Zahlen, bitte! Mit der 1575 durch die Jahrhunderte navigieren
Die Zahl 1575 spannt einen weiten Bogen vom heutigen Jahrestag der Landung von Christoph Kolumbus 1493 auf Santa Cruz ĂĽber den Universalgelehrten Galileo bis zur heutigen gleichnamigen Satellitennavigation.
Als Christoph Kolumbus am 14. November 1493 seinen Fuß auf die das Karibikinselchen Santa Cruz (Saint Croix, Jungferninseln) setzte, war das nicht gerade eine navigatorische Meisterleistung. Es war Zufall, dass die Wellen ihn bei seiner zweiten Atlantikquerung ausgerechnet dort auf den Strand spuckten. Schließlich wähnte man an dieser Stelle noch immer die Gewürzinseln Asiens.
Lange Zeit übers offene Meer zu segeln war gewagt, bislang hangelte man sich lieber an den Küsten entlang von Ort zu Ort. Geradezu unverschämtes Glück war es, für den Rückweg nach Spanien auch noch auf damals unbekannte Meeresströmungen Richtung Heimat zu treffen.
Insgesamt war Navigation zu jener Zeit eher eine Mischung aus halb blindem Gottvertrauen und bedingt tauglichen Hilfsmitteln. Klar schien nur zu sein, dass man die Erde ganz umsegeln könnte. Dass die Kirchen gelehrt haben sollen, die Erde sei eine Scheibe, gehört zu den Legenden, die Forscher längst ausgeräumt haben. Dennoch war die Kugelidee noch so lange umstritten, bis Magellan und Drake die Welt umsegeln konnten.
Galileo und die Uhrzeit
1575, also mitten in Drakes Weltumsegelung wurde Michelangelo Galileo geboren. Er war der Bruder des berühmten Universalgelehrten und Astronomen Galileo Galilei. Jener löste - zumindest theoretisch – ein nagendes Problem der Navigation.
Der Kompass, seit dem 13. Jahrhundert vermehrt auch unter europäischen Seeleuten in Gebrauch, verriet nur die ungefähre Fahrtrichtung, aber nicht die Position. Dafür braucht man eine präzise Bestimmung des Breiten- und Längengrades. Ersteres konnte man durch die Winkelbestimmung von Sternen schon lange recht gut eingrenzen. Nicht so den Längengrad, denn dazu fehlte auf See eine genau gehende Uhr.
Galileo entwickelte zum Bestimmen der Uhrzeit zwei Methoden: Das Beobachten von Verfinsterungen bei vier Jupitermonden (die auch heute noch beliebt bei Forschern sind) ist eine Methode, doch - für die Navigation in langen Schlechtwetterperioden praktischer – erdachte Gallileo eine Pendeluhr. Galileo starb, bevor er die Uhr bauen konnte. Das sie funktioniert hätte, bewies erst sein Sohn im Jahre 1648, der sie ein Jahr später vorstellte.
Möglicherweise deshalb – die Natur spielt manchmal seltsame Spiele – bildet die Kombination der Zahlen 1648 und 1575 in der Mathematik ein sogenanntes quasibefreundetes Zahlenpaar, also eines bei denen die Summe ihrer Teiler (ohne die Zahl selbst und 1) jeweils der anderen Zahl entspricht (OEIS A005276). Mehr zu Zahlenfreunden und befreundeten Zahlen lesen Sie im "merkwürdigen 6-Leben natürlicher Zahlen" aus der Rubrik "Zahlen, bitte!".
Die optimale Frequenz
Aber die Zahl 1575 taucht noch einmal auf und wieder in Sachen Navigation: Auf 1575 Megahertz senden nämlich beinahe alle Navigationssatelliten (außer Beidou aus China) Signale, mit deren Hilfe alltägliche Geräte wie Smartphones und Navis mühelos ihre Position bestimmen können. Was hätten Kolumbus, Magellan und Drake um solche Wunderkistchen gegeben!
Das sogenannte L1-Signal wurde mit Bedacht gewählt, denn es liegt in einem Bereich, bei dem die Wellenausbreitung verhältnismäßig wenig von den Vorgängen in der wetterbildenden Schicht beeinflusst wird und in dem auch ionosphärische Effekte noch verkraftbar sind. Außerdem sind Fehler durch falsche Laufzeitberechnungen des Satellitensignals beim Übergang vom Weltraum in die luftgefüllte Atmosphäre in diesem Frequenzbereich kalkulierbar. Kommt hinzu, dass rund um die 1575 Megahertz noch genug Platz war, um das 1,023 Megahertz breite Funksignal unterzubringen. Als die US-Firma Ligado dort ebenfalls senden wollte, biss sie vor Gerichten mehrfach auf Granit – so wertvoll ist diese Frequenz.
Die vorteilhafte Funkwellenausbreitung auf 1575,42 Megahertz und andere Randbedingungen gelten vollkommen überraschend für Satelliten aus allen Ländern. Daher kamen vernünftige Leute auf die Idee, dass es für alle von Vorteil sein könnte, wenn man diese Frequenz gemeinsam verwendet. Auch die neue Generation der russischen Glonass-Satelliten tut dies ab 2018 und hat dafür ihr Signalkonzept grundlegend geändert. Glonass stellt um vom Frequenzmultiplexverfahren (Signale mit gleichem Code auf mehreren Frequenzen) um auf das auch von GPS und anderen benutzte Codemultiplexverfahren (unterschiedliche Codes auf einer Frequenz).
Ziel ist dann, dass ein Navi am Boden zum Ermitteln einer Position nur irgendwelche vier Navigationssatelliten empfangen muss, aber nicht mehr zwingend vier eines Betreibers. Aktuell tut das beispielsweise der Broadcom-Chip BCM4774. Das bringt besonders dann Vorteile, wenn man nur wenig sichtbaren Himmel hat, etwa in engen Häuserschluchten. Leider ist man bei der gemeinsamen Verwendung weiterer von Navigationssatelliten benutzter Frequenzen nicht so weit. Vielleicht dauert es noch 1575 Tage, bis sie das geschafft haben. (mil)