Studie: Faktenprüfer haben wenig Chancen gegen "Fake News"

Im US-Präsidentschaftswahlkampf 2016 riefen rund 44 Prozent der Stimmberechtigten "dubiose" Nachrichtenseiten auf. Faktenchecks werden kaum konsultiert.

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Studie: Faktenprüfer haben wenig Chancen gegen "Fake News"

(Bild: sdecoret/Shutterstock.com)

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Ihren Nachrichtenhunger stillten US-Bürger vor der US-Präsidentschaftswahl 2016 durchschnittlich nur zu rund sechs Prozent auf Webseiten mit "fragwürdigem Wahrheitsgehalt". Zu diesem Ergebnis kommen die Politikwissenschaftler Andrew Guess, Brendan Nyhan und Jason Reifler in einer am Montag im Fachmagazin Nature Human Behaviour erschienenen Studie. Immerhin rund 44 Prozent der US-Amerikaner haben demnach zwischen dem 7. Oktober und dem 14. November 2016 solche dubiosen News-Angebote besucht. Der Anteil solcher "Pseudo-Presse-Auftritte" am Nachrichtenkonsum blieb aber gering.

62 Prozent der Seitenaufrufe gehen laut der Analyse auf das Konto der 20 Prozent der US-Bürger, die generell sehr "konservative" Meldungen bevorzugten und zu den Anhängern von US-Präsident Donald Trump zählen dürften. Zuvor hatte der "Reuters Digital News Report" bereits ergeben, dass nur sieben Prozent der US-Amerikaner etwa die Website "Breitbart" auch tatsächlich gelesen hatten, obwohl 45 Prozent es zumindest vom Namen her kannten.

Die vielfach als Gegengift zu "Fake News" gehandelten Faktenchecks erreichen laut der neuen Untersuchung ihr Zielpublikum kaum. Nur grob ein Viertel der Nutzer besuchte überhaupt Webseiten von Faktenprüfern und nur 2,7 Prozent lasen die dortigen Informationen zu einem von ihnen zuvor angeschauten Artikel mit falschen Informationen. Solche alternativen Quellen haben den Verfassern zufolge so eher begrenzten demokratischen Wert beziehungsweise sprechen eher die "bereits Bekehrten" an.

Facebook spielte bei der Verbreitung dubioser Seiten eine zentrale Rolle. Die Akteure charakterisieren das soziale Netzwerk als "Schlüsselfaktor" für Desinformation. Bei 15 Prozent der Teilnehmenden gehörte Facebook zu den letzten drei Online-Portalen vor dem Besuch eines oft Falschmeldungen publizierenden Angebots, während das nur bei sechs Prozent der traditionellen Nachrichtenseiten der Fall war.

Ob es sich bei den "Fake-News-Lesern" generell vor allem um besonders aktive Medienrezipienten handelt, geht aus der Studie nicht eindeutig hervor. Generell schließt der Konsum wenig vertrauenswürdiger Webauftritte den Konsum legitimer Nachrichtenseiten aber nicht aus, arbeiten die Autoren heraus. Die Nutzer, die am häufigsten vergleichsweise verlässliche Nachrichtenseiten aufsuchten, gehörten auch zu der Gruppe, die dubiose Angebote stark frequentierten.

Für die Analyse haben die Forscher die Daten von 2525 Teilnehmern an einer Umfrage mit deren Internetverlauf verglichen, den die Probanden freiwillig zur Verfügung stellten. Zudem bezogen die Studienmacher Angaben zur Wahlbeteiligung der Befragten ein. Der Fokus liegt auf den Browserinformationen von Laptops und Desktops, den mobilen Nachrichtenkonsum über Smartphones berücksichtigten die Autoren nicht.

"Als erste in diesem großen Umfang durchgeführte Tracking-Nutzungsstudie stellt die Untersuchung einen äußerst wichtigen Baustein dar, um die Reichweite und Nutzung von Online-Desinformation besser beurteilen zu können", lobt der Mannheimer Medien- und Kommunikationswissenschaftler Philipp Müller die Herangehensweise insgesamt aus hiesiger Sicht. Aus Deutschland und anderen europäischen Ländern gebe es dazu noch keine vergleichbaren Erkenntnisse zu dortigen Wahlkämpfen. Generell bestätige sich, dass "wie auch immer geartete Online-Kampagnen gesellschaftliche Stimmungen und Trends im Wahlverhalten zwar befördern und verstärken können, aber eher nicht aus sich heraus auslösen oder neu erschaffen".

"Politische Kampagnen sind kein Zaubertrank und eben schon gar nicht, wenn Sie über wenig vertrauenswürdige Seiten verbreitet werden", folgert auch die Münsteraner Medienpsychologin Lena Frischlich aus den Resultaten. Ähnlich wie bei Propaganda handele es sich bei der Wirkung stark verzerrender Inhalte um ein "Zusammenspiel aus Merkmalen der Nachricht und aus Empfänglichkeitsfaktoren des Publikums". Spannender sei aber die offen gebliebene Frage, "warum Wählende sich zu solchen Inhalten hingezogen fühlen" und was sie motiviere, ihre Lebenszeit damit zu verbringen sowie "wenig demokratische oder populistische Akteure zu wählen".

"Die Methode ist einwandfrei, umfassend beschrieben, auch in ihrer Abgrenzung zu bisherigen Studien in diesem Bereich", ergänzt der Stuttgarter Kommunikationsprofessor Klaus Kamps. "Die Autoren halten sich auch statistisch an das, was ihr Datensatz erlaubt." Natürlich seien bei einer so breit angelegten sozialwissenschaftlichen Analyse Einschränkungen zu machen, was die Verfasser aber penibel darlegten. Die Strategie, die "Nicht-Wählerschaft" so oder so zu bearbeiten, gehöre zum Wahlkampf der USA dazu. Hier könnten gezielt gestreute Falschmeldungen zumindest "für einen geringen Prozentsatz durchaus Wirkungen" haben. Eine andere Untersuchung hatte zuvor verdeutlicht, dass die wiederholt dokumentierte Meinungsmache der russischen Agentstvo Internet-Issledovanija im US-Wahlkampf weniger erfolgreich war als oft angenommen. (olb)