Hintergrund: Kein leichter Job für den neuen MobilCom-Chef

Im Gegensatz zum visionären Gerhard Schmid sind die Welt von Thorsten Grenz allerdings die Zahlen der Bilanz.

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Von
  • Jürgen Kuri

Mit seinem Vorgänger Gerhard Schmid verbindet den neuen MobilCom-Chef Thorsten Grenz die Liebe zum Sport: Schmid verdiente sich sein Studium als Eishockey-Trainer, Grenz ist Kampfsportler. Im Gegensatz zum visionären Schmid sind seine Welt allerdings die Zahlen der Bilanz. Der 43-jährige Betriebswirt beschäftigte sich schon im Studium an der Kieler Universität mit Rechnungswesen und Finanzierung, wurde später Berater bei McKinsey und Konzerncontroller bei Hapag-Lloyd. Dem MobilCom-Vorstand gehört Grenz seit April 2000 an.

Über das umstrittene Aktiengeschäft zwischen der MobilCom AG und der Millennium GmbH von Schmid-Ehefrau Sybille Schmid-Sindram war Grenz nach den Feststellungen des Aufsichtsrats nicht informiert. Damit hat er in den Augen des Großaktionärs France Telecom eine weiße Weste und genießt weiterhin das Vertrauen der Franzosen, die wohl auch keinen eigenen Manager für die Aufgabe in Büdelsdorf parat hatten.

Bei der Hauptversammlung Ende Mai hatte sich Grenz vorsichtig von Schmid abgesetzt. "Ich bin nicht angeschlagen", sagte er auf die Bemerkung eines Aktionärs. "Und ich weiß, wann ich das Handtuch zu werfen habe." Ob Grenz eine dauerhafte Lösung an der MobilCom-Spitze bleibt, gehört zu den offenen Fragen der Zukunft des Unternehmens. Denn noch fehlen wichtige Elemente für eine Gesamtlösung der MobilCom-Krise. So hat Großaktionär France Telecom mit Schmid noch keine Regelung für die Übernahme seiner Aktien und der Aktien seiner Frau ausgehandelt, die zusammen knapp die Hälfte des MobilCom-Kapitals kontrollieren. Zudem fordert France Telecom von den Lieferanten Nokia und Ericsson, dass sie auf einen Teil ihrer Forderungen verzichten. Die beiden Hersteller haben MobilCom Lieferantenkredite in Milliardenhöhe gewährt.

Der verschuldete Riese

Aber France Telecom selbst ist auch kein unproblematischer Partner für den neuen MobilCom-Chef -- vor den Franzosen türmen sich noch einige andere Probleme auf, gegenüber denen der Erfolg gegen Schmid einigen Beobachtern dann nahezu als Pyrrhus-Sieg erscheint, da er zu weiteren Milliarden-Belastungen führen kann. Nach milliardenteuren Übernahmen zählt France Telecom jedenfalls zu den größten europäischen Telekommunikationskonzernen. Das französische Unternehmen hat sich dadurch aber eine Verschuldung von zuletzt 61 Milliarden Euro aufgebürdet. Der Staat hält nach der Teilprivatisierung noch rund 54 Prozent am Unternehmen und will absehbar Mehrheitseigner bleiben.

Nach dem Börsengang 1997 hat France Telecom mehr als 60 Milliarden Euro für Unternehmenskäufe ausgegeben. Im Mai 2000 erwarb der Konzern den Mobilfunkanbieter Orange vom britischen Konzern Vodafone für mehr als 40 Milliarden Euro. Orange etablierte sich nach eigenen Angaben als Nummer zwei am europäischen Mobilfunkmarkt. Schlechte Erfahrungen hat France Telecom mit Vorstößen in Deutschland. So platzte 1999 die Kooperation mit der Deutschen Telekom. Der Versuch, E-Plus zu übernehmen, scheiterte. Der Kooperationsvertrag vom März 2000 über den Einstieg in das UMTS-Mobilfunknetz mit MobilCom wurde wegen Differenzen mit dem bisherigen MobilCom-Chef Gerhard Schmid kürzlich gekündigt.

Nach radikalen Abschreibungen seiner Beteiligungen stürzte France Telecom 2001 in den höchsten Verlust der Unternehmensgeschichte -- ein Rekordminus von 8,3 Milliarden Euro nach 3,7 Milliarden Euro Gewinn im Vorjahr. Der Umsatz stieg zugleich auf 43 Milliarden Euro. Der Konzern hat weltweit 183.000 Beschäftigten und insgesamt 92 Millionen Kunden.

Von Pionieren, Börsenstars und der "MogelCom"

Mit MobilCom hatte sich France Telecom in Deutschland einen der Pioniere auf dem liberalisierten deutschen Telefonmarkt als Partner ausgesucht. Zum Zeitpunkt, als die Kooperation beschlossen wurde und die beiden Partner eine UMTS-Lizenz hierzulande ersteigerten, zählte MobilCom auch noch zu den Börsenstars des Neuen Marktes -- MobilCom gehörte zu den Gründungsfirmen, die von Anfang an am Hightech-Segment der Frankfurter Börse gelistet wurden. Der ehemalige Sixt-Vorstand Gerhard Schmid gründete das Unternehmen 1991 und vermarktete zunächst mit einer einzigen Mitarbeiterin Handys auf Provisionsbasis in Schleswig-Holstein. Schon zwei Jahre später erreichte MobilCom 100 Millionen Mark Umsatz und arbeitete seit 1995 mit Gewinn.

Mit 300 Mitarbeitern brachte der Schmid sein Unternehmen 1997 an die Börse. MobilCom war das erste Unternehmen am Neuen Markt und wurde der Vorbote eines beispiellosen Aktienbooms. Der Aktienkurs stieg in Schwindel erregende Höhen, Schmid wurde steinreich und alle Mitarbeiter in der Konzernzentrale im schleswig-holsteinischen Büdelsdorf bekamen einen Dienstwagen. Mit Beginn des Jahres 1998 und der Liberalisierung des deutschen Telekommunikations-Marktes profilierte sich Schmid als Konkurrent der Deutschen Telekom und bot Ferngespräche zu dem damals sehr günstigen Preis von 19 Pfennig je Minute an. Die Telekom reagierte gereizt und attackierte das Unternehmen als "Mogelcom", was die Popularität Schmids weiter steigerte. Mit dem Tochterunternehmen freenet stieg Schmid zusätzlich ins Internet-Geschäft ein.

Gemeinsam mit France Telecom ersteigerte MobilCom im Jahr 2000 eine Lizenz für den neuen Mobilfunk-Standard UMTS für rund acht Milliarden Euro, um damit zum eigenständigen Netzbetreiber aufzusteigen. Die hohen Investitionen und das Ende des Wachstumsbooms in der Mobilfunk-Branche führten jedoch zum Streit zwischen den Partnern, der in diesem Frühjahr eskalierte. Aus der Partnerschaft zwischen dem dynamischen Provinzunternehmer und dem französischen Staatskonzern wurde eine erbitterte Feindschaft, die Schmid am Ende den Vorstandsvorsitz kostete.

Zur Entwicklung und Geschichte von MobilCom/France Telecom siehe auch: (jk)