Smart Home: Mensch darf nicht zum Objekt vernetzter Geräte werden

Bundesjustizminister Heiko Maas betonte auf einer Konferenz, dass es keinen Zwang zur vernetzten Wohnung geben dürfe. Eine schärfere Produkthaftung will er in diesem Bereich noch nicht angehen.

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Heiko Maas (l.) und Bernhard Rohleder

Heiko Maas (l.) und Bernhard Rohleder

(Bild: heise online / Stefan Krempl)

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Die Euphorie mancher Technikbegeisterter für das Smart Home alias Sensorenresidenz kann Bundesjustizminister Heiko Maas noch nicht recht teilen. "Muss wirklich alles vernetzt werden, was vernetzt werden kann?", fragte der SPD-Politiker am Dienstag in Berlin auf einer Konferenz zum Safer Internet Day, der eigentlich vorige Woche schon zelebriert wurde. Auf dem Spiegel Mails oder Wetterdaten abzurufen, sei zwar ein "schöner Luxus". Er sei sich aber nicht sicher, "ob alle Verbraucher glauben, dass sie das brauchen".

Zugleich betonte Maas, dass es "keinen auch nur mittelbaren Zwang" zum Smart Home geben dürfe: "Der Mensch soll nicht zum bloßen Objekt der vernetzten Geräte werden." Das Grundgesetz garantiere die Unverletzlichkeit der Wohnung. Diese müsse der Ort bleiben, "an dem man sich nicht nur unbeobachtet fühlt, sondern auch ist".

Das Internet der Dinge im eigenen Heim bedeute "oft auch einen bedrohlichen Kontrollverlust", da dieses über Datenströme gesteuert werde. Damit könnten Hersteller oder Dienstleister die vielbeschworenen personenbezogene Profile bilden und "uns gläsern machen in unserem Kernbereich, dem eigenen Zuhause". Smart-TV-Gewohnheiten etwa seien in der Lage, auf Arbeitslosigkeit oder prekäre Beschäftigung hinzuweisen.

Auch Hacker "machten vor Smart Homes nicht halt", meinte Maas. Die Tür per Klick öffnen könnten heute theoretisch Einbrecher ebenfalls. Cyberkriminelle sperrten den "intelligenten" Fernseher mit Erpressungstrojanern und gäben ihn erst nach Zahlung eines Lösegelds wieder frei. Die Produktsicherheitsgesetze endeten dagegen noch "eher im Maschinenzeitalter", wälzten die Verantwortung noch auf Verbraucher ab. Diese sollten selbst dafür sorgen, dass die Geräte auf dem neuestem Sicherheitsstandard sind. Das werde auf Dauer nicht reichen, die Anbieter müssten internationale Standards für Produktsicherheit im Internet der Dinge schaffen, auch sei eine funktionierende Marktaufsicht nötig.

Akuten gesetzgeberischen Handlungsbedarf sieht Maas hier aber noch nicht. Es sei noch ein "sehr früher Zeitpunkt, um über Fragen des Haftungsrechts zu reden", erklärte er vorab gegenüber der Presse. Die technische Entwicklung stehe "eher noch am Anfang", es sei unklar, ob sie sich überhaupt durchsetze. Das Smart Home werde auch nur erfolgreich, "wenn die Risiken nicht zu Lasten der Nutzer gehen".

Als nötig erachtet Maas vor allem "klare rechtliche Standards und gute technische Lösungen". Daten könnten vielfach anonymisiert werden und müssten laut der EU-Datenschutzverordnung ohnehin gelöscht werden, wenn sie nicht mehr für die Funktion der Geräte gebraucht würden. Insofern seien die Chancen und Risiken derzeit insgesamt "absolut verhältnismäßig".

Bitkom-Geschäftsführer Bernhard Rohleder ergänzte, dass es rund ums vernetzte Heim bisher vor allem Insellösungen gebe, noch keine Standard-Plattformen. Oft zu finden seien Alarmanlagen, die sich übers Smartphone steuern ließen, oder der vernetzte Rasenmäher, bei dem sich die Schnitthöhe aus der Ferne einstellen lasse. "Damit retten wir aber die Welt nicht", räumte Rohleder ein. Laut einer repräsentativen Bitkom-Umfrage "kennen gut 60 Prozent" aber immerhin den Begriff Smart Home, jeder zweite davon wisse auch, dass es "um die komplette Vernetzung der Hauselektronik" geht.

So sieht der Verband ein großes Potenzial für vernetzte Produkte im eigenen Heim. 36 Prozent der Bundesbürger planen, sich binnen der nächsten zwölf Monate einen Smart-TV anzuschaffen, 33 Prozent interessierten sich für vernetzte Musikanlagen oder Lautsprecher, 29 Prozent für Beleuchtung, 25 Prozent für intelligente Stromzähler. Nur 17 Prozent interessieren sich für Sicherheitstechniken wie Überwachungskameras oder Alarmanlagen im Smart Home, zehn Prozent für Schließanlagen, die teils ein gefundenes Fressen für Hacker sind. (anw)