Google plant wohl eigenen Adblocker

Nach Recherchen des "Wall Street Journal" will der Konzern den Web-Browser Chrome um einen Werbefilter ergänzen. Ziel wären unter anderem Auto-Play-Videos.

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Google plant wohl eigenen Adblocker
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Von
  • Torsten Kleinz
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Das wäre ein Paukenschlag für die Online-Werbung: Laut einem Bericht des Wall Street Journal_blank ist Google nur wenige Wochen davon entfernt, einen eigenen Adblocker vorzustellen. Sowohl die Desktop-Version des Browsers als auch die mobile Version in Android sollen künftig besonders störende Werbung ausfiltern. Google selbst wollte den Bericht nicht bestätigen.

Welche Werbung als störend herausgefiltert wird, soll demnach die Coalition for Better Ads entscheiden, eine im vergangenen Jahr gegründete Industrie-Organisation, zu der neben Google auch Facebook, Procter & Gamble, die Washington Post sowie zahlreiche Verbände gehören. Erklärtes Ziel der Organisation ist es, die Adblocker-Rate zu senken, indem die Qualitätsstandards für Online-Werbung erhöht werden.

Im März hatte die Industrie-Koalition einen ersten Standard vorgestellt, der vor allem vier Werbeformen als unzulässig erachtet: Pop-Ups, Autoplay-Videos mit Ton, Vorschaltseiten mit Countdown und große Werbebanner. In der mobilen Werbung werden unter anderem Vollscreen-Banner als unzulässig erachtet.

Dass Google als größter Anbieter von Onlinewerbung nun selbst auf einen Werbeblocker setzt, scheint nur auf den ersten Blick widersprüchlich. Angesichts der fragmentierten Branche sind Standards nämlich kaum durchsetzbar: So wirbt das Interactive Advertising Bureau (IAB) schon länger für zurückhaltendere Werbung – allerdings ohne spürbaren Erfolg: Immer mehr Anbieter setzen angesichts sinkender Banner-Erträge auf Autoplay-Videos, Popups und Vorschaltseiten – auch, um die Verluste durch Adblocker wettzumachen. Insbesondere kleine Website-Betreiber haben in der Praxis kaum Kontrolle darüber, welche Werbung auf ihren Angeboten erscheint. Programmatische Marktplätze sorgen dafür, dass Werbung weitgehend unabhängig von den Inhalten und Website ausgespielt wird.

Wenn Google nun seine Vormachtstellung auf dem Browser-Markt ausspielt – in den USA hat der Chrome auf dem Desktop einen Marktanteil von fast 50 Prozent – zwingt der Konzern auch die Konkurrenten, sich mit den neuen Werbestandards auseinanderzusetzen. Zuvor hatten schon mehrere Konkurrenten ähnliche Funktionen integriert: So hat Opera einen eigenen Adblocker integriert, auch Apples Mobilbrowser Safari lässt seit 2015 Adblocker zu.

Im Geschäft mit den Werbeblockern ist Google kein Neuling. So gehörte der Konzern zu den ersten Kunden des Adblock-Plus-Herstellers Eyeo, dessen Initiative "Acceptable Ads" Text- und Suchwerbung des US-Konzerns gegen Umsatzbeteiligung durch verschiedene Adblocker durchschleust. Ein eigener Adblocker gibt Google die Gelegenheit, mehr der eigenen Werbung passieren zu lassen: So sperrt Adblock Plus zum Beispiel die lukrative Videowerbung auf YouTube.

Allerdings muss Google angesichts seiner Marktmacht sehr gut begründen, warum der eigene Werbeblocker nicht nur dazu gedacht ist, lediglich das eigene Geschäft zu fördern. Rückendeckung bekommt der Konzern dabei unter anderem von einer aktuellen Studie des Adblock-Spezialisten Pagefair: Demnach sorgt ein erhöhter Adblocker-Anteil bei den Besuchern einer Website für Einnahme-Ausfälle, die sich die vergangenen drei Jahre dann in messbaren Traffic-Verlusten auswirkten. Mittelbare Folge des verbreiteten Adblockings sind demnach: Inhalte verschwinden, die Qualität der Berichterstattung sinkt. Ein Google-Adblocker, der den Betreibern mehr Spielraum zur Monetarisierung ihrer Inhalte lässt, könnte somit als Stütze für den Online-Werbemarkt allgemein angesehen werden.

Parallel sehen auch einige Website-Betreiber die Zeit gekommen, die Notbremse zu ziehen und dem überbordenden Werbemarkt Grenzen zu setzen. So hat der britische Guardian kürzlich einen seiner Werbe-Dienstleiter verklagt, die Washington Post kündigte einem Branchenbericht zufolge Verträge mit mehreren Werbe-Dienstleistern, deren Werbung nicht leserfreundlich genug war. (anw)