Zum Tode von Wilfried de Beauclair: Die Natur macht keine SprĂĽnge

Wie erst jetzt bekannt wurde, ist der Computerpionier Wilfried de Beauclair in der vergangenen Woche im Alter von 108 Jahren gestorben.

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Zum Tode von Wilfried de Beauclair: Die Natur macht keine SprĂĽnge

Wilfried de Beauclair kurz vor seinem Ruhestand (1975).

(Bild: Privat)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Detlef Borchers
Inhaltsverzeichnis

Der Informatiker Wilfried de Beauclair ist am 22. April im Alter kurz nach seinem 108. Geburtstag an den Folgen eines schweren Sturzes gestorben. Der Computerpionier der ersten Stunde war mit Konrad Zuse befreundet und hat sich um die Geschichte der Rechentechnik verdient gemacht. In seinem 1968 erschienenen Prachtband "Rechnen mit Maschinen" stellt er all die Rechenanlagen in Ost und West vor, die unsere Welt gehörig umkrempelten.

Als die Gratulationen zu seinem 105. Geburtstag eintrafen, verwies er mit Stolz darauf, mit 104 Jahren noch ein Buch über die ihm sehr wichtigen analogen Rechengeräte geschrieben zu haben, das Werk über die Mathematik ohne Ziffern. Es sollte ein Hinweis auf die alte Erkenntnis sein, dass die Natur keine Sprünge macht, sondern analog verläuft – und analog berechnet werden kann.

Der Chronist der Rechner und Rechenmaschinen Wilfried de Beauclair wurde am 4. April 1912 in der Landkommune vom Monte Verità in der Schweiz geboren. Beide Eltern waren Maler, die aus Darmstadt in die Schweiz gezogen waren, um ihren Traum vom Frieden, von Licht und Schönheit zu verwirklichen. Seine Mutter Friederike zog mit ihren beiden Kindern Wilfried und Gotthard zurück nach Darmstadt.

Nach der Schulzeit nahm de Beauclair ein Studium im Allgemeinen Maschinenbau in Darmstadt auf und gelangte 1930 an das Institut fĂĽr praktische Mathematik (IPM) von Alwin Walther. Dieses Institut arbeitete mit der Raketenversuchsanstalt PeenemĂĽnde zusammen und berechnete unter anderem Raketenflugbahnen, weshalb es ab 1942 als Wehrwirtschaftsbetrieb eingestuft wurde.

Im IPM war de Beauclair für die technische Wartung der Rechengeräte zuständig, die in ungeheizten Hallen standen und von Programmiererinnen bedient wurden. Diese fanden nach den Erinnerungen von de Beauclair bald heraus, dass sich die Maschinen stark erhitzten, wenn sie durch 0 dividieren mussten. Das wurde fortan zum Heizen der Arbeitsplätze benutzt.

De Beauclair konnte noch 1945 promovieren, geriet aber dann in französische Kriegsgefangenschaft und laborierte bis 1954 an einer Tuberkulose. Schließlich arbeitete er ab 1954 im sogenannten "Informatikwerk" von Mix & Genest als Laborleiter an der Entwicklung des Elektronenrechners ER 56 von der neu umbenannten Firma Standard Elektrik Lorenz (SEL) mit.

Er sollte SEL nach einem erfolgreichen Rechner-Einsatz des SEL Informatik-Systems bei Quelle in der sich entwickelnden Computerbranche nach vorne bringen. Daraus wurde nichts und so ging de Beauclair zur Deutschen Bundespost, wo er an Systemen fĂĽr das Scannen und automatische Buchen von Postschecks arbeitete.

1976 ging Wilfried de Beauclair in den Ruhestand, in dem er unverdrossen Daten und Informationen zu Rechnern und Rechengeräten sammelte. Vielleicht ist sein Tod ein Anstoß, sein letztes Buch über die analogen Rechengeräte ähnlich wie den opulenten Band zu den Rechenanlagen mit Abbildungen zu erweitern. Schließlich sind es die rechnenden Räume, von denen heute die große Vereinheitlichung erwartet wird.

In seinem letzten Werk schrieb de Beauclair 2016:

"Analogrechner, auch hybride, haben im Allgemeinen demgegenüber ab etwa 1970 keine Chance mehr; es ist in der Rechentechnik wie auch sonst eine fast restlose Abkehr von der analogen Gesamtschau hin zum Rasterpunkt-Denken zu verzeichnen. Die Entwicklung wird aber weiter zur Vernetzung von sehr vielen Mini-Prozessoren zu einem 'rechnenden Raum' führen, wie ihn Konrad Zuse, der Computer-Pionier, schon 1969 erträumte. Dieser aber ist ja schließlich wieder ein Analogon der physischen Erscheinungen." (vbr)