UMTS und seine Nachfolger

Hinter den Kürzeln B3G, 4G und Super-3G verbergen sich Forschungsaktivitäten zur Weiterentwicklung der heutigen Mobilfunksysteme. Das Winner-Projekt soll für die Integration unterschiedlicher Übertragungstechniken zu einem universellen Funksystem sorgen.

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Von
  • Richard Sietmann

B3G, 4G, Super-3G – hinter solchen Kürzeln verbergen sich weltweite Forschungsaktivitäten zur Weiterentwicklung der heutigen Mobilfunksysteme. Künftig sollen in Hotspots Datenraten von bis zu 1 Gbit/s und im Fernbereich von bis zu 100 Mbit/s zur Verfügung stehen.

Die vier Mobilfunk-Netzbetreiber Vodafone D2, T-Mobile, E-Plus und O2 Germany investierten im vergangenen Jahr mehr als zwei Milliarden Euro in den Ausbau der UMTS-Infrastruktur. Mit den bereits installierten 60.000 Basisstationen wird die in den Lizenzverträgen bis Ende 2005 geforderte UMTS-Funkversorgung von 50 Prozent der Bevölkerung inzwischen weit übertroffen. Doch trotz dieser Vorleistungen ist die erhoffte Marktresonanz bislang ausgeblieben; unter den 74 Millionen Mobilfunkkunden in Deutschland nutzt weniger als ein Prozent UMTS. Jetzt richtet die Branche ihre Hoffnungen auf das Weihnachtsgeschäft.

Beim breitbandigen Funkzugang zum Internet ist UMTS aber nicht alleine: Zu GPRS und öffentlichen WLAN-Hotspots gesellt sich demnächst noch Wimax, von Intel schon in der Entwicklungsphase mit großem Aufwand vermarktet, und die Multimedia-Bedürfnisse der meisten Kunden stellt möglicherweise demnächst das Handy-TV zufrieden, um das gegenwärtig die beiden Systeme DMB und DVB-H konkurrieren [1].

"Der Trend wird in Richtung von noch mehr Vielfalt gehen", meint Professor Bernhard Walke von der RWTH Aachen, einer der führenden Mobilfunk-Experten hierzulande und Tagungsleiter der PIMRC 2005 Mitte September in Berlin. Dieses internationale Treffen der Mobilfunkentwickler, mittlerweile das 16. IEEE-Symposium rund um das Thema "Personal Indoor and Mobile Radio Communications", fand zum ersten Mal in Deutschland statt. Die Diskussionen kreisten dort vor allem um die Systeme der nächsten Generation, "Beyond 3G" (B3G) oder 4G genannt, die frühestens zum Ende des Jahrzehnts auf dem Markt erscheinen werden. Bis dahin rechnet die Industrie mit weltweit drei statt heute zwei Milliarden Mobilfunk-Teilnehmern und allein für die Netzausrüster mit einem Marktvolumen von 64 Milliarden Euro.

Heiß umkämpfter Markt

"Die Sättigung ist noch nicht eingetreten", konstatiert Walter Konhäuser von Siemens, "aber der Konkurrenzkampf ist größer geworden" - mit kräftiger Unterstützung durch staatliche Industriepolitik. In Japan arbeiten das "mobile IT Forum" (mITF) sowie das National Institute of Communication Technology (NICT) an der Entwicklung und Standardisierung von 4G-Systemen; das NICT hat dazu das New Generation Mobile Network Project gestartet. In Korea koordiniert das New Generation Mobile Committee (NGMC) gemeinsam mit dem Forschungsinstitut ETRI die Entwicklungen. Die Koreaner können sich auf eine breite Plattform von "3,5G" genannten Systemen stützen, die sich gerade in der Markteinführung befinden; dazu gehören der Wimax-Abkömmling WiBro (Wireless Broadband) sowie das als Konvergenz von Rundfunk und Mobilfunk propagierte Digital Multimedia Broadcasting (DMB), das mit einer terrestrischen und einer Satelliten-gestützten Variante (T-DMB bzw. S-DMB) eine Weiterentwicklung des europäischen Digital Audio Broadcasting (DAB) darstellt.

