Zahlen, bitte! 8800 und der Beginn der Heimcomputer-Revolution
Vor 45 Jahren erschien die Popular Electronics mit einem (leeren) Computergehäuse auf dem Titelbild. Das Zeitalter der Microcomputer begann.
Als Popular Electronics den Altair 8800 in einer Artikelserie vorstellte, war der Rechner weder der erste, den Hobby-Elektroniker kaufen konnten, noch der erste Computer mit einem 8080-Prozessor von Intel. Er war aber sensationell billig: Die Firma MITS bot ihren Rechner als Bausatz fĂĽr 397 Dollar an. Der Preis fĂĽr einen Intel 8080 lag damals bei 360 Dollar.
Eine Flut von Bestellungen ĂĽberraschte die Firma, die Bauteile fĂĽr 200 Exemplare eingekauft hatte. Ein enthusiastischer Hobby-Bastler schickte einen Scheck ĂĽber 4000 Dollar und wollte "ein StĂĽck von jedem": In der Popular Electronic wurde der Altair als ein Computer mit zahlreichen Erweiterungskarten vorgestellt, die nur in der Phantasie der Autoren existierten.
Die Mikroelektronik-Revolution
Der Altair kam genau zur richtigen Zeit, als die propagierte Mikroelektronik-Revolution und die Funktionsweise von Computern von den Lesern der Radio-Bastelzeitschrift Popular Electronics verstanden wurden. Die mehrteilige Titelstory über den Altair lobte seine mannigfaltigen Einsatzmöglichkeiten, "die wir uns jetzt noch gar nicht vorstellen können".
Die den Artikel lesenden Hobby-Bastler waren die Pioniere der Computer-Revolution. "Sie machten das Geschäft überhaupt erst möglich", erklärte der unlängst verstorbene Chuck Peddle im Interview, "sie kauften Computer, als sie noch gar nicht funktionierten und es keine Software für sie gab. Sie schufen so einen Markt und dann setzten sie sich hin und schrieben diese Programme, die wiederum andere Leute anlockten." Es gab sogar Leute wie Steve Ballmer und Bill Gates, die gar keinen Altair kauften, sondern ihr BASIC für den Altair mit Hilfe eines Emulators entwickelten. Diese Arbeit bildete den Grundstein des Erfolges von Micro-Soft.
Einsatzmöglichkeiten? Nun ja ...
Die Idee zum Altair hatte der Chef von MITS, der Elektroingenieur Ed Roberts mit Leslie Salomon, dem Hardware-Redakteur von Popular Electronics entwickelt. Die Zeitschrift wollte unbedingt einen modernen Computerbausatz beschreiben, der einem zuvor von der Konkurrenz Radio Electronics veröffentlichten überlegen sein sollte. Aus diesem Grund geriet die Beschreibung aller möglicher Steckkarten wie einer Uhr oder einem TV-Interface sowie einer Karte zum Anschluss einer Digitalkamera etwas "optimistisch".
Michael Shrayer erinnerte sich: "Ich schickte meine 397 Dollar ab. Nach vielen Telefonaten wurde der Computer endlich geliefert. Es dauerte ewig. Dann erhielt ich einen großen, fast leeren Karton mit einer CPU-Karte und 256 Byte RAM. Kein Terminal, keine Tastatur, nicht. Um irgendetwas mit dem Ding zu machen, konnte ich mit den Schaltern kleinere Programme erstellen. Eine Menge Peripheriegeräte waren uns versprochen aber nicht geliefert worden." Schrayers erstes Programm war eines mit Blinkenlichten: Der Computer ließ seine Lämpchen in einer zufälligen Reihenfolge blinken, die der Mensch mit den Schaltern exakt nachspielen musste. Später schrieb Shrayer mit Electric Pencil, eines der ersten Textverarbeitungsprogramme.
Befreiendes Potenzial
Das Handbuch zum Altair schrieb der spätere IT-Journalist David Bunnell, dessen Weihnachtsansprache zum befreienden Potenzial des PC von 1987 in einem "Was war. Was wird." veröffentlicht wurde. Bunnell war es, der als Name für den Bausatz-Rechner "Little Brother" vorschlug, als Gegenstück zu Großcomputern, die in einem Überwachungsstaat den Big Brother abgeben würden, der alles kontrolliert. Leslie Salomon fand den Namen nicht markttauglich und fragte seine Tochter, wie der Computer in Star Trek (Raumschiff Enterprise) heißt. Der wurde allerdings immer nur Computer genannt.
"Warum nennt ihr ihn nicht Altair? Da fliegt die Enterprise heute Abend hin." Salomon brachte die Titelgeschichte an den Rand des Nervenzusammenbruches. Der Rechner sollte in einem Fotostudio fotografiert werden, doch der Paketdienst verbummelte den einzigen bis dahin gebauten Prototyp. In aller Eile flog Ed Roberts mit einem Leergehäuse nach New York, das dann in Szene gesetzt wurde.
Das Ende vom Anfang
Der spätere Computerspiel-Designer Steve Dompier war der begeisterte Enthusiast, der einen Scheck über 4000 Dollar an MITS nach Albuquerque geschickt hatte. Als er nichts von seiner Bestellung hörte, flog er los, nahm sich einen Mietwagen und suchte nach einem großen Gebäude mit gepflegtem Rasen, in dem er die Firma MITS vermutet. Er fand nur eine kleine Klitsche mit einer Handvoll Mitarbeiter, die sich neben einem Waschsalon in einem Einkaufscenter ein paar Räume gemietet hatte.
Nachdem er sich ein paar Bauteile genommen und die Hälfte seines Geldes bekommen hatte, flog er zurück nach Kalifornien und berichtete im Homebrew Computer Club von seiner Reise. Die Hobby-Bastler hörten, dass MITS mit einer Schlange von 4000 Bestellungen kämpfte, diese aber erfüllen werde. Das erleichterte Ausatmen war hörbar, so Dompier in seinen Erinnerungen. Fast jeder dieser frühen Geeks hatte die 397 Dollar zusammengekratzt und wartete auf seinen Altair 8800. (jk)