese Methode nie. Sunfire hat das Verfahren wiederentdeckt und mit seiner eigenen Technologie kombiniert. Das Unternehmen baut Elektrolyse-Anlagen und stellt die Vorläufersubstanzen für die Synthese der Kohlenwasserstoffe aus umweltfreundlichen Quellen her. Kohlenmonoxid erzeugt Sunfire aus Kohlendioxid, das direkt aus der Luft gefiltert wird. Der Wasserstoff entsteht durch die Elektrolyse von Wasserdampf.

Kritiker gibt es zuhauf. Sie stoßen sich vor allem an zwei Aspekten: Zum einen bezweifeln sie, ob das Verfahren das Prädikat "ökologisch" verdient. Denn Strom für die Elektrolyse besitzt im aktuellen Herstellungsmix eine schlechte CO2-Bilanz. Aldag schlägt deshalb vor, den Betreiber einer Elektrolyse per Gesetz zu verpflichten, nur Strom aus erneuerbaren Quellen zu nutzen. "Die garantierte Abnahme großer Mengen Strom durch eine Technologie wie die Elektrolyse schafft Planungssicherheit für den Bau neuer Ökostromanlagen", sagt Aldag.

Seine Lösung führt allerdings zum zweiten Kritikpunkt. Jede Kilowattstunde Ökostrom kann nur einmal genutzt werden, und das System von Sunfire verschwende sie unnütz, monieren Experten. Der Einsatz zur Treibstoffgewinnung sei schlicht nicht effektiv genug. Aldag hält dem entgegen, dass Sunfire weit mehr herstellen würde als Treibstoff – etwa teure Spezialchemikalien. Und diese würden das Verfahren rentabel machen. "Die Elektrolyse bietet mit einem Wirkungsgrad von mehr als 80 Prozent einen sehr effizienten Weg zur Produktion eines Erdölersatzes", sagt er.