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ALM-Prognosen #1: Open-Source-Tools gewinnen weiterhin Marktanteile

Mik Kersten

Obwohl Application Lifecyle Management oftmals mit umständlichen Workflows in der Softwareentwicklung in Verbindung gebracht wird, sind gerade die Open-Source-Werkzeuge in dem Feld ein gutes Beispiel für Veränderungen hin zu leichteren Methoden und einfacheren Tools.

Obwohl Application Lifecyle Management oftmals mit umständlichen Workflows in der Entwicklung von Unternehmenssoftware in Verbindung gebracht wird, sind gerade Open-Source-Werkzeuge im Bereich ALM ein gutes Beispiel für Veränderungen hin zu leichteren Methoden und einfacheren, auf die Entwickler abgestimmten Tools.

Der Einfluss von Open Source auf die Softwareentwicklung wird häufig anhand der Verbreitung von Bibliotheken und Frameworks gemessen. Mittlerweile ist es schwer vorstellbar, eine moderne Webanwendung ohne Open-Source-Komponenten zu entwickeln. Ein ähnlicher Trend ist nun im Bereich Application Lifecycle Management (ALM) erkennbar.

ALM-Werkzeuge kommen über den gesamten Zeitraum der Anwendungsentwicklung zum Einsatz. Grundsätzlich zeichnen diese Tools Tasks und Veränderungen auf. Sie helfen beim Verwalten der Builds und Releases beziehungsweise unterstützen den Dialog zwischen Entwicklung und Betriebsseite. Diese entwicklungsspezifische Untermenge von ALM wird auch als Application Development Management (ADM) bezeichnet [1]. Darüber hinaus gibt es Tools für das Projekt- und Produktmanagement, und große Firmen führen noch Tools für das Programm- und Projektportfolio-Management (PPM) in ihrem ALM-Stack.

Die Kombination aus Ressourceneinschränkungen, der Präferenz für den Einsatz von Open-Source-Techniken und dem Wunsch von Entwicklern nach besseren Werkzeugen führte im ALM-Bereich in den letzten zehn Jahren zu einer großen Menge Open-Source-Tools, die vor allem den Bereich des Application Development Management tangieren. Schön zu beobachten ist das in der Eclipse-Entwicklung, die komplett mit Open-Source-Tools wie Bugzilla, CVS, Git, Hudson, MediaWiki und Mylyn verwaltet wird. Die über 1900 Teilnehmer der Eclipse-Community-Umfrage von 2010 [2] geben einen guten Überblick über die Verbreitung der Open-Source-Werkzeuge, die inzwischen in der Entwicklung kommerzieller Software zum Tragen kommt.

Ein erkennbares Muster ist, dass die grundlegendenden ALM-Tools in der Summe erstmals Marktführer in den drei wichtigsten ADM-Kategorien Aufgabensteuerung (Tasks), Versionierung und Build sind (siehe Abb. 1). Obgleich Befragungen dieser Art immer dahingehend verzerrt sind, welche Entwickler sie beantworten, ist das Ergebnis trotzdem richtungweisend für den Wechsel der Praktiken in der Anwendungsentwicklung. Die Voraussage des Autors für 2012 ist daher, dass sich dieser Trend weiter fortsetzen wird und Open-Source-Tools auch in die ALM-Stacks eher konservativer Firmen Einzug halten werden.

Marktanteil von Open-Source-ALM-Tools in der Eclipse-Community (Abb. 1)

(Bild: Tasktop)

Der Reiz an ALM auf Basis von Open-Source-Werkzeugen liegt nicht nur im Preis, sondern auch im hohen Grad an Innovation. Das Ökosystem an Erweiterungen rund um beliebte Open-Source-Projekte ist ein wichtiger Faktor für die Einführung von Open-Source-Software. In diesem Ökosystem stößt man auf mehr wichtige Integrationen und innovative Erweiterungen, da sich Open Source als ein effektiver Mechanismus für das Wachstum einer Community herausgestellt hat. Durch die Möglichkeit, auch fremde Projekte zu erweitern, entsteht dieser hohe Grad an Integration, da die Projekte sich gegenseitig befruchten können. Ein konkretes Beispiel hierfür ist die Zusammenarbeit zwischen dem Hudson- und Mylyn-Team bei Eclipse. Das Team hinter der Hudson-Integration von Mylyn [3] hat einige Patches eingereicht, um die APIs rund um Hudson zu erweitern und um eine bessere Integration zu ermöglichen.

Zudem neigen Organisationen mit großen Applikations- und Produktlebenszyklen vermehrt dazu, Open-Source-Tools einzusetzen. Denn die damit einhergehenden Lizenzen geben ihnen die Sicherheit, dass sie noch in zehn Jahren auf ihre Wissensbasis, repräsentiert durch ihren Issue Tracker, zugreifen und diesen erweitern können, auch wenn die Landschaft der ALM-Anbieter sich im Vergleich zur Gegenwart stark verändert haben sollte.

