Streaming vs. Kinos: Erfolg von "Trolls World Tour" könnte Branche umkrempeln
In der Pandemie sind weltweit Kinos geschlossen, erste Filme sind deshalb direkt als Stream erschienen. Kinobetreiber warnen davor, das zur Regel zu machen.
Der US-Medienkonzern NBCUniversal will auch nach der Corona-Krise einige Filme parallel zum Kinostart in Streamingdiensten anbieten und hat damit einen langen schwelenden Konflikt mit Kinobetreibern neu angefacht. Hintergrund der Pläne ist der enorme Erfolg des Animationsfilms "Trolls World Tour", der Universal Pictures in drei Wochen nur auf Streamingdiensten mehr Umsatz beschert hat als der erste Film "Trolls" über fünf Monate in den US-Kinos, wie das Wall Street Journal berichtet.
Mit AMC Theaters reagierte der weltgrößte Kinobetreiber umgehend auf die Pläne und kündigte an, künftig keine Universal-Filme mehr in den eigenen Kinos zeigen zu wollen. Unterdessen kündigten die Veranstalter an, 2021 ausnahmsweise auch reine Streamingfilme bei den Academy Awards ("Oscars") zu akzeptieren.
Filmstudios vs. Kinobetreiber
Das Wall Street Journal erinnert nun daran, dass NBCUniversal-Chef Jeff Shell schon seit Jahren dafür bekannt ist, Filme schneller in die Wohnungen der Konsumenten zu bekommen, als es bislang die Regel ist. Bislang hätten sich die Kinobetreiber aber noch jedes Mal mit ihrer Drohung durchgesetzt, keine Filme zu buchen, die nicht exklusiv für die ersten 75 Tage in Kinos laufen würden. Die aktuellen Kinoschließungen im Kampf gegen die Coronavirus-Pandemie hätten die Studios jedoch als Gelegenheit gesehen, die eigenen Pläne fürs Streaming endlich einmal zu testen, mit "Trolls World Tour" als zentralem Puzzlestück. Und der Erfolg scheine ihnen recht zu geben.
Insgesamt hat Universal mit dem Animationsfilm in drei Wochen 77 Millionen US-Dollar eingenommen, auch weil das Studio 80 Prozent der Mietgebühren in Streamingdiensten einbehalten kann. Vom US-Kinoticket sind es demnach nur 50 Prozent, statt insgesamt 95 Millionen US-Dollar hätten die US-Kunden also in Kinos insgesamt 154 Millionen US-Dollar ausgeben müssen, um Universal genauso hohe Einnahmen zu bescheren. Das wäre mehr gewesen, als "Trolls" insgesamt an den US-Kinokassen eingespielt hat. Mit den vier weiteren Filmen, die Universal auf Streamingdienste eingestellt hat, hat das Studio noch einmal 48 Millionen US-Dollar eingenommen. Noch ist aber unklar, wie sich der Wechsel zu Streamingdiensten auf künftige Verkäufe von Datenträgern und digitale Downloads auswirken wird.
Vor allem für Blockbuster dürfte die Erstveröffentlichung in Kinos aber zu lukrativ sein, um darauf zu verzichten, zitiert die US-Zeitung Insider. Darauf setzen auch die Kinobetreiber und wollen diese starke Verhandlungsposition nun wohl entschieden einsetzen. Adam Aron, der Chef von AMC Theaters, nannte die Pläne von Universal gegenüber der New York Times "völlig inakzeptabel" und kündigte einen Boykott aller Studios an, die in ähnlicher Weise "den Status Quo ändern wollen". Schon mit dem Universal-Boykott würde seine Kette auf Reihen wie "Jurassic World", "The Fast and the Furious" und "Ich, einfach unverbesserlich" verzichten.
Oscars auch mit reinen Streamingfilmen
In die Kampfansagen platzte am Dienstag dann noch die Meldung, dass die Verantwortlichen der Academy of Motion Picture Arts and Sciences Regeländerungen für die Oscar-Verleihung 2021 beschlossen haben. Demnach dürfen für kommendes Jahr ausnahmsweise auch Filme eingereicht werden, die nicht für mindestens sieben aufeinanderfolgende Tage in einem Kino in Los Angeles gelaufen sind. Es würden aber nur Titel akzeptiert, für die eine solche Veröffentlichung aber zumindest geplant gewesen sei, auch wenn sie dann aufgrund der gegenwärtigen Pandemie nur bei Streaminganbietern verfügbar gemacht wurden.
Die Auseinandersetzung zwischen den Filmstudios und Kinobetreibern schwelt seit Jahren und wurde vor allem dadurch ausgelöst, dass der Streamingpionier Netflix den Medienkonsum in den Haushalten zu dominieren begann. Die Studios wollen stärker in diesen Markt vordringen, vor allem durch eigene Streamingdienste, die angekündigt oder bereits geöffnet sind. Hier können sie mit eigenen Inhalten Geld verdienen, während etwa Kinoeinnahmen geteilt werden müssen. Gleichzeitig sehen aber nicht nur die Kinobetreiber die wachsende Dominanz der Streamingdienste kritisch, Hollywood-Größen wie Steven Spielberg üben etwa immer wieder Kritik an Oscar-Nominierungen für Netflix-Filme. (mho)