Libra: Bundesbank-Vorstand fordert "globale Antwort" auf Facebook-Währung
Die Facebook-Initiative für eine globale Kryptowährung ruft weltweit Regulierer auf den Plan. Die Bundesbank will den Wilden Westen im Geldsystem verhindern.
Joachim Wuermeling, Mitglied im Vorstand der Deutschen Bundesbank, verlangt "eine globale Antwort auf die Pläne von Facebook", mit der weltweit ausgegebenen Digitalwährung Libra den Zahlungsmarkt aufzumischen. "Beim Auto-TÜV werden die Reifen auch nicht in Indien, die Bremsen in Brüssel und die Abgase in Bolivien geprüft", erklärte der frühere CSU-Politiker gegenüber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ). "Wie das Auto müssen wir die Facebook-Initiative als Ganzes prüfen und global in den Griff bekommen, um mögliche Risiken zu vermeiden."
"Wir sollten verhindern, dass im Geldsystem der Wilde Westen zurückkehrt", sagte Wuermeling in dem Interview mit der FAZ. Frankreich habe dankenswerterweise als G7-Präsidentschaft bereits die Initiative ergriffen, damit die Finanzminister und Notenbanken der wichtigsten Industrienationen "sich der Sache annehmen". Er bezeichnete es als "Errungenschaft, dass unabhängige Notenbanken für stabiles und sicheres Geld sorgen". Dieses System, das großes Vertrauen genieße, "müssen wir bewahren". Neue Plattformen dürften insbesondere nicht Geldwäsche fördern oder helfen, Terrorismus zu finanzieren.
Facebook "systemrelevant"?
Facebook will Libra im Verbund mit Partnern wie Mastercard, Visa, Paypal, Spotify oder eBay herausbringen. Das digitale Zahlungsmittel soll durch einen Korb von Währungen und kurzlaufenden Staatsanleihen gedeckt sein. Für die Nutzer könnten aber andere Gefahren entstehen wie Wechselkurs- oder Ausfallrisiken, warnt Wuermeling: Facebook könnte zudem "Unmengen an Staatsanleihen horten und sich zu einem der größten Gläubiger von Staaten entwickeln." Er halte es für bedenklich, wenn Länder sich auf diese Weise abhängig machten von einem Konzern.
"Wenn von den 2,7 Milliarden Facebook-Nutzern nur 100 Millionen mitmachten, hätte Libra schon mehr Kunden als der gesamte deutsche Bankenmarkt", rechnet der Rechtswissenschaftler vor. Die Kalifornier könnten zum größten Vermögensverwalter der Welt und damit "systemrelevant" werden. Gelänge es ihnen, dass Libra als Zahlungsmittel eine führende Rolle einnehmen, könnte die Bedeutung staatlicher Währungen wie des Euro abnehmen. Implikationen für die Banken und die Geldpolitik seien daher nicht auszuschließen.
Die Risiken von "Stablecoins"
Von einem Libra-Verbot hält Wuermeling nichts, da dies international auch kaum durchzusetzen sei. Technischer Fortschritt sei zudem prinzipiell positiv. Der Banker geht aber davon aus, dass Facebook die Plattform nicht gegen den Willen von Staaten und Notenbanken durchsetzen könne und wolle. Das Unternehmen müsse ein Interesse daran haben zu kooperieren, da nur so Libra Glaubwürdigkeit und Stabilität gewinne. Letztlich sollte die Währung "so sicher sein wie ein Pfandbrief".
Zuvor hatte Bundesbank-Präsident Jens Weidmann allgemein vor Risiken auch bei "preisstabilen" Kryptowährungen gewarnt. Insbesondere müsse geklärt werden, wie der Wert solcher "Stablecoins" garantiert werden könne, unterstrich er am Freitag auf einer internationalen Konferenz zur Finanzmarktaufsicht in Eltville. Cyberdevisen könnten das Einlagengeschäft der Banken und ihre Geschäftsmodelle untergraben. Letztlich warb auch Weidmann so für weltweite Regeln.
Techkonzerne am Finanzmarkt
Der französische Finanzminister Bruno Le Maire hatte in Bezug auf Libra ebenfalls bereits für eine stärkere Kontrolle von Technologiegiganten wie Facebook geworben. Mark Carney, Chef der Bank von England, bezeichnete es gegenüber der BBC als unerlässlich, dass Libra sicher sein müsse. Alle großen Regulierer und Zentralbanken müssten in die Aufsicht über das Projekt eingebunden werden.
Die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) mit Sitz in Basel schaltete sich am Sonntag in die Debatte ein, als sie vorab ein Kapitel zu "Big Tech im Finanzwesen" aus ihrem Ende des Monats anstehenden Jahresbericht veröffentlichte. Tech-Konzerne wie Alibaba, Amazon, Facebook, Google oder Tencent, die generell von der Analyse großer Mengen von Daten ihrer Nutzer und Netzwerkeffekten profitierten, führen demnach in den Finanzmarkt "neue Elemente in die Balance aus Risiken und Vorteilen" ein. Da es sich beim Geldsystem um eine "essenzielle öffentliche Infrastruktur" handle, müssten Fragen der Stabilität und des Verbraucher- sowie des Datenschutzes im Blick behalten werden.
Aus Datenzugriff Bonitäten ermitteln
Der Markteintritt der Internetriesen könne zu mehr Effizienz in der Banche führen und Finanzdienstleistungen breiter zugänglich machen, schreibt die BIZ, die eine Koordinierungsfunktion für Notenbanken wie die Bundesbank oder die US-amerikanische Fed einnimmt. Die Regulierer müssten für gleiche Chancen für alle Akteure sorgen, dabei aber den Kundenstamm, den Zugang zu Informationen und die weitgefassten Geschäftsmodelle der Tech-Größen berücksichtigen. Um die Konzerne aus den USA und China an die Kandare zu nehmen, müssten Finanzregulatoren mit Wettbewerbshütern und Datenschützern zusammen agieren.
Sorge bereitet den BIZ-Analysten vor allen der Zugriff der Firmen auf umfangreiche Bestands-, Transaktions- und Verhaltensinformationen ihrer Nutzer. Damit könnten sie etwa mit ausgeklügelten Scoring-Verfahren deren Bonität bewerten und die maximale Zahlungsbereitschaft für Kredite oder Versicherungspolicen ermitteln. Vor allem die chinesischen Anbieter seien hier mit ihren Universal-Apps Alipay und WeChat schon sehr weit. Letztlich könnten so neue Daten- und Finanzmonopole entstehen, was potenzielle anfängliche Wettbewerbsgewinne wieder auffresse. Es könne daher sinnvoll sein, die Optionen der Datennutzung für die Plattformbetreiber einzuschränken. (axk)