Interview: Deutschlandradio will Internet-Aktivitäten mit den Privaten abstimmen

Die digitale Welt werde längst von globalen Playern dominiert. Deswegen müssen private Verleger und öffentlich-rechtliche Medien zusammenarbeiten, sagt der Intendant des Deutschlandradio Stefan Raue im Interview.

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"Tagesschau"-App

Die Tagesschau-App war schon öfter Streitpunkt mit den privaten Verlgern. Deutschlandradiochef Stefan Raue wirbt für den Kondesens zwischen öffentlichen und privaten Medienbetreibern.

(Bild: dpa, Rolf Vennenbernd/Archiv)

Lesezeit: 9 Min.
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  • dpa
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Stefan Raue ist seit 1. September neuer Deutschlandradio-Intendant. Viele Themen, mit denen er sich in dem Sender mit den drei Programmen Deutschlandfunk, Deutschlandfunk Kultur und Deutschlandfunk Nova beschäftigen muss, sind dem Journalisten allerdings schon länger vertraut. Er plädiert für einen möglichst schnellen Umstieg aufs Digitalradio DAB+ und ist dafür, dass der Rundfunkbeitrag so erhöht wird, dass die steigenden Kosten ausgeglichen werden. Den Dauerstreit zwischen Verlagen und öffentlich-rechtlichen Sendern würde er gerne beenden. "Wenn wir ruhig darüber nachdenken und die Verschiebungen im Werbemarkt beobachten, dann müssen wir zu einer gemeinsamen Vereinbarung kommen", sagte Raue im Interview mit der Deutschen Presse-Agentur. "Und die Vereinbarung sollte von uns kommen, wir können nicht darauf warten, dass die Politik sie uns abnimmt."

Der Intendant des Deutschlandradio Stefan Raue will die Einführung von DAB+ durch höhere Rundfunkbeiträge finanzieren.

(Bild: Deutschlandradio/ C. Kruppa)

ARD und ZDF sind in den vergangenen Monaten häufig öffentlicher Kritik ausgesetzt gewesen, nicht nur von Seiten der Zeitungsverleger – trifft das Deutschlandradio auch?

Raue: Wenn ich mir die gesamte Kritik anschaue, dann bestreitet bis auf ein paar unbelehrbare Eiferer niemand, dass Information, Kultur und Bildung zu den Kernaufgaben der Öffentlich-Rechtlichen gehören. Das ist in der Politik unumstritten und meines Wissens auch bei den Verlegern und den Privatfunkern. Die Diskussion zielt vor allem auf den Umfang der Angebote, zum einen in der digitalen Welt und zum anderen vor allem darauf, was Öffentlich-Rechtliche über diesen Kernauftrag hinaus machen. Das fällt für Deutschlandradio nicht an. Der Auftrag für die Öffentlich-Rechtlichen insgesamt war aber immer, ein Vollprogramm zu produzieren und nicht zu unterscheiden: Information und Kultur für die Öffentlich-Rechtlichen, Sport, Unterhaltung, Spielfilm für die Privaten. Die Medienwelt in Deutschland ist aus der Idee entstanden, private und öffentlich-rechtliche Medien in einem konstruktiven Konkurrenzverhältnis leben zu lassen.

Wie weit gilt die Kritik an den öffentlich-rechtlichen Internetaktivitäten auch für Deutschlandradio?

Raue: Die Kritik gilt allen, da sind wir mit im Boot, genau wie ARD und ZDF. Die Vorstellungen von manchen Kritikern, dass Hörfunkbeiträge mit sparsamen An- und Abmoderationen unser Angebot in der digitalen Welt sein sollten, sind absonderlich und würden dazu führen, dass wir für jüngere Generationen und in einigen Jahren in der Welt des Internets nicht stattfinden. Das wäre ein Online-Angebot, das Sie nirgendwo in der Welt mehr finden. Internetangebote sind heute alle multimedial, im Übrigen auch die der Verleger. Die Verlage machen doch selbst längst deutlich mehr als presseähnliche Angebote, sie haben natürlich Videos, Audios, lang erzählte Geschichten mit Fotos und Grafiken. Der Begriff ist überholt und spiegelt die publizistische Wirklichkeit in ihrer Vielfalt nicht wider. Der Kampf presseähnlich gegen das, was angeblich öffentlich-rechtlich sein soll, ist ein Schaukampf.

Sollte man die Formulierung Presseähnlichkeit in Zukunft streichen?

Raue: Ich fände es gut, wenn sie nicht mehr auftaucht. Aber das setzt voraus, dass alle Seiten einsehen, dass der Begriff nicht mehr taugt. Wir können alle mal ins Netz gucken und suchen, was wir da noch Presseähnliches finden. Außer vielleicht einzelne Behörden stellt niemand mehr 1:1 veröffentlichte Drucktexte online. Jedes Medium hat eigene Publikationsformate, das gilt natürlich auch fürs Internet.

Wie könnte eine Lösung aussehen?

Raue: Wir wissen, unter welchem Druck Verleger und private Rundfunkanbieter sind, auch weil die digitale Welt längst von globalen Playern dominiert wird. Deswegen glaube ich, dass sich am Ende private und öffentlich-rechtliche Medien zusammensetzen und darüber im Klaren sein müssen, dass die Herausforderung von außen kommt und dass man in ein Gespräch kommen muss, das die Interessen der privaten Medien ernst nimmt. Wenn wir ruhig darüber nachdenken und die Verschiebungen im Werbemarkt beobachten, dann müssen wir zu einer gemeinsamen Vereinbarung kommen. Und die Vereinbarung sollte von uns kommen, wir können nicht darauf warten, dass die Politik sie uns abnimmt.

Welche Rolle spielt das Internet inzwischen für die öffentlich-rechtlichen Sender?

Raue: Das Internet hat mindestens zwei Funktionen, es ist eine Plattform, es ist aber zugleich eine ganz neue Form von Kommunikation und Information. Es gibt Menschen, die wollen unsere Radioangebote über das Internet hören. Und es gibt viele, gerade unter den Jüngeren, die wollen Angebote, die dem Geist, der Ästhetik, der Dramaturgie der globalen Kommunikation angemessen sind. Fernsehbeiträge, die im Netz funktionieren, sind anders als die im linearen Fernsehen. Im Radio sind wir überrascht, welche Attraktivität die Podcasts haben. Sie sind aber keine einfache Kopie dessen, was wir linear an Hörfunk machen, sondern sie haben eine eigene Dramaturgie, eine eigene Sprache. Sie sind für die mobile Nutzung und optimiert, und sie erreichen das Publikum im Netz viel besser. Wenn wir das Netz als Öffentlich-Rechtliche nur als Abspielplattform nutzen dürfen, dann bleiben uns diese Entwicklungsmöglichkeiten versperrt. Und das wäre deswegen dramatisch, weil sich viele jüngere Menschen ausschließlich über diesen Weg informieren.