Vorkehrung gegen Atomunfall: Jodtabletten für bis zu drei Millionen Haushalte

Aus Sorge vor einem Atomunfall in einem Kernkraftwerk hat das Land NRW zusätzliche Jodtabletten bestellt. Im Ernstfall sollen bis zu drei Millionen Haushalte mit den Tabletten versorgt werden.

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Jodtabletten für bis zu drei Millionen Haushalte

(Bild: Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit)

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Von
  • dpa

Das Land Nordrhein-Westfalen will bei einem Atomunfall bis zu drei Millionen Haushalte mit Jodtabletten versorgen. Dafür wurden zusätzlich zu den bereits eingelagerten neun Millionen weitere 21 Millionen Tabletten geordert. Mit der Aufstockung des Vorrats reagiert das Land auch auf die Diskussion um die Sicherheit des belgischen Atomreaktors Tihange.

Die zusätzlich bestellten Jodtabletten seien in den Regierungsbezirken Köln und Arnsberg bereits ausgeliefert, sagte ein Sprecher des Düsseldorfer Innenministeriums. Auch die Regierungsbezirke Düsseldorf, Münster und Detmold sollen bis Weihnachten versorgt sein.

Das Land behalte sich vor, die Kosten von vermutlich 800.000 Euro vom eigentlich zuständigen Bund zurückzufordern, sagte der Sprecher. Nach Auskunft des Sprechers werden die Tabletten nur im Notfall ausgegeben. Sie sollen dezentral in den Landkreisen gelagert werden. Dies geschehe vermutlich größtenteils in Krankenhaus-Apotheken, die dafür ausgestattet seien.

Bei einem Atomunfall würden die Tabletten dann verteilt, sagte der Sprecher. Im Umkreis von 100 Kilometern um einen Unglücksreaktor würden die Tabletten an alle Menschen unter 45 Jahren ausgegeben, außerhalb dieses Radius nur an schwangere und stillende Frauen, sowie an Kinder und Jugendliche.

Im 65 Kilometer Luftlinie vom Atomkraftwerk Tihange entfernten Aachen bereiten sich Feuerwehr und Katastrophenschutz darauf vor, die Tabletten bei einem atomaren Unglück schnell verteilen zu können. "Wir sind für den Ernstfall mit mehr als 600.000 Tabletten gut ausgestattet. Sie sind in der Apotheke des Uniklinikums eingelagert", sagte Stadtsprecher Bernd Büttgens.

Mit der Einnahme der Tabletten werde im Fall eines Atomunfalls eine Jodblockade aufgebaut, erläuterte der Sprecher des Innenministeriums. Radioaktives Jod kann bei einem Atomunfall neben anderem Stoffen freigesetzt werden und in die Atmosphäre gelangen, sodass es über die Atemluft aufgenommen wird. Die Schilddrüse nimmt Jod grundsätzlich im Rahmen ihrer physiologischen Funktion auf, kann aber giftiges, weil radioaktives Jod nicht von natürlich vorkommendem Jod unterscheiden.

Physikalisch unterscheidet man natürlich vorkommendes Jod mit einem Atomgewicht von 127 Einheiten (Jod127) von diversen instabilen Jod-Isotopen mit anderen Atomgewichten (z. B. Jod131), die unterschiedlich schnell zerfallen und dabei zum Beispiel Beta-Strahlen aussenden. Schilddrüsengewebe, das radioaktives Jod aufnimmt, ist den Elektronen des Beta-Zerfalls von innen ausgesetzt. Die Zellen sterben entweder ab oder mutieren. Sättigt man die Schilddrüse rechtzeitig mit Jod127, kann sie kaum noch weiteres Jod aufnehmen, also auch nicht radioaktives.

Die Verteilung der Tabletten solle dezentral organisiert werden. Es könne beispielsweise sein, dass pro berechtigtem Haushalt in bekannten Wahllokalen oder in Schulen je ein Blister der Tabletten ausgegeben werde. (dz)