Interview zur Spaltungsgefahr beim Bitcoin: "Es ist kein Entweder-oder"

Zwei Vorschläge für eine Prokotolländerung beim Bitcoin spalten die Community – und vielleicht bald das Kryptogeld selbst. heise online sprach dazu mit dem Wallet-Entwickler Andreas Schildbach, der eigentlich lieber beide Vorschläge umsetzen würde.

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Bitcoin

(Bild: dpa, Jens Kalaene/Archiv)

Lesezeit: 7 Min.
Von
  • Axel Kannenberg
Inhaltsverzeichnis

Das Gespenst einer Spaltung des Bitcoin geht um. Während das Bitcoin-Netzwerk an seine Kapazitätsgrenzen kommt, eskaliert der Streit, ob die Bitcoin-Blockchain größere Datenblöcke braucht, um leistungsfähiger zu sein.

Zwei Vorschläge polarisieren dabei die Bitcoin-Szene: Die Entwickler des Referenzclients Core haben eine Protokolländerung namens SegWit vorgeschlagen, die das 1-MByte-Limit für die Datenblöcke unangetastet lässt, dafür aber die Transaktionen verschlankt. Bislang fehlt die nötige Zustimmung der Miner dafür. Auf der anderen Seite steht das von vielen Minern favorisierte Projekt Bitcoin Unlimited, das eine Änderung namens Emergent Consensus (EC) vorschlägt. Die geht von einer flexiblen Blockgröße aus – würde aber einen sogenannten Hard Fork voraussetzen. Das heißt: Alle Nutzer, die den Wechsel nicht vollziehen, landeten dann auf einer abgespaltenen Version der Blockchain.

Kein Spalter: Andreas Schildbach hätte gerne SegWit und Emergent Consensus

(Bild: heise online/Holger Bleich)

Die Fronten zwischen den Lagern sind verhärtet. Aber längst nicht jeder in der Bitcoin-Community will sich einer Seite zuschlagen. heise online sprach mit dem Berliner Entwickler Andreas Schildbach, der bereits seit 2010 in Sachen Kryptogeld aktiv ist und eine der beliebtesten Bitcoin-Wallets für Android geschaffen hat. Er plädiert für beide Änderungen.

heise online: Herr Schildbach, wie gefährlich wäre eine Spaltung für den Bitcoin?

Schildbach: Nun, Forks finden eigentlich täglich statt, die "Minority-Chain" stirbt jedoch immer sehr schnell ab und kein Hahn kräht danach. Ich kann mir eigentlich nicht vorstellen, dass das bei einem Fork wegen Emergent Consensus anders abläuft. Klar, EC ist umstritten und daher gibt es verfestigte Lager auf beiden Seiten. Aber wenn die Minority-Chain mit sagen wir mal 20 Prozent der Hashrate zurückgelassen wird, wird diese ein echtes Problem mit der Difficulty und der Kapazität haben. Blöcke kommen dann erstmal nur noch alle 50 Minuten und das nächste Difficulty Adjustment braucht plötzlich zehn statt etwa zwei Wochen.

Ich denke, das ist Grund genug, dass die Minority-Chain schnell bedeutungslos wird. An der Stelle sei vielleicht erwähnt, dass ein Vergleich mit der Spaltung bei Ethereum und Ethereum Classic in die Irre führt: Ethereum hat noch massenhaft ungenutzte Kapazität und die Blöcke kommen im Vergleich zum Bitcoin von Haus aus 60-mal so schnell.

Welcher Protokolländerung würden Sie denn den Vorzug geben – und warum?

Es ist doch kein Entweder-oder. Beide Änderungen können unabhängig voneinander durchgeführt werden. So implementiert zum Beispiel das sehr neue Projekt "BitcoinEC" beides und hat auch schon einen entsprechenden Block geschürft. Ich hätte gerne beides, Emergent Consensus und SegWit. SegWit wäre mir als Hardfork lieber, weil das sauberer und demokratischer wäre. Aber als Softfork akzeptiere ich es auch.

Warum ist ein Hard Fork demokratischer? HieĂźe das nicht, jemanden ausschlieĂźen, nur weil er anderer Meinung ist?

