Geplante P2P-Bagatellklausel im Urheberrecht steht vor dem Aus

Bei einer Debatte im Bundestag sprach sich nun auch die Linkspartei gegen einen rechtlichen Minimal-Schutz für Tauschbörsen-Nutzer vor Strafverfolgung aus, nur noch die Grünen sind dafür.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 637 Kommentare lesen
Lesezeit: 5 Min.

Bei einer Debatte im Bundestag über die umstrittene zweite Reformstufe des Urheberrechts sprach sich erstmals auch die Linkspartei gegen einen rechtlichen Minimal-Schutz für Tauschbörsen-Nutzer vor Strafverfolgung aus. "Mit einem kommen wir auf keinen Fall weiter: mit der Einführung einer Bagatellklausel", erklärte Luc Jochimsen von der Linken.PDS. Die frühere Chefredakteurin des Hessischen Rundfunks betonte, dass das entsprechende Vorhaben des Bundesjustizministeriums "genau das schwäche, was unsere Gesellschaft dringend braucht: das Rechtsbewusstsein, welches geistiges Eigentum respektiert und es nicht zu einem x-beliebigen Schnäppchen degradiert, welches man sich jederzeit zum Nulltarif besorgen kann". Sollte die Bagatellklausel kommen, "könnten wir auch gleich 'Ladendiebstahl unter 20 Euro' legalisieren".

Noch bevor das Parlament überhaupt eine vom Kabinett beschlossene Vorlage der Bundesregierung zum so genannten 2. Korb der Urheberrechtsnovelle erreicht hat, wächst so der Widerstand gegen die Pläne der Regierung nicht nur in der Wirtschaft, sondern auch bei den Gesetzgebern weiter. Justizministerin Brigitte Zypries will einerseits Downloads "rechtswidrig hergestellter und öffentlich zugänglich gemachter Vorlagen" im privaten Bereich mit Haftstrafen bis zu drei Jahren belegen. Andererseits sollen Kopien aus dem Internet, die "in geringer Zahl" für den privaten Gebrauch erstellt werden, straffrei bleiben. Damit soll eine "Kriminalisierung der Schulhöfe" verhindert werden. Der Rechtsexperte der SPD-Fraktion im Bundestag, Dirk Manzewski, ging in seinem Redebeitrag in der gestrigen Auseinandersetzung jedoch mit keiner Silbe auf die ins Spiel gebrachte Bagatellklausel ein.

Die FDP hatte in einem jetzt im Bundestagsplenum beratenen Antrag gefordert, dass das Parlament die Einführung der strafrechtlichen Einschränkung ablehnen soll. "Es ist rechtspolitisch verfehlt, rechtswidrige Vervielfältigungen in geringer Zahl von vornherein von der Strafbarkeit auszunehmen", begründete Sabine Leutheusser-Schnarrenberger die Haltung der Liberalen. "In der öffentlichen Wahrnehmung käme die Bagatellklausel einer faktischen Legalisierung privater Urheberrechtsverletzungen gleich. Wenn wir uns aber darüber einig sind, dass wir das Urheberrecht stärken wollen, dann wäre genau dies das falsche Signal."

UnterstĂĽtzung erhielt die FDP nicht nur von der Linkspartei, sondern auch von der Union: "Diese Klausel nĂĽtzt meines Erachtens niemandem so richtig, schadet aber dem geistigen Eigentum", konstatierte GĂĽnter Krings, Experte fĂĽr geistiges Eigentum bei der CDU/CSU-Fraktion. Der CDU-Politiker begrĂĽĂźte die Ablehnung der Bagatellgrenze auch durch Kulturstaatsminister Bernd Neumann. Gleichzeitig war es Krings aber "wichtig festzuhalten", dass "heute und nach geltendem Recht die Staatsanwaltschaften Urheberrechtsverletzungen zu Recht gar nicht anklagen, wenn sie nur ein geringes AusmaĂź annehmen". Eine Festschreibung dieser Praxis wĂĽrde aber "die Rechtsunsicherheit vertiefen".

Die Staatsanwaltschaften selbst sehen sich derweil mit Anzeigen gegen Filesharer überschüttet und nach eigenen Angaben weitgehend lahm gelegt. Als Ausweg befürwortet Krings die rasche Einführung eines Auskunftsanspruchs gegenüber Providern, wie ihn das Justizministerium bereits in Arbeit hat. Der CDU-Politiker betonte: "Wenn wir gerade nicht wollen, dass der Staatsanwalt bei allen Urheberrechtsverletzungen tätig wird, so brauchen die Opfer ein effektives Mittel des zivilrechtlichen Schutzes ihrer Rechte." Illegale Tauschbörsen-Nutzer wären damit freilich künftig sowohl straf-, als auch zivilrechtlich aufs Härteste verfolgbar.

Für die Bagatellklausel ergriff bei der Aussprache über den FDP-Antrag, der zur weiteren Beratung in einschlägige Ausschüsse überwiesen wurde, allein der rechtspolitische Sprecher der Grünen, Jerzy Montag, das Wort. Den Liberalen und den Rednern der anderen Fraktion warf er vor, "bei der Gestaltung des Urheberrechts den Nutzer von geistigem Eigentum überhaupt nicht im Blick haben". Dieser sei nicht "Bittsteller auf dem Markt, sondern muss in einer modernen Wissensgesellschaft auch eine Rechtsposition haben". Als einen der Kernpunkte der Novelle bezeichnete es der Grüne daher, die Durchsetzung der Privatkopie auch gegen technische Kopierschutzmaßnahmen zu gestatten. Sonst verkomme die von allen Parteien im Prinzip hoch gehaltene Erlaubnis zu einem "nur auf dem Papier" stehenden Recht. Die vorgeschlagene Straffreiheit für geringfügige Privatkopien aus dem Netz bezieht sich laut Montag wiederum nicht auf die massenhafte Raubkopiererei, sondern auf "die Herstellung von Kopien durch Kinder, Jugendliche und junge Menschen, die eine andere Beziehung zu CDs haben. Die Grünen würden es nicht wollen, "dass die Polizei und die Staatsanwaltschaften auf die Schulhöfe gehen und dort mit dem Mittel des Strafrechts agieren." Hier bedürfe es anderer Mittel.

Zu den Diskussionen und juristischen Streitigkeiten um das Urheberrecht und zur Novellierung des deutschen Urheberrechtsgesetzes siehe den Artikel auf c't aktuell (mit Linkliste zu den wichtigsten Artikeln aus der Berichterstattung auf heise online und zu den GesetzesentwĂĽrfen und -texten):

(Stefan Krempl) / (jk)