KoMMa.G: Das Geschlecht der Maschine

Ein neu eingerichtetes Promotionskolleg in Braunschweig wagt sich auf schwieriges Gelände: Es geht um die Bedeutung des Geschlechts im Zusammenspiel von Mensch und Maschine. Das erfordert eine Verständigung, die nicht immer einfach ist.

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Das Geschlecht der Maschine

Juni 1988 Duisburg: Thyssen-Stahlwerk, Arbeiter in der Hochofenanlage.

(Bild: Bundesarchiv, B 145 Bild-F079044-0020, CC BY-SA 3.0 de )

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Hans-Arthur Marsiske
Inhaltsverzeichnis

Wieso der Referent nur "Genderaspekte" berücksichtigen wolle, fragte eine Zuhörerin gleich nach dem ersten Vortrag beim Kick-Off Meeting des Promotionskollegs KoMMa.G (Konfigurationen von Mensch, Maschine und Geschlecht) in Braunschweig. In der Genderforschung gehe man doch davon aus, dass die Geschlechtlichkeit alles durchdringe, also eine fundamentale Kategorie sei, keine Ergänzung, mit der ein Forschungsergebnis am Ende noch etwas aufpoliert werden könne.

Die Bemerkung brachte die zentrale Herausforderung des auf drei Jahre angelegten Kollegs auf den Punkt: KoMMa.G will untersuchen, "wie Mensch-Maschine-Konfigurationen entstehen, die Ungleichheit und Ungerechtigkeit unterstützen" und dabei die Kategorie Geschlecht in den Mittelpunkt stellen. Das kann nur in der Zusammenarbeit verschiedener Fachdisziplinen gelingen, die aber häufig sehr unterschiedliche Methoden und Begrifflichkeiten verwenden. "Gemeinsamer Nenner ist dabei die kritische Reflexion auf Geschlecht in der Forschung über Technik und in den Technikwissenschaften", schreiben die Sprecherinnen des Kollegs, Corinna Bath und Bettina Wahrig, in der Projektbeschreibung. Die Arbeitsweise beschreiben sie als "transdiziplinär in dem Sinne, dass die Graduierten zwar einerseits mit den Arbeitsweisen ihrer Grunddisziplin umgehen, diese aber andererseits auch in der Sprache der ‚anderen‘ Fachkulturen reflektieren und kommunizieren lernen."

Der Dialog zwischen Geistes- und Sozialwissenschaften, wo die Genderforschung hauptsächlich angesiedelt ist, und Ingenieuren ist aber nicht so einfach. Das zeigte nicht nur die Diskussion nach dem ersten Vortrag von Axel van der Kamp, der für seine Dissertation an der Ostfalia Hochschule für angewandte Wissenschaften ein Brain-Computer-Interface entwickeln will. Durch die Erfassung der Hirnaktivität mit EEG-Detektoren soll es die gedankliche Steuerung elektronischer Geräte, etwa des Roboters Care-O-bot 4, ermöglichen. Hinsichtlich der Akzeptanz der Technologie und der Erwartungshaltungen ihr gegenüber gelte es Genderaspekte zu berücksichtigen, sagte van der Kamp. Geschlechtliche und altersbedingte Unterschiede könnten auch bei der Erfassung der Hirnaktivität sowie beim Training der Patienten ins Gewicht fallen.

Neben der Reduzierung des Genderthemas auf einzelne Aspekte, wurde auch die in der Studie implizit angelegte Reduzierung auf ein Zwei-Geschlechter-System in Frage gestellt. Auf diese Weise setze van der Kamp die Unterschiede zwischen den Geschlechtern, die er untersuchen wolle, womöglich überhaupt erst voraus.

Jenny Stein, die an der Ostfalia Hochschule eine Dissertation über "Genderaspekte in der Ergonomie der Mensch-Computer-Interaktion" vorbereitet, rief ähnliche Reaktionen hervor. Am Beispiel der komplizierten Bedienung eines Farbkopierers zeigte sie zunächst auf sehr unterhaltsame Weise, wie die Industrienorm DIN EN ISO 9241-110 zur Gestaltung von grafischen Nutzeroberflächen verletzt werden kann. Durch die genaue Beobachtung von Nutzern, unter anderem mit Eye Tracking, ihre Befragung sowie Beanspruchungsmessungen nach dem NASA Task Load Index wolle sie erkunden, was genderneutrale Interaktionssysteme ausmache. Allein der Begriff könne von GenderforscherInnen als Provokation empfunden werden, hieß es in der anschließenden Diskussion. Es gebe begründete Zweifel, ob es so etwas wie Genderneutralität überhaupt gibt.

Der Ton blieb gleichwohl durchweg freundlich. Schließlich stehen alle noch am Anfang ihrer Forschungen, haben teilweise noch einmal deren Titel geändert. So stand Anja Faulhaber (TU Braunschweig) mit einem Vortrag zum Thema "Participatory Design in der Automatisierung von Flugsicherheit" im Programm, sprach dann aber über "Gender Effects on Team Cognition in the Cockpit". Ähnlich wie Jenny Stein will sie durch Beobachtung und anschließende Befragungen erforschen, wie sich unterschiedliche geschlechtliche Paarungen von Pilot und Copilot die kognitive Leistung des gesamten Teams beeinflussen, zu dem auch der Bordcomputer als "synthetisches Teammitglied" zählt.

Und es war ja auch der erste Tag des Kolloquiums. Am zweiten Tag könnte es härter zur Sache gehen. Das verspricht zumindest der Titel des Vortrags von Jan Büssers: "Stahlhart und flexibel: Zur Materialität des Stahls und seiner geschlechtlichen Konfiguration im Stahlbau und Maschinenbau". Hoffentlich ändert er ihn nicht noch in letzter Minute. (kbe)