Kinderleicht lernen für alle

Das Projekt "One Laptop Per Child" (OLPC) existiert, verteilt bereits Laptops an interessierte Regierungen und peilt noch für dieses Jahr die millionenfache Auslieferung an.

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Von
  • Dr. Jürgen Rink

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Die Geschichte von einem, der einen außergewöhnlichen Laptop an Millionen von Kindern verschenken will, klingt nach einer Hollywood-Schnulze. Doch das Projekt "One Laptop Per Child" (OLPC) existiert, verteilt bereits Laptops an interessierte Regierungen und peilt noch für dieses Jahr die millionenfache Auslieferung an.

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Ursprünglich hieß er 100-Dollar-Laptop, jetzt hört er auf den Namen XO, und als solcher fand er den Weg in die c't-Redaktion. Den XO-Laptop hat die gemeinnützige Organisation One Laptop Per Child (OLPC) entwickelt, die auf eine Initiative von Nicholas Negroponte zurückgeht. XO ist nicht einfach nur ein Billigst-Laptop, sondern Teil eines umfassenden Bildungsprojekts. Negroponte, Mitbegründer des MIT Media Lab in Cambridge, USA, startete One Laptop Per Child zusammen mit weiteren Media-Lab-Mitarbeitern im Juli 2005.

Hinter OLPC steht die Überzeugung, dass durch Wissensvermittlung und Ausbildung von Schulkindern in Entwicklungs- und Schwellenländern die Welt ein Stück weit gerechter und friedlicher wird. Der XO-Laptop dient mit seinen Kommunikationsmöglichkeiten und Inhalten als Mittel für dieses Ziel. OLPC plant dabei im ganz großen Maßstab und strebt die millionenfache Produktion von XO-Geräten an. In zwei Jahren soll die Jahresproduktion bei etwa 100 Millionen liegen, was die derzeitige Weltjahresproduktion aller Notebooks übertreffen würde.

Die Organisation entwickelt Hard- und Software des XO und hält die Fäden für die Herstellung und den Verkauf in der Hand. Sie hat mit dem weltgrößten Notebook-Hersteller Quanta bereits einen Vertrag über den Bau des Laptops in der Tasche. Quanta wird den XO in seinem Werk in der ostchinesischen Stadt Changshu fertigen. Die erste Charge von 875 Prototypen (Code-Name BTest-1) ging Ende letzten Jahres an die Entwickler, von der zweiten Prototyp-Version mit Namen BTest-2 lieferte Quanta im Februar eine Stückzahl im vierstelligen Bereich. Noch dieses Jahr soll die erste Million XO-Laptops serienreif vom Band laufen, aber bis dahin haben die Entwickler noch einige Arbeit vor sich, wie die Fehlerliste von BTest-2 verdeutlicht (wiki.laptop.org/go/BTest-2_Release_Notes).

OLPC will den Laptop ausschließlich an Regierungen verkaufen, weder Privatpersonen noch Fachhändler bekommen ihn. Der XO-Verkauf über herkömmliche Vertriebskanäle könnte zwar Geld in die Kassen spülen – auch ein Spendenaufschlag auf den XO wäre denkbar -, aber das würde die Kapazitäten der kleinen OLPC-Gruppe übersteigen, die ganz ohne Marketing-Team auskommt.

Ein umfassendes Sicherheitskonzept sowie die Zusammenarbeit mit UN-Stellen sollen dafür sorgen, dass der XO nach der Lieferung an Regierungsstellen nicht in falsche oder korrupte Hände fällt. Auch die Hardware-Auswahl soll den Diebstahl von vornherein unattraktiv machen. Diese Maßnahmen sollen einen Graumarkt verhindern, wenn die Welt mit Millionen von XO-Laptops bereichert wird.

UN und Spenden helfen

Derzeit liegen Bestellzusagen von Argentinien, Brasilien, Libyen und Nigeria über insgesamt knapp vier Millionen Laptops vor. Um die Jahreswende haben auch Ruanda und Uruguay ihre Teilnahme am Projekt angekündigt, aber noch keine Zahlen genannt. Nur Libyen hat bislang ein Abkommen unterzeichnet, in dem sich das Land zur Ausstattung jedes der 1,2 Millionen Schulkinder verpflichtet. Was die Absichtserklärungen wert sind, wird sich zeigen, wenn der Laptop die Serienreife erreicht hat, denn erst dann will OLPC Kaufverträge abschließen.

Der Startschuss für die Produktion fällt, wenn Regierungen insgesamt fünf bis zehn Millionen Stück bestellt haben, gibt OLPC als Messlatte vor. Um diese zu erreichen, trommelt der OLPC-Vorsitzende Negroponte laut auf der politischen Bühne: Im Januar 2005 hat er auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos die Organisation OLPC angekündigt und im November 2005 anlässlich des Weltgipfels der Informationsgesellschaft (WSIS) in Tunesien den Laptop zusammen mit Kofi Annan, dem damaligen UN-Generalsekretär präsentiert.

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Der XO-Laptop orientiert sich an Kinderhänden, deshalb überragen herkömmliche Notebooks ihn deutlich; die beiden Ohren oben schützen die Ports und beherbergen WLAN-Antennen. Der Display-Deckel ist drehbar für Lese- und Mal-Aktionen. Vergrößern

Nicht nur das Händeschütteln auf höchster politischer Ebene soll die Ausweitung des Projekts auf viele Länder ermöglichen, sondern auch ein Abkommen, das Negroponte und Kemal Dervis, Chef des UN Development Program (UNDP), auf dem Weltwirtschaftsforum 2006 unterzeichnet haben. Darin verspricht UNDP, mit seinen 166 Niederlassungen in fast allen Nationen das OLPC-Projekt vom ersten Kontakt mit dem Bildungsminister bis zur Logistik zu unterstützen.

Ein derart großes Projekt bedarf einer soliden Finanzierung. Das Startkapital stammt von den Sponsoren AMD, Brightstar, Google, Marvell, News Corporation, SES Global und Red Hat. Im Mai 2006 kamen Nortel Networks und eBay dazu. Negroponte konnte von den Sponsoren bis Februar 2006 schon 20 Millionen Dollar einsammeln – ohne das charismatische Auftreten und die glänzenden Kontakte des OLPC-Chefs wäre das wohl undenkbar. Von den Geldern deckt OLPC nicht nur alle Kosten, sondern auch die Entwicklung des Laptops. OLPC besteht aus nur zehn Hauptmitgliedern und acht Beratern