Zunehmende Beschwerden über mangelnden Datenschutz in Bayern

Das Bayerische Landesamt für Datenschutzaufsicht, das die Wirtschaft kontrolliert, hat zwischen 2006 und 2010 rund 80 Prozent mehr Eingaben von Bürgern und Unternehmen erhalten. Die Sensibilität für das Thema sei deutlich gestiegen.

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Das Bayerische Landesamt für Datenschutzaufsicht, das für die Wirtschaft zuständig ist, hat zwischen 2006 und 2010 rund 80 Prozent mehr Eingaben von Bürgern und Unternehmen erhalten. Vor fünf Jahren waren bei der Ansbacher Behörde 1805 Beschwerden oder Anfragen eingegangen, diese Zahl sei im vergangenen Jahr auf 3256 gestiegen, erklärte Amtsleiter Thomas Kranig zur Präsentation seines Tätigkeitsberichts (PDF-Datei) für die Jahre 2009 und 2010 am Montag in München. Dies verdeutliche eine "deutlich gestiegene Sensibilität" für die Sicherung der Privatsphäre. Das sei auch im Zusammenhang mit den Datenschutzskandalen der vergangenen Jahre etwa bei der Deutschen Telekom und der Bahn, bei Lidl sowie in Call-Centern zu sehen.

Die Behörde listet auf gut 100 Seiten Datenschutzverstöße im nicht-öffentlichen Bereich auf. Sie rügt etwa die Videoüberwachung des Küchenpersonals in einer Gaststätte sowie eine Firma, die eine Absage nach einem Bewerbungsverfahren nicht nur dem betroffenen Kandidaten per E-Mail schickte, sondern in Kopie auch an andere Jobinteressenten. Insgesamt leitete das Amt im Berichtszeitraum 22 Verfahren wegen Ordnungswidrigkeiten zur Ahndung "nachhaltiger datenschutzrechtlicher Verstöße" mit Bußgeldern ein und stellte zwei Strafanträge.

Als größte Herausforderung sieht Kranig das Internet, für das die Behörde mit zuständig ist. Schon in der aktuellen Beschwerdestatistik stehe der Umgang mit personenbezogenen Informationen im Netz an erster Stelle. Künftig dürfte es wohl kaum einen Lebensbereich mehr geben, in dem im Internet nicht Daten über die Surfer erhoben, verarbeitet und verwendet würden, meint der Amtschef. Inhaltlich gebe es dabei noch einige offene Fragen. So bestehe etwa Klärungsbedarf bei der datenschutzrechtlichen Beurteilung von IP-Adressen oder verschiedenen technischen Sendemerkmalen von Funknetzen.

Auch neue Dienstleistungen, bei denen eine Lokalisierung von Nutzern stattfinde, seien problematisch, heißt es in dem Bericht, auch etwa die Verbindung von Hausansichten mit Koordinaten auf der Weltkugel durch Google Street View, die Erhebung der Aufenthaltsorte von Smartphone-Nutzern oder auch Bewegungsprofile von Fahrzeugen, die durch die Auswertung von GPS-Daten von Navigationsgeräten ermöglicht werde. Die bestehenden Gesetze gäben oft nur sehr allgemeine Anhaltspunkte.

Aufgepasst werden müsse auch auf soziale Netzwerke. Vor allem, wenn jemand personenbezogene Daten anderer, also Texte, Bilder oder Filme mit und über Dritte ins Netz stelle, müsse für deren Datenschutzrechte gesorgt werden. Auch sei es datenschutzrechtlich eine Herausforderung, wenn IT-Prozesse in die Cloud abwanderten.

Der bayerische Innenminister Joachim Herrmann ermahnte die Bürger, "im Datenverkehr" mindestens genauso viel Vorsicht walten zu lassen wie im Straßenverkehr. Man müsse immer hinterfragen, wenn persönliche Informationen im Internet preisgegeben werden, betonte der CSU-Politiker. Bayern setze sich über den Bundesrat auf EU-Ebene für die Modernisierung des Datenschutzrechts ein. Die Behörde soll laut Herrmann künftig unabhängig sein, wie es die europäischen Vorgaben verlangen. So werde es etwa eine direkte Weisungsbefugnis des Ministers nicht mehr geben. Die Staatsregierung habe die Aufsichtsbehörde bei der Regierung von Mittelfranken 2009 zu einem eigenen Landesamt ausgebaut und personell deutlich verstärkt. Heute stünden zwölf Mitarbeiter für Kontroll- und Beratungstätigkeiten zur Verfügung. (anw)