VR-Rummelplatz-Attraktion im Test: Dr. Archibald hat die falschen Pilze gegessen
Die Rummelplatz-Attraktion Dr. Archibald kombiniert Geisterbahn mit VR. Wie gut das funktioniert, haben wir auf dem SchĂĽtzenfest Hannover ausprobiert.
800 Quadratmeter ist die Fassade der Rummelplatzattraktion "Dr. Archibald - Master of Time" laut Eigenwerbung groß – und sie sieht ziemlich beeindruckend aus. Man weiß gar nicht, wo man zuerst hingucken soll, überall blinkt und wackelt es, Flammen schießen aus dem Dach, eine Animatronic-Schlange erzählt irgendwas von wilden Abenteuern. Um die erste "mobile Virtual-Reality-Jahrmarkt-Attraktion" der Welt soll es sich handeln – wir haben den ungewöhnlichen Mix aus VR-Kino und Geisterbahn auf dem hannoverschen Schützenfest ausprobiert.
Im ersten Leben Mammut-Höhle
Tatsächlich war Dr. Archibald in seinem ersten Leben eine ganz klassische Geisterbahn: Gebaut wurde die Attraktion 1971 und hieß erst "Mammut-Höhle", zwischendurch "Geister-Tempel" und wurde dann 2017 von der Schneverdinger Schaustellerfirma Greier zum VR-Ride umgebaut.
Wie viel Liebe zum Detail in der Attraktion steckt, merkt man schon, wenn man sich für sieben Euro ein Ticket gekauft hat: Die schwere Fahrtmünze sieht nicht nur edel aus, sondern auch schick steampunkig. In einem aufwendig gestalteten "Pre-Ride"-Raum bekommt man schließlich die Vorgeschichte erzählt, die wir zwar aufgrund ihrer starker Konfusität nicht wiedergeben können, aber zumindest beschreiben: Eine lebensgroße Animatronic-Puppe (Dr. Archibald himself?) berichtet lautstark über Zeitreisen und eine böse Eule, gegenüber erzählt ein leerer Bildschirm irgendeine andere Geschichte. Zeit darüber nachzudenken, ob das so soll, haben wir nicht, denn schon werden wir in eine Zweisitzer-Gondel gebeten und bekommen ein VR-Headset aufgesetzt. Dabei handelt es sich um eine Oculus Rift, die laut eines Hinweisschilds nach jeder Fahrt desinfiziert wird.
Kein volles VR-Positionstracking mit der Oculus Rift
Direkt nach dem Aufsetzen merkt der VR-Veteran: Obwohl die Rift volles Positionstracking beherrscht (6DOF), wertet Dr. Archibald lediglich Kopfdrehung- und Neigung in drei Bewegungsachsen (3DOF) aus. Nach einigen Kurven und Berg- und Talfahrten merkt man jedoch schnell: Das reicht, um Spaß zu machen. Vor allem den bei VR-Achterbahnen beliebte Effekt, in der VR-Ansicht zuerst Schienen darzustellen – und diese dann abrupt zu verlassen, beherrscht Dr. Archibald sehr gut. Leider funktioniert die Synchronisation zwischen realer und virtueller Fahrt- beziehungsweise Flugrichtung nicht immer korrekt; manchmal widerspricht sich das was man sieht mit dem was man fühlt.
Unsere Reiseroute führt uns zuerst in eine Steinzeit-Steampunk-Welt mit Dinosauriern, danach durch Cyberpunk-Großstadtschluchten mit Raumschiffen und danach durch irgendwas mit Pilzen – und dann ist der Spaß auch schon vorbei, überraschend abrupt; ein klares Ende gibt es nicht, die Fahrt hört einfach auf. Ein aufwendig kostümierter Angestellter wünscht uns beim Aussteigen aus der Gondel einen schönen Tag. Danach dürfen wir noch einen ulkigen Irrgarten durchwandern, der mit Dekopilzen, Kunstnebel und Lasershow eher an eine Goa-Party erinnert als ein Schützenfest-Fahrgeschäft.
Lohnen sich die 7 Euro?
Dr. Archibald ist zweifellos eine der ungewöhnlichsten Jahrmarkt-Attraktionen, die wir jemals gesehen haben. Die Gestaltung des ganzen Drumherums ist nahezu auf Disneyland-Niveau – toll! Die VR-Fahrt selbst hat aber noch Verbesserungspotenzial: Mit vollem Positionstracking und vor allem mit besserer Synchronisation zwischen Gondel und Software würde das Ganze noch viel mehr Spaß machen. Überhaupt die Software: Man hat das Gefühl, dass in die Gestaltung der virtuellen Welten bei weitem nicht so viel Herzblut geflossen ist wie in die anfassbaren Teilen des Fahrgeschäfts. Dennoch: Sieben Euro haben wir auf Jahrmärkten schon deutlich dümmer investiert.
- "Dr. Archibald - Master of Time" ist noch bis zum 7. Juli auf dem SchĂĽtzenfest Hannover zu Gast, vom 27. Juli bis 26. August auf dem Hamburger Sommerdom, vom 28. September bis 7. Oktober beim Kramermarkt Oldenburg und vom 19. Oktober bis 4. November beim Bremer Freimarkt.
(jkj)