Marvin Minsky wird 80: Wir müssen lernen, nicht das zu lernen, was wir lernen

Der in New York geborene Minsky gilt als einer der Pioniere in der Erforschung der Künstlichen Intelligenz und als radikaler Verfechter, aber auch Kritiker seiner Disziplin.

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Von
  • Detlef Borchers

Heute vor 80 Jahren wurde Marvin Minsky in New York geboren. Zusammen mit John McCarthy und Claude Shannon gilt er als einer der Pioniere der Künstlichen Intelligenz. Für jüngere Computernutzer ist er der Erfinder der Schildkröte, die in Logo den Bildschirm beschreibt, für die Vertreter des Wearable Computing ist er der Erfinder des Head-Mounted-Displays. Außerdem hält Minsky einige Patente in der Mikroskopie.

Marvin Minsky begann bereits während seines Mathematikstudiums, sich mit Künstlicher Intelligenz zu beschäftigen. Im Jahre 1951 baute er mit Dean Edmonds den SNARC (Stochastic Neural Analog Reinforcement Calculator), einen neuronalen Netzcomputer, der das Verhalten einer Maus in einem Labyrinth simulieren sollte. Nach dem Studium ging Minsky 1958 an das MIT, wo er der prominenteste Verfechter der Künstlichen Intelligenz wurde. Minsky scheute sich niemals, besonders radikale Vorhersagen über die Fähigkeiten künftiger Computer zu machen. Mit der Behauptung, dass Computer Shakespeare lesen werden, wurde er einer breiteren Öffentlichkeit abseits der KI-Forschung bekannt.

In den letzten Jahren wurde der Dauer-Optimist Minsky eher zum Kritiker seiner Disziplin: Den heutigen KI-Forschern wirf Minsky vor, Feiglinge zu sein, weil sie sich auf Spezialanwendungen der KI wie der Erforschung neuronaler Netze konzentrieren, anstelle das Programm der "Harten KI" zu verfolgen, aus dem Computer einen besseren Menschen zu machen. Dennoch ist Minskys bekanntestes Buch, das für Laien geschriebene "Society of Mind", der Versuch, das Gehirn (das menschliche Bewusstsein) als Vernetzung neuronaler Agenten zu erklären. Für sich genommen ist das Buch eine Absage an den Gedanken, mit den Modellen der Mathematik und Informatik das menschliche Lernen erklären zu können.

Für den 80-jährigen Minsky gibt es noch keinen Rückzug ins Private. Mit seinem Ende vergangenen Jahres erschienenen Buch über die menschliche Emotionsmaschine (in großen Teilen auf seiner Website verfügbar), versucht Minsky, 20 Jahre nach der Society of Mind, die Funktionsweise des Gehirns ohne die (irritierenden) neuesten neuronalen Forschungen zu erklären. Am Ende ist das Gehirn wie ein Computer, aber nicht etwa einfach strukturiert, sondern überlagert von mehreren Schichten wie etwa Software: "Viele Computersysteme werden so schwerfällig, sodass ihre weitere Entwicklung stoppt, weil die Programmierer nicht mehr Schritt halten können mit dem, was all die vorherigen Programmierer gemacht haben."

Von seinen Schülern dürfte der Lernforscher Seymour Papert (Logo, aber auch die programmierbaren Lego-Prozessoren) die größten Einflüsse weitergeben. Als Nachfolger der "Harten KI", komplett mit radikalen Aussagen zur Zukunft der Menschen als 1:1-Kopien auf der Festplatte, gilt Raymond Kurzweil.

Im Rahmen des Informatikjahrs tourte Minsky zuletzt durch Deutschland. Seine aktuellen Ansichten können im Interview mit der Technology Review nachgelesen werden. (Detlef Borchers) / (vbr)