Politiker-Fakes: Virtuelle Doppelgänger ärgern die Mächtigen

Früher wurden Politiker im Kabarett veräppelt, heute geschieht das im Netz: Fake-Profile für Trump oder Merkel setzen sich satirisch mit politischer Inszenierung auseinander – und legen manchmal selbst die Originale rein.

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Politiker-Fakes: Virtuelle Doppelgänger ärgern die Mächtigen

(Bild: dpa)

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Von
  • David Fischer
  • dpa

Es gibt einen Ort, an dem die Kanzlerin schimpft und zetert. "Verstehe nicht, was manche Leute mit nem ganzen Kasten Oettinger wollen. Mir reicht schon die eine Flasche in Brüssel", twittert die Satire-Figur @GrumpyMerkel, ein Social-Media-Double mit bitterbösem Humor und 21 000 Followern. Ihr Profilbild weist die Mundwinkel-Heiterkeit des Originals auf. Angela Merkel sagt hier, was manche der Regierungschefin sonst nur an der Mimik ablesen wollen: "Donald Trump – ein Politiker zum Anfassen." Klartext statt Wortwolken.

Fake-Profile wie die mürrische Merkel sind Sender satirischer Kurznachrichten, digitale Handpuppen mit frecher Klappe. Von der Reichweite internationaler Fakes sind sie freilich weit entfernt. Auch ihre Zahl ist unklar, in Deutschland dürften es schätzungsweise mehrere Dutzend sein, die als Politiker unter falschem Namen auftreten. Die Zahl von Justin-Bieber-Fakes hingegen ist schier unüberschaubar, allein auf Facebook lesen Hunderttausende die Posts.

Dagegen zählen Politiker-Fakes klar zu den Netz-Nischen für Liebhaber des politischen Wortspiels: Als "SPDings-Parteiboss" twittert ein Sigmar Gabriel, "Bundesminister für Wirtschaften und Energiedrinks", "BeaTrix von Storch" präsentiert sich als "Alte Naive für Deutschland", und Günther H. Oettinger stellt sich vor als "Kommissar for se Internet and Digital-Irrläuferle. And for Telekom and Schelfdrivingautos. This isch a schboof accountle."

Wissenschaftler wie Elisabetta Ferrari nehmen die virtuellen Karikaturen durchaus ernst. "Ein Fake kann eine machtvolle Kritik des Politischen sein, gerade wenn Politiker vorgeben, authentisch zu wirken", sagt die Kommunikationsforscherin, die die Auftritte italienischer Politiker-Fakes im Netz untersuchte. "Es ist interessant zu beobachten, wie Satire dieser Art zu einem wichtigen Gegenstand in der öffentlichen Auseinandersetzung mit Politik wird."

Das wird besonders deutlich, wenn sich Fakes unmittelbar auf die Realität auswirken. Dem "Gawker"-Blog gelang im Februar ein solch seltener Coup. Die Autoren erstellten einen Twitter-Roboter, der Sprüche des Faschisten Benito Mussolini (@ilduce2016) ausspuckte und adressierten diese an den Twitter-Account Donald Trumps – in der Hoffnung, dass der US-Republikaner irgendwann darauf anspringt, "egal wie dubios oder niederträchtig die Quelle auch ist, so lange sie sich wie eine Huldigung anhört", erklärten sie auf ihrer Website.

Die Falle schlug zu. Trump retweetete den Satz "Es ist besser, einen Tag als Löwe zu leben als 100 Jahre als Schaf" und setzte eine Diskussion in Gang, die auch von der "New York Times" aufgegriffen wurde.

Beispiele gibt es auch in Deutschland. Mit dem #Varoufake erregte der Satiriker Jan Böhmermann maximale "Mittelfinger-Verwirrung" ("Süddeutsche Zeitung"), als er behauptete, der in einem alten Video aufgetauchte und hitzig diskutierte Anti-Deutschland-Stinkefinger des griechischen Finanzministers Giannis Varoufakis sei eine von ihm in Umlauf gebrachte Fälschung.

"Politische Fakes erinnern uns daran, dass wir im Internet alle Fälschungen aufsitzen, das ist Teil unseres Lebens", sagt Ferrari bei einem Treffen der Association of Internet Researchers (AoIR) an der Humboldt-Universität in Berlin. Auch André Haller von der Universität Bamberg sieht eine allgemeine Tendenz zum "Politainment" – einer neuen Spielform, die Politik und Entertainment vermischt. "Medienhacks" wie Varoufake oder Fakeaccounts dienten in diesem Fall der Unterhaltung, sagt Haller. "Sie können aber auch als schwarze Propaganda gezielt zur Rufschädigung benutzt werden."

Doch muss sich Donald Trump – einer, der in Wirklichkeit seiner Karikatur verblüffend gleicht – tatsächlich vor gefälschten Profilen fürchten? Fakes könnten Populisten auch bekannter machen, warnt Haller. Bekräftigen sie die Stimme eines Tabubrechers, stärken sie – wenn auch ungewollt – dessen Image.

Welche medialen Wirkungen die Aussagen von Politiker-Fakes entfalten, lasse sich nur schwer messen, sagt Haller. Es könne aber sein, dass ihre Verbreitung die politische Debatte weiter verschärft. Onlinekommunikationsforscher Wolfgang Schweiger von der Universität Hohenheim hält dagegen: Nur die wenigsten Nutzer würden den Ursprung von Informationen im Internet hinterfragen, gefälschte Botschaften würden die Meinung von Trump-Anhängern daher nur bestärken, sagt er.

Und wie sieht es mit den Persönlichkeitsrechten aus? Der Berliner Rechtsanwalt Thorsten Feldmann hält Fake-Profile für problematisch. "Wenn jemand mit fremdem Namen oder Foto in Erscheinung tritt, könnte dies vor Gericht als Namensanmaßung oder Verletzung des Rechts am eigenen Bild gewertet werden", sagt der auf Urheber- und Medienrecht spezialisierte Anwalt. Bei satirischen Fake-Accounts in sozialen Medien stelle sich nun aber die Frage: "Erhebt ein Account einen Anspruch auf Authentizität? Tut also jemand so, als ob er Angela Merkel ist, oder sieht man dem Account die Satire an?" Dann könnte die Inszenierung als Kunst gedeutet werden – und wäre damit zulässig. (bb)