Wir gingen, wie wir kamen -- zum 80. Geburtstag von Michael Blumenthal

Der amerikanische Manager, US-Finanzminister unter Carter und heutige Leiter des Jüdischen Museums in Berlin sorgte in der Computerbranche für Aufsehen, als er die mäßig erfolgreichen Computerfirmen Sperry und Burroughs zu Unisys zusammenführte.

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Von
  • Detlef Borchers

Vor 80 Jahren wurde W. Michael Blumenthal in Oranienburg geboren. Der amerikanische Manager sorgte in der Computerbranche 1986 für großes Aufsehen, als er in einem Kraftakt die mäßig erfolgreichen Computerfirmen Sperry und Burroughs zusammenführte, um so gegen die übermächtige IBM bestehen zu können. Dabei ließ er seine Angestellten über den Namen der neuen Firma abstimmen: Es siegte Unisys, kein Akronym, aber von den Unix-Servern von Sperry und den CTOS-Systemen von Burroughs abgeleitet. Der von Blumenthal eingeleitete Merger war seinerzeit der größte in der Computerbranche, aber nur mäßig erfolgreich, weil aus den sehr unterschiedlichen Rechnern keine einheitliche Linie entwickelt wurde. Erst mit der Orientierung auf Multiprozessor-Systeme unter Unix und Windows NT ging es mit Unisys in den 90er Jahren wieder bergauf.

Heute ist Unisys für Blumenthal nur eine Episode. Als Sohn des wohlhabenden Juden Ewald Blumenthal bei Berlin geboren, musste er mit seiner Familie 1939 fliehen, nachdem sein Vater sechs Wochen lang in Buchenwald interniert war und dort schwer misshandelt wurde. Die Familie ließ sich in Shanghai nieder. 1947 gelang Michael Blumenthal die Einwanderung in die USA, deren Bürger er 1952 wurde. Er studierte Wirtschaftswissenschaften und unterrichtete das Fach als Professor in Princeton. In den 60er Jahren ging Blumenthal in die Politik und wurde US-Botschafter unter Kennedy sowie wirtschaftspolitischer Berater der US-Präsidenten Kennedy und Johnson. Aus der Politik wechselte er 1967 in die Firmenleitung von Bendix, nur um nach dem Merger mit Raytheon wieder in die Politik zurückzukehren. Unter Präsident Jimmy Carter war Blumenthal von 1977 bis 1979 Wirtschaftsminister, ehe er die Leitung des Computerkonzerns Burroughs übernahm.

Nach der Gründung von Unisys als Partner einer Investment-Bank tätig, begann sich Blumenthal mit seiner Familiengeschichte zu beschäftigen, insbesondere mit Rahel Varnhagen von Ense, eine der ersten in seiner Familie, die sich für die deutsch-jüdische Assimilierung einsetzte. Seine historischen Studien mündeten in dem Buch "Die unsichtbare Mauer", das mit dem bitteren Fazit endet: "Wir gingen, wie wir kamen. Arme Juden, ohne Land".

Das 1998 erschienene Buch führte dazu, dass Blumenthal wieder nach Deutschland kam. Er wurde zum Leiter des Jüdischen Museums berufen, das er selbstbewusst zum größten jüdischen Museums Europas ausbaute. Geplant war eine kleine Schaustätte für höchstens 300 Besucher am Tag. Heute kommen bis zu 2000 Besucher täglich in das wohl erfolgreichste deutsche Museum, das "die abgründige Blödheit des deutschen Antisemitismus" (Michael Blumenthal) vermittelt. (Detlef Borchers) / (jk)