Etwas vereinfacht hat man bei einem Hard Fork als User die Wahl, ob man mitmachen will oder nicht. Bei einem Soft Fork wird man dazu gezwungen. Vitalik Buterin, der Erfinder von Ethereum, hat diese Sichtweise vor kurzem sehr gut dargelegt.

Wie funktioniert grob gesagt die Blockgrößenfestlegung beim Emergent Consensus?

Statt dass zu große Blöcke sofort verworfen werden, werden sie erst einmal beiseite gelegt, das wird als "excessive block" bezeichnet. Finden sich andere Miner, die sechs Blöcke auf diesen Block obendrauf schürfen und ihn damit bestätigen, wird die gebildete Teilkette in einem Rutsch der weiteren Verarbeitung zugeführt. Das ist eigentlich schon alles.

Wie wird es mit Ihrer Wallet im Fall einer Spaltung weitergehen?

Ich habe schon lange drüber nachgedacht, aber als SPV/lite-Wallet kann es nur der Chain mit der größeren Hash-Rate folgen. Um andere Kriterien – in diesem Fall die Blockgröße – zu berücksichtigen müsste die Wallet zum "Fully Verifying Node" werden. Und jegliche manuelle Korrektur kann nur nach dem Fork stattfinden – zu spät, wenn man auf die Guthaben der Nutzer Rücksicht nehmen will.

Sollte man kĂĽnftig nicht mehr allein die Miner fĂĽr Abstimmungen ĂĽber Ă„nderungen zu Rate ziehen?

Es wäre schön, wenn jeder eine gleichwertige Stimme bekäme. Dafür gibt es aber meines Wissens keine technische Lösung. User, die sich nicht über den Proof of Work legitimieren, könnten sehr einfach eine große Anzahl User vortäuschen und dann entsprechend unfair Abstimmen.

Im Zuge des Streits wurde sogar schon die Abschaffung des Proof-of-Work-Mechanismus ins Spiel gebracht, was den Minern gewissermaĂźen die Existenz-Grundlage entziehen wĂĽrde. Was ist von so einen "Nuklearschlag" zu halten?

Hier ist meine Expertise etwas eingeschränkt, weil ich mich mit der einzig ernsthaft diskutierten Alternative, Proof-of-Stake, noch nicht gut auskenne. Aber ich glaube, dass ein Wechsel des "Proof-of" dann wirklich eine neue Währung begründen würde. Das wäre nicht nur kein Bitcoin mehr, weil das Satoshi-Paper eben Proof-of-Work beschreibt, sondern auch, weil der Wechsel den sozialen Kontrakt verletzen würde, den die User mit Bitcoin eingegangen sind, als sie sich welche gekauft haben. Ich finde, es wäre vergleichbar mit einer Änderung der maximalen Obergrenze an Coins, die ja auf 21 Millionen festgelegt ist.

Die SegWit-Vertreter wollen ihren Vorschlag mit den sogenannten Lightning Networks attraktiv machen – Diensten, bei denen Transaktionen außerhalb der Blockchain stattfinden und das Bitcoin-Netzwerk zu einer Art Schiedsstelle wird. Ist das die richtige Richtung?

Grundsätzlich finde ich den Ansatz, weitere Protokoll-Layer auf der Blockchain aufzubauen, gut. Das hat sich beim Internet gut bewährt, siehe TCP/IP. Auch die bidirektionalen Payment Channels, die im Standard des Lightning Networks beschrieben sind, finde ich gut, weil elegant. Aber wie sich darauf ein dezentrales Netzwerk formen soll, ist mir noch unklar und Erfahrungen gibt es damit meines Wissens noch keine. Ich bin jedenfalls total dafür, es auszuprobieren! Anders werden wir es vermutlich nicht herausfinden. Ich bin aber entschieden dagegen, alle Eier in ein Nest zu legen und deswegen andere Entwicklungen zu unterdrücken.

[UPDATE: 23.03.2017, 9:30]

Leider ist die vorletzte Fragen irreführend formuliert: Die erwähnte Initiative zielt nicht auf Abschaffung des Proof-of-Work-Mechanismus, sondern eine Änderung des dafür verwendeten Hashing-Algorithmus. Im Ergebnis wäre die aktuell verwendete, ASIC-basierte Hardware der meisten Miner dennoch wertlos. Wir bitten den Fehler zu entschuldigen. (axk)