Open-Source-Tools orientieren sich an bewährten Prinzipien der Entwickler. Transparenz kommt hier etwa vor der Hierarchie, da sich jeder Task und Bug von nahezu jedem editieren lassen muss. Man baut auf einer asynchronen Zusammenarbeit auf und setzt Task- und Issue Tracker voraus, um die Diskussionen festzuhalten, die für Änderungen in der Software relevant sind.

Bei einem mit Open-Source-Werkzeugen betriebenen ALM fehlen aber einige Dinge, oder sie haben eine geringere Priorität. So wird die Erreichbarkeit für die Entwickler-Community oftmals höher bewertet als die Planung, und nach dem langsamen Abebben der Entwicklung des XPlanner ist eine Lücke bei den Projektmanagement-Funktionen zu verzeichnen. Es gibt zudem keinen integrierten Open-Source-ALM-Stack, stattdessen verbinden die Open-Source-Projekte ihren "Best-of-Breed"-Ansatz und packen Anpassungen oben drauf. Schließlich ist die Integration mit Produkt-, Projekt- und Portfoliomanagement-Tools typischerweise nicht vorhanden, da es sich dabei um etwas handelt, das selbst große Open-Source-Projekte nicht benötigen.

Werte von Enterprise- und Open-Source-Entwicklung (Abb. 2)

(Bild: Tasktop)


Obwohl Entwickler weiterhin glücklich mit ihren zunehmend besseren Open-Source-Tools arbeiten werden, stellt das Ungleichgewicht mit den umfangreichen kommerziellen ALM-Suites eine große Anforderung für Organisationen dar, die viele ALM-Funktionen kostenlos zu bekommen wünschen [4]. Sie haben die Diskrepanz zwischen den kulturellen Aspekten von Open-Source-Tools und den Anforderungen des Unternehmens zu überbrücken.

Agile und Lean-Entwicklung können diese kulturellen Unterschiede teilweise beseitigen, müssen aber noch ein beträchtliches Stück Weg hinter sich bringen, um das im Open-Source-Umfeld Gelernte zu integrieren. Die Lücke im Toolset ist so groß, dass Firmen, die bereits Open-Source-Tools im Unternehmen verwenden, teilweise ihr eigenes ALM-Tools-Team bilden mussten. Diese Teams kümmern sich um die Authentifizierung und Zugriffskontrolle im gesamten Unternehmen, stellen die Integration der ALM-Tools von Drittanbietern sicher und sorgen für Funktionen wie das Verknüpfen von PPM-Tools.

Aufgrund des Tempos, mit dem sich Open-Source-ALM-Tools verändern, hat das Team eine bereits verlorene Schlacht zu schlagen, was, obgleich unwirtschaftlich, allerdings notwendig ist. Große Firmen, die es nicht schaffen, eingesetzte Open-Source-Tools in ihre ALM- und PPM-Infrastruktur zu integrieren, werden sehen, dass sie viel weniger genaue Vorhersagen über ihren Entwicklungsprozess machen können und dass ihr Prozess auf das Zusammenspiel zwischen Entwicklung und Planungstools angewiesen ist.

Doch es gibt Hoffnung. Die Geschwindigkeit erfolgreicher Open-Source-Projekte, neue Funktionen zu liefern, zeigt, wie gut diese Tools sind, um exzellente Software zu liefern, die sowohl den Bedürfnissen der Community als auch der Kunden entgegenkommt. Die Kehrseite ist, dass ALM-Tools, die Punkte für die Vorhersagbarkeit über Veröffentlichung und die längerfristige Planung mit einbeziehen, für das Gedeihen und Florieren eines Unternehmens essenziell sind. Diese beiden Welten sind in Zusammenhang zu bringen, besonders da immer mehr agile Teams sich an der Kreuzung zwischen Open-Source- und Enterprise-ALM befinden.

Ein Softwareentwickler von einem der weltweit größten Softwareunternehmen bestätigte dem Autor, dass dieselben Entwickler, die mit Open-Source-Produkten arbeiten, nun doppelt so produktiv wären wie in Closed-Source-Projekten. Das ist erst einmal gut. Es ist jedoch an der Zeit, auch den Softwareplanungsprozess mit einer neuen Generation Open-Source-ALM-Tools anzureichern, um Lean Development und Continuous Delivery zu unterstützen. Diese sind mit den bestehenden Planungs- und Management-Werkzeugen zu verknüpfen, um die Vorteile der Open-Source-Entwicklung in das eigene Unternehmen zu bringen.

Mik Kersten
ist CEO von Tasktop Technologies sowie Schöpfer und Leiter von Eclipse Mylyn. Mylyns Task-fokusierte Benutzeroberfläche war Teil seiner Doktorarbeit an der Universität von British Columbia.

(ane [5])


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https://www.heise.de/-1413029

Links in diesem Artikel:
[1] http://www.forrester.com/rb/search/results.jsp?N=71706
[2] https://www.heise.de/news/Umfrage-Eclipse-Entwickler-sind-zufrieden-mit-ihrer-IDE-1016667.html
[3] http://www.eclipse.org/mylyn/new/#hudson
[4] http://tasktop.com/blog/eclipse/tips-on-paying-for-free-software
[5] mailto:ane@heise.de