Volksreferendum: Niederlande stimmt ĂĽber Schleppnetzdatenfahndung ab
Kommunikationsdaten aller Bürger sollen in den Niederlanden drei Jahre verdachtsunabhängig von Geheimdiensten gespeichert und ausgewertet werden. Die Niederländer haben die Möglichkeit, "Nee" zu sagen und das Gesetz in der bisherigen Form zu stoppen.
Nach dem Anfang des Jahres in den Niederlanden nominell geltenden Gesetzes Wet voor inlichtingen- en veiligheidsdiensten (WIV) können die staatlichen Geheimdienste zur Aufrechterhaltung der inneren Sicherheit anfallende kabelgebundene Kommunikationsdaten aller Bürger kopieren und drei Jahre lang speichern und auswerten. Gegen diese verdachtsunabhängige Datenspeicherung und damit mögliche "Schleppnetzdatenfahndung" wird am 21. März beim WIV-Referendum parallel mit den niederländischen Kommunalwahlen abgestimmt. Dabei handelt es sich um ein konsultatives Referendum, das Neuverhandlungen erfordert, falls 30 Prozent der Wahlbeteiligten sich gegen das Schleppnetz-Gesetz aussprechen.
Im Vorfeld dieser Entscheidung melden sich Wissenschaftler auf einem Symposium zu Wort und diskutieren, wie Geheimdienste und der demokratische Staat zusammenpassen. Dazu hat der wissenschaftliche Dienst des Justizministeriums verschiedene Beiträge veröffentlicht, die in englischen Zusammenfassungen verfügbar sind.
Nominell gilt seit Januar 2018 das Mitte 2017 beschlossene, sehr weit gehende Geheimdienstgesetz WIV. Es gestattet den beiden niederländischen Geheimdiensten AIVD und MIVD den Mitschnitt und die Speicherung der kabelgebundenen Kommunikation aller Bürger mit einer anschließenden Speicherfrist von drei Jahren, um beispielsweise terroristische Bestrebungen enttarnen zu können. Außerdem wurde der WIV-Vorläufer aus dem Jahr 2002 angepasst und auf die Glasfaserkabel-Kommunikation ausgeweitet.
Von der BĂĽrgerinitiative zum Referendum
Gegen das neue Sicherheitsgesetz organisierten Amsterdamer Studenten eine Bürgerinitiative. Sie kritisieren neben der langen Dauer der Speicherung, dass die Daten verdachtsunabhängig und nicht zielgerichtet erfasst werden. Die Behörden würden damit eine Art Schleppnetz auswerfen, mit denen sämtliche Daten eingefangen werden, um danach mögliche relevante Daten herauszufiltern. Somit werden auch Kommunikationsdaten von unbescholtenen Bürgern auf Verdacht gespeichert. Die Bürgerinitiative nahm rasant an Fahrt auf, sodass für ein Referendum die benötigten 300.0000 Unterschriften gesammelt werden konnten. Vorschub erhielt die Initiative, als die niederländische Variante der "heute show" namens Zondag met Lubach über das Gesetz berichtete.
Im Verbund mit den anstehenden Kommunalwahlen wird nun am 21. März darüber abgestimmt, ob das Gesetz in dieser Form von den Niederländern mitgetragen wird oder ob Reformationsbedarf besteht. Dieses Referendum wird von zahlreichen Publikationen begleitet. Nur wenn die Wahlbeteiligung über 30 Prozent liegt und sich gegen das Gesetz richtet, ist die (inzwischen neu besetzte) Regierung gezwungen, das Gesetz zu ändern. Ansonsten kann es ohne Änderung fortbestehen und die Arbeit der Geheimdienste legitimieren.
Aus deutscher Perspektive ist interessant, dass auch in den Niederlanden die Veröffentlichungen der "Snowden-Files" ein Argument sind, sich gegen die Speichertätigkeit der Geheimdienste zu wehren. Gleichzeitig glauben die niederländischen Experten in dem 160 Seiten starken Dossier des wissenschaftlichen Dienstes, dass parlamentarische Kontrollen ausreichen, die Geheimdienste in ihren Grenzen zu halten. Ein Artikel meldet jedoch Zweifel an, ob die gesetzlich mögliche Sammlung von Metadaten nicht tief in die Privatsphäre der Bürger eingreift. (olb)