TTIP 2.0: Grünes Licht für EU-Gespräche über Handelsabkommen mit den USA
Die EU-Staaten haben der Kommission ein Mandat erteilt, mit den USA noch einmal über den Freihandel zu verhandeln. Die Ambitionen sind geringer als bei TTIP.
Die EU will nach den auf Eis gelegten Gesprächen über eine umfangreiche Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP) einen neuen Anlauf für ein Freihandelsabkommen mit den USA nehmen, dabei aber kleinere Brötchen backen. Der Ministerrat hat der EU-Kommission dazu am Montag den Weg geebnet, sodass förmliche Verhandlungen mit Washington über eine neue Übereinkunft aufgenommen werden können. Mit dem Beschluss erklären die Mitgliedsstaaten zugleich ihr einstiges Mandat für TTIP vom Juni 2013 für obsolet.
Die neuen Richtlinien für die Gespräche umfassen zwei mögliche Verträge mit den USA: Abgedeckt ist ein Handelsabkommen, das sich ausschließlich auf Industriegüter konzentriert. Agrarprodukte sollen diesmal ausdrücklich ausgenommen werden, um Auseinandersetzungen etwa über "Chlorhühnchen" keinen Raum mehr zu geben. Als weiterer Teil ist eine "Konformitätsbewertung" vorgesehen. Sie soll es Unternehmen leichter machen nachzuweisen, dass ihre Produkte die technischen Anforderungen auf beiden Seiten des Atlantiks erfüllen und von Zöllen befreit sind.
TTIP 2.0 im Dialog
Die Kommission sicherte zu, im Einklang mit den von den EU-Regierungen vereinbarten Richtlinien die potenziellen "wirtschaftlichen, ökologischen und sozialen Auswirkungen" des angestrebten Abkommens zu prüfen. Dabei werde sie "die Verpflichtungen der EU in internationalen Abkommen einschließlich des Pariser Abkommens über den Klimawandel berücksichtigen".
Um breite Proteste wie bei TTIP zu verhindern, will die Kommission die Folgenabschätzung sowie den Verhandlungsprozess selbst diesmal "im regelmäßigen Dialog mit dem Europäischen Parlament, den Mitgliedstaaten, der Zivilgesellschaft und allen relevanten Interessengruppen" im Einklang mit den eigenen Transparenzversprechen durchführen. Derzeit laufe etwa bereits eine öffentliche Konsultation zur "freiwilligen regulatorischen Zusammenarbeit". Kritiker befürchten, dass über dieses Instrument Konzerne etwa bei Gesetzesänderungen mitreden dürften.
Das Mandat stellt zudem sicher, dass die EU keine Übereinkunft abschließen wird, solange die aktuellen Zusatzabgaben auf Exporte von Stahl und Aluminium in Kraft sind. Die Gespräche sollen zudem unverzüglich einseitig aufgekündigt werden können, falls US-Präsident Donald Trump Ernst machen und hohe Strafzölle auf deutsche und europäische Autos verhängen würde.
Vorteile für alle
"Wir möchten eine Win-Win-Situation, die sowohl für die EU als auch für die USA Vorteile bringt", unterstrich Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker. Zölle auf Industrieerzeugnisse sollten drastisch sinken, was zu einer zusätzlichen Erhöhung der EU- und US-Exporte um 26 Milliarden Euro führen könnte. "Besonders im Zeitalter der Globalisierung und Digitalisierung würde ein Freihandelsabkommen zwischen EU und USA Handelsbarrieren abbauen und Investitionen und Beschäftigung auf beiden Seiten fördern", hieß es bei der American Chamber of Commerce in Deutschland (AmCham). Bisherige Spannungen könnten aufgelöst, eine weitere Eskalation verhindert werden.
"Die USA sollten ihre Drohgebärden aufgeben", forderte der Bundesverband der deutschen Industrie (BDI). Europa müsse die Gespräche selbstbewusst und aktiv anpacken. "Die EU-Regierungen setzen sich über sämtliche Kritik an den von der EU-Kommission vorgeschlagenen Mandaten für Verhandlungen zum transatlantischen Handel hinweg", monierte der Industrieexperte der Grünen im EU-Parlament, Reinhard Bütikofer. Es dürfe "keinen Deal zu Lasten der Umwelt und von europäischen Standards" geben. (olb)