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WINNER soll die mit der Vielfalt verfügbarer Funknetze steigenden Anforderungen an Multimode-fähige Terminals bewältigen.Vergrößern

Die chinesische Regierung lancierte unlängst das Forschungsprojekt FuTURE (Future Technologies for Universal Radio Environment), das sich auf neue Funkübertragungstechniken konzentriert. In den USA fördert die Defense Advanced Research Project Agency (DARPA) im "NeXt Generation Communications Program" (XG) Untersuchungen zur Mehrfachnutzung des Spektrums und zu Techniken der dynamischen Frequenzzuweisung. Auch die Fülle der Standardisierungsaktivitäten in den IEEE 802.xx-Gruppen ist kaum noch überschaubar: 802.11-Reihe für WLAN-Anwendungen, 802.15 für Nahbereichsfunk, 802.16 für Wimax, 802.20 für zellularen Mobilfunk und 802.21 für die Interoperabilität dieser Systeme. In Europa schließlich findet ein großer Teil der Forschung und Entwicklung unter dem Dach des 6. Forschungsrahmenprogramms der EU in zahlreichen Projekten des "Information Society Technology"-Programms (IST) statt, wie beispielsweise 4MORE, DAIDALOS, MAGNET, PULSERS und WINNER.

Auch das Third Generation Partnership Project (3GPP), die weltweit zuständige Standardisierungsgruppe hinter UMTS, steuert einiges zur Vielfalt bei. Demnächst werden der als "3,5G" angekündigte High Speed Downlink Packet Access (HSDPA) mit mittleren Download-Geschwindigkeiten von 4 bis 5 Mbit/s und der Enhanced Uplink Channel (EUCH, auch HSUPA genannt) mit 1 bis 1,5 Mbit/s für mehr Breitbandkapazität sorgen. Und unter dem Kürzel LTE für "Long Term Evolution" arbeitet 3GPP schon an deutlich höheren Datenraten, die das Äußerste an Übertragungsleistung aus den vorhandenen UMTS-Frequenzen herausholen. Ende letzten Jahres initiierte das Industriekonsortium Untersuchungen zu Funkschnittstellen, die Datenraten bis zu 100 Mbit/s unterstützen können. Irgendwann nach 2009 steht UMTS dann ein Generationswechsel bevor, bei dem die leistungsfähigere OFDM-Vielträger-Übertragung anstelle der derzeit verwendeten WCDMA-Spreizbandtechnik zum Einsatz kommen wird.

The WINNER is...

Unter den vielen auf der PIMRC vorgestellten Arbeiten nimmt die "Wireless World Initiative New Radio" (WINNER) eine gewisse Schlüsselstellung ein, weil es auf die Integration unterschiedlicher Übertragungstechniken zu einem universellen Funksystem zielt (www.ist-winner.org). Dazu stehen im WINNER-Projekt Untersuchungen zur Koexistenz von Funksystemen im selben Frequenzband auf der Agenda, um das vorhandene Spektrum besser auszunutzen, sowie die Entwicklung einer "Chamäleon-Schnittstelle", die die Interoperabilität der Handys mit den verfügbaren Funknetzen gewährleistet.

An dem auf sechs Jahre angelegten Vorhaben sind unter der Federführung von Siemens mehr als 40 Partner beteiligt. Darunter befinden sich neben der ETH Zürich, der TU Dresden und der RWTH Aachen praktisch alle großen Hersteller von Mobilfunk-Systemtechnik wie etwa Alcatel, Ericsson, Nokia, IBM, Philips und die europäischen Töchter von Lucent, Motorola und NTT DoCoMo. Künftig sollen den mobilen Terminals im Nahbereich von Hotspots Datenraten von bis zu 1 Gbit/s und im Fernbereich der größeren Mobilfunkzellen bis zu 100 Mbit/s zur Verfügung stehen.

Aus den anvisierten hohen Übertragungsraten folgen unmittelbar die Anforderungen an die Bandbreite der Radioträger, die die Datenpakete über die Funkschnittstelle transportieren müssen: Im Fernbereich sind mindestens 20 MHz breite, im Nahbereich 100 MHz breite Funkkanäle gefordert. Die ersten Weichenstellungen in Bezug auf die für 4G-Systeme benötigten Frequenzressourcen sollen auf der nächsten Welt-Funkverwaltungskonferenz "WRC 2007" durch die ITU-R erfolgen. Voraussichtlich wird es sich dabei um einen Frequenzbereich zwischen 2 und 6 GHz handeln. (anm)

Literatur
[1] Handy-TV: T-DMB als Marktöffner für DVB-H, www.heise.de/newsticker/meldung/64425