Neues Gerichtsurteil zu Kinderpornografie per E-Mail

Wer Kinderpornografie per E-Mail an Deckadressen verschickt, "verbreitet" sie nicht, sondern "verschafft" sie nur den Empfängern.

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Von
  • Christoph Laue

Wie jetzt bekannt wurde, hat das Bayerische Oberste Landesgericht mit einem Beschluss vom 27. Juni 2000 in wesentlichen Punkten dem Revisionsantrag zu einem Urteil wegen Verbreitung von Kinderpornografie per E-Mail entsprochen. Der Beklagte war im Dezember 1999 vom Amtsgericht Mühldorf am Inn dafür zu einer Freiheitsstrafe von 16 Monaten verurteilt worden. Nach Ansicht des Obersten Landesgerichts hat er das fragliche Material jedoch nicht verbreitet, sondern es den Empfängern vielmehr verschafft und darf jetzt auf ein geringeres Strafmaß hoffen (AZ: 5St RR 122/00).

Der Beschluss stützt sich im Wesentlichen auf die verschiedenene Größe der Empfängerkreise, die zur Erfüllung der Tatbestände "Verbreitung" und "Verschaffung" vorausgesetzt wird. "Verbreitung" beschreibt nach Ansicht des Gerichts den Zugang eines nicht kontrollierbaren Personenkreises zu den strafrechtlich relevanten Inhalten. Diesen Sachverhalt sah das Amtsgericht in fünf Fällen, in denen der Angeklagte per E-Mail kinderpornografisches Material an Deckadressen versandt hatte, als erwiesen an und verurteilte den Angeklagten zu einer Freiheitsstrafe von 16 Monaten; möglich wären laut Strafgesetzbuch bis zu fünf Jahre gewesen.

Das im Revisionsverfahren angerufene Bayerische Oberste Landesgericht schloss sich hingegen der im Antrag des Angeklagten vertretenen Ansicht an, es handele sich um eine erfolgte "Verschaffung". Die Verteidigung wies erfolgreich darauf hin, dass ein E-Mail-Account nur mit der Kenntnis von Adresse und persönlicher Geheimnummer zugänglich sei. Deshalb könne nicht von einer unkontrollierten Verbreitung ausgegangen werden. Zudem sei das fragliche Material nicht auf einem Datenträger übermittelt worden; dies ist jedoch nach §184 Abs. 3 Nr. 1 StGB Voraussetzung für die vom Amtsgericht Mühldorf erkannte "Verbreitung". Das Oberste Landesgericht sah deshalb die Grundlage für das vom Amtsgericht verkündete Urteil als nicht gegeben und überwies den Fall zur Festlegung eines dem Tatbestand der "Verschaffung" entsprechenden Strafmaßes zurück an das Amtsgericht Mühldorf.

Kommentar: Zumindest bis zur Neufestsetzung des Strafmaßes wirft dieser Beschluss Fragen auf: Warum soll die Übermittlung von Kinderpornos per E-Mail harmloser sein als auf Disketten? Warum handelt es sich beim E-Mail-Versand nicht um "unkontrollierte Verbreitung"? Schließlich können Daten im öffentlichen Internet durchaus mitgelesen werden. Ein deutlich abgemildertes Urteil würde jedenfalls das falsche Signal setzen: Kinderporno-Vertreiber dürfen mit geringeren Strafen rechnen, wenn sie das Internet nutzen. (chl)