Schweizer Big Brother Awards vergeben

Mit einem Betonpokal, einem Zertifikat und einer Erwähnung in der Ehrenliste "Hall of Shame" wurde unter anderem eine Media-Markt-Filiale bedacht - wegen widerrechtlicher Bespitzelung von Angestellten.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 26 Kommentare lesen
Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Peter-Michael Ziegler

In Basel sind am gestrigen Donnerstagabend die siebten Schweizer Big Brother Awards (BBA) vergeben worden. Mit einem Betonpokal, einem Zertifikat und einer Erwähnung in der Ehrenliste "Hall of Shame" wurde unter anderem die Media-Markt-Filiale in Dietlikon bedacht. Den Sieg in der Kategorie "Arbeitsplatz" heimste das "Ich bin doch nicht blöd"-Haus wegen einer systematischen Videoüberwachung der Mitarbeiter ein. Die Geschäftsleiterin hatte die Angestellten nicht nur in den Verkaufsräumen, sondern auch im Lager, bei den Zugängen zur Stempeluhr, zu den Toiletten und zum Pausenraum immer im Blick haben wollen. Die Belegschaft habe sich mit Unterstützung der Gewerkschaft UNIA schließlich erfolgreich gegen die widerrechtliche Bespitzelung wehren können, heißt es in der Laudatio. Die Geschäftsleitung habe inzwischen zugesichert, sich künftig an die Richtlinien des Eidgenössischen Datenschutzbeauftragten zu halten.

Einen der "satirischen Preise, die keiner will", erhielt auch die Krankenversicherung CSS. Das Unternehmen mit Sitz in Luzern setzte sich in der Kategorie "Business" gegen Firmen wie Microsoft, Cablecom, Swisscom oder Credit Suisse durch, weil es mehreren hundert Mitarbeitern über ein Online-System Zugriff auf sensible Gesundheitsdaten von Kunden erlaubte. Die Daten waren für den Vertrauensarzt bestimmt und enthielten beispielsweise ärztliche Diagnosen oder Resultate von HIV-Tests. Im Juni 2006 eröffnete der Eidgenössische Datenschutzbeauftragte eine "Sachverhaltsabklärung in Sachen CSS" und das Bundesamt für Gesundheit (BAG) reichte sogar eine Strafklage gegen die CSS ein. In der Business-Kategorie hätten sich auch in diesem Jahr wieder mehrere Transportfirmen durch Videoüberwachung von Kunden und Angestellten "profiliert", teilten die BBA-Organisatoren mit. Nominiert worden seien auch etliche Sportverbände und Sportclubs.

Der Hauptpreis in der Kategorie "Staat" ging an den Gesamtbundesrat, vertreten durch den Vorsteher des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements (EJPD), Christoph Blocher, für die geplante Verschärfung des "Bundesgesetzes über Maßnahmen zur Wahrung der inneren Sicherheit" (BWIS). Der Entwurf sehe massive Eingriffe in die Grundrechte vor, etwa das Abhören von Telefongesprächen, das heimliche Durchsuchen von Computern oder das versteckte Eindringen und Verwanzen von Wohnungen. All dies solle unter dem Titel "Präventive Vorfeld-Ermittlungen" geschehen, also ohne konkreten Verdacht auf eine Straftat und ohne richterliche Überprüfung der Maßnahmen. Der "Lebenswerk-Award" 2006 wurde an den Direktor des Strategischen Nachrichtendienstes SND, Hans Wegmüller, vergeben. Der SND ist der militärische Geheimdienst der Schweiz. Er betreibt unter anderem die Telecom-Überwachungsanlage ONYX mit Standorten in Heimenschwand, Leuk und Zimmerwald.

Doch im Baseler Sudhaus wurde nicht nur getadelt, sondern auch gelobt: Der "Winkelried-Award", mit dem Personen oder Institutionen geehrt werden, die sich in lobenswerter Weise gegen zunehmende Überwachung und Kontrolle zur Wehr setzen, ging in diesem Jahr an das Referendumskomitee BWIS. Das Komitee setzt sich aus Fangruppen verschiedener Fußball- und Eishockey-Vereine in der Schweiz sowie Vertretern aus der Politik zusammen, die sich gegen neue "Maßnahmen gegen Gewalt anlässlich von Sportveranstaltungen" im Rahmen der BWIS-Verschärfung wehren. Im Hinblick auf die EURO 2008 soll unter anderem die zentrale Datenbank "HOOGAN" angelegt werden, bei der schon eine "glaubwürdige Aussage" von Mitarbeitern privater Sicherheitsdienste der Stadionbetreiber ausreicht, um als "gefährlich" eingestuft zu werden. Im Frühjahr hatte das Komitee das Referendum ergriffen, die erforderlichen 50.000 Unterschriften innerhalb von 100 Tagen aber nicht zusammenbekommen. (pmz)