Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik: Impressionen aus Hannover zur Nobelpreisverleihung
Die Gravitationsphysiker in Hannover haben zum Public Viewing des Livestreams von der Nobelpreisverkündung aus Stockholm geladen - und viele sind gekommen.
Unter Fachleuten war klar, dass der Nobelpreis für Physik in diesem Jahr nicht an den Gravitationswellenforschern wird vorbeikommen können und folglich bekamen mit Rainer Weiss, Kip S. Thorne und Barry C. Barish drei wesentliche Mitstreiter der erfolgreichen LIGO/VIRGO-Kollaboration diese Ehre vom schwedischen Nobelpreis-Komitee zuerteilt. Damit wurde drei Amerikaner ausgezeichnet, stellvertretend für eine große internationale Kooperation von über 1000 Wissenschaftlern aus Amerika, Italien, Deutschland, Frankreich, Groß-Britannien …
Auch wenn der Nobelpreis damit nicht direkt an einen Wissenschaftler vom Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik / Leibniz Universität Hannover ging, als wichtiger Bestandteil der LIGO/VIRGO-Kollaboration konnte man ob des Erfolges kräftig mitfeiern. Von hier stammen wesentliche Messinstrumente der LIGO-Detektoren, hier werden auch die meisten Daten ausgewertet und hier fand auch die Entdeckung der ersten Gravitationswelle am 14. September 2015 statt – da schliefen die amerikanischen Kollegen noch tief und fest und reagierten zunächst sogar unwirsch, als man sie mitten in der Nacht aus den Betten klingelte.
Technik, hier hui da pfui
Wahrscheinlich waren dabei aber zumindest die Telefon-Verbindungen besser, als bei dem vom schwedischen Fernsehen nach der Verkündung der Nobelpreises eingeblendeten Telefon- Interviews mit dem Hauptpreisträger, dem emeritierten MIT-Professor Dr. Rainer Weiss. Der wurde ziemlich zum gleichen Zeitpunkt wie vor zwei Jahren mitten in der Nacht herausgeklingelt – diesmal nicht von den hannoverischen Forschern, sondern vom Nobelpreis-Komitee. Gut, dass dabei keine Video-Verbindung bestand, Weiss hatte nach eigenem Bekunden keine Hose an.
Bei dem übertragenen Livestream im viel zu kleinen Raum 103 der Gravitationsphysiker in der hannoverschen Callin-Straße, unweit vom Herrenhäuser Großen Garten, konnte ich, direkt hinter Prof. Karsten Danzmann und (Noch-)Wissenschaftsministerin Gabriele Heinen-Kljajíc sitzend, die Beiden mit der Bemerkung zum Schmunzeln bringen „Da misst man mit unvorstellbarer Präzision Signale aus 1,3 Milliarden Lichtjahre Entfernung, nur eine läppische Telefonverbindung in die USA kriegt man nicht zu Stande.“ "Man hätte nicht Skype nehmen sollen“, so Danzmanns spaßige Antwort.
Prof. Danzmann, der seit fast 30 Jahren in Hannover die Lasertechnik für diese unvorstellbare Messgenauigkeit entwickelt und der in Ruthe bei Hannover den GEO600-Detektor mitbetreibt und der auch das für 2034 geplante Weltraum-Interferometer eLISA mit auf den Weg gebracht hat, war auch ein sehr aussichtsreicher Kandidat für eine Teil-Nobelpreis. Den hat nun Ex-LIGO-Chef Barry Barish bekommen. Vorher war auch ein noch lebender russisch-ukrainischer Pionier, Wladislaw Iwanowitsch Pustowoit, ins Kandidatenfeld geführt worden, der schon 1963 den Einsatz großer Interferometer für die Gravitationswellensuche vorgeschlagen hatte.
Viel Rückenwind
Aber Danzmann sagte in alle der zahlreich hingehaltenen Mikrophone, wie sehr er sich dennoch freue, auch wenn er selbst noch etwas warten müsse: „bin ja noch jung …“ (Jahrgang 1955). Er hofft natürlich vor allem, dass die Gravitationswellenforschung mit dem Nobelpreis im Rücken in Deutschland mehr Förderung erfährt. Die Anerkennung sieht man inzwischen an seinen schon erhaltenen Auszeichnungen, insbesondere den vor drei Wochen überreichten Körber-Preis für Europäische Wissenschaft – mit 750.000€ eh finanziell weit lukrativer als ein Viertel Nobelpreis in Höhe von lediglich etwa 235.000€. Und wie sein inzwischen 88jähriger Freund und Mentor Professor Welling, der Danzmann Anfang der 90er Jahre zum Laser-Standort Hannover geholt hat, im Gespräch andeutete, sieht’s auch gut aus mit dem wichtigsten Preis für Experimental-Physik hierzulande, dem Stern-Gerlach Preis 2018 (mit Medaille, Urkunde und Ehre).
Aber Preise sind das eine, eine ordentliche Forschungsförderung das andere, das unterstrich auch der natürlich anwesende Präsident der Leibniz-Universität Hannover, Prof. Epping, welche zusammen mit dem Max-Planck-Institut den Gravitationsphysikstandort in Hannover betreibt. Mit dem aktuellen starken Rückenwind will man nach den drei in der aktuellen Ausscheidung befindlichen Exzellenz-Anträgen nun einen nächsten mit den Gravitationsphysikern in Angriff nehmen.
Die Niedersächsische Ministerin Heinen-Kljajíc war ebenfalls deutlich sichtbar erfreut über den Erfolg der Gravitationsphysiker in ihrem Lande, verschwand auch nicht gleich, sondern feierte mit. Dieser Erfolg stärkt nicht zuletzt auch ihre Position. Da sie nicht mehr für einen Sitz im niedersächsischen Landtag auf der Liste der Grünen kandidiert, fragte ich sie, ob das wohl ihr letztes großes Event als Ministerin sei. „Mal sehen“ antwortete sie vielsagend – offenbar darauf hoffend, dass sie den Posten als Wissenschaftsministerin vielleicht auch nach der Wahl am 15. Oktober behalten kann.
Epilog
Ich jedenfalls habe im Jahre 2008 den Rechner Atlas am hiesigen Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik mit eingeweiht (damals der schnellste mit Ethernet arbeitende Rechner weltweit) und in meiner Laudatio auf den „sicherlich bald zu erwartenden“ Nobelpreis verwiesen. Auf „meinem“ Atlas-Rechner sind dann die Daten der ersten Gravitationswelle angekommen und wurden hier gesichtet – da steht mir doch glatt ein Nano-Nobelpreis zu …
(as)