Riesige DNA-Datei hilft Hessens Ermittlern in Sekundenschnelle

Bei der Verbrechens-Aufklärung kann die Polizei auf eine Datenbank mit mehr als einer Million Gen-Spuren zugreifen. In Hessen gab es zuletzt Hunderte Treffer.

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Riesige DNA-Datei hilft Hessens Ermittlern in Sekundenschnelle

(Bild: PopTika/Shutterstock)

Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Carolin Eckenfels
  • dpa
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Ermittler finden an einem Tatort eine winzige DNA-Spur. Sie wird gesichert und in die zentrale DNA-Analyse-Datei des Bundeskriminalamtes eingespeist. Von einem Mausklick und etwas Glück hängt es nun ab, ob die Kriminalisten bei ihren Ermittlungen einen großen Schritt vorankommen und die Tat rasch aufklären können. Denn sofern das sichergestellte genetische Profil in der Datenbank gespeichert ist, spuckt der Computer innerhalb weniger Sekunden einen Treffer aus. Im Idealfall führt dieser direkt zu einem Verdächtigen.

"Es ist ein super Ermittlungshinweis", sagt Harald Schneider, der Leiter der DNA-Analytik beim hessischen Landeskriminalamt in Wiesbaden (LKA). "Weil es natürlich in den meisten Fällen so sein wird, dass die Spuren, die in der Datenbank treffen, auch irgendetwas mit der Tat zu tun haben."

Hessens Ermittler haben im vergangenen Jahr bei ihren Suchanfragen 1866 Treffer in der Datenbank gehabt. Die meisten (1132) betrafen Delikte wie Diebstahl und Unterschlagung. Bei Ermittlungen zu Sexualstraftaten gab es 33 und bei Tötungsdelikten 49 Treffer – was auch damit zusammenhängt, dass Eigentumsdelikte viel häufiger begangen werden als Kapitalverbrechen wie Mord und Totschlag.

Ein prominentes Beispiel für die Polizeiarbeit mit der Datenbank ist der Mord am Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke: Die Festnahme des Hauptverdächtigen ging den Ermittlern zufolge auf eine DNA-Spur zurück, die zu einem Treffer in der Datenbank führte. Bei einer Übereinstimmung muss ein Verbrechen aber noch nicht zwingend aufgeklärt sein: Es seien meist noch weitere Beweise nötig, betont Schneider.

Die Ermittler unterscheiden zwischen Personen- und Spurentreffern. Die Datenabfrage kann also entweder zu Gen-Profilen konkreter Personen wie bereits bekannten Straftätern führen oder zu Spuren von Unbekannten, die an anderen Tatorten gesichert wurden. Trifft eine Spur eine andere Spur, "können wir zum Beispiel Tatzusammenhänge erkennen", sagt Schneider. Bei den Suchanfragen im vergangenen Jahr erzielten Hessens Ermittler 1534 Personen- sowie 332 Spurentreffer.

Die DNA-Analyse-Datei gibt es seit 1998. Gespeichert sind darin Daten von Beschuldigten, verurteilten Straftätern oder von am Tatort gesicherten Spuren. "Sie ist ein unverzichtbares Mittel zur Kriminalitätsbekämpfung und aus dem Alltag der Polizei nicht mehr wegzudenken", heißt es beim Bundeskriminalamt. Mittlerweile sind darin mehr als 1,2 Millionen DNA-Muster gespeichert, davon etwa 870.000 von bekannten Personen und 360.000 Spuren aus noch ungeklärten Straftaten. Seitdem hat die Datei den Ermittlern bei zahlreichen Verfahren geholfen. Allein in Hessen kommen – seit dem Jahr 2001 – rund 35.500 Treffer zusammen.

Um genetische Spuren zu untersuchen, gibt es beim LKA eine eigene Abteilung. Mit einer "DNA-Straße" können sie beispielsweise teilautomatisiert Proben typisieren. "Die DNA-Analyse im hessischen Landeskriminalamt hat sich sukzessive mit dem Fortschritt auf diesem Gebiet in Wissenschaft und Technik weiterentwickelt", berichtet eine Sprecherin. Dazu gehörten Verfahren, um weitere Erkenntnisse beispielsweise über äußerlich sichtbare Körpermerkmale oder das Alter von Tätern bekommen zu können.

Mit der gestiegenen Bedeutung von DNA-Untersuchungen ist auch der Personalbedarf angewachsen. In der entsprechenden Fachabteilung arbeiten dem LKA zufolge derzeit 17 Sachverständige und 26 technische Assistenten. Aktuell werden laut einer Stellenausschreibung technische Assistenten in der Biologie für die DNA-Analytik gesucht.

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Seit Bestehen der Analyse-Datei gab es bundesweit die meisten Treffer bei den Eigentumsdelikten, wie Experte Schneider berichtet. Etwa 80 Prozent entfielen auf diesen Bereich – in dem ja auch besonders viele Straftaten verzeichnet werden. Etwa sieben Prozent der Treffer gab es demnach im Bereich Raub und Erpressung, zwei Prozent entfielen auf Sexual- und etwa ein Prozent auf Tötungsdelikte.

"Man könnte die Trefferquote dramatisch erhöhen", meint Schneider. Und zwar dann, wenn die Polizei von festgenommenen und erkennungsdienstlich behandelten Personen nicht nur wie bisher einen Fingerabdruck nehmen würde, sondern grundsätzlich auch eine DNA-Probe. Das zu ändern, sei rechtlich und politisch aber umstritten.

Eine solche Probe kann derzeit nur freiwillig oder nach einem richterlichen Beschluss genommen werden. "Das ist ein deutlich schwerwiegenderer Eingriff, das muss man klipp und klar sagen", sagt Schneider. "Das ist datenschutzrechtlich schon eine andere Nummer, wenn Sie die DNA-Profile von jemandem speichern." Die rechtlichen Bedenken hätten also ihren guten Grund. "Aber wir als Experten sagen: Wir würden die Trefferquote und damit auch die Aufklärungsquote deutlich erhöhen." (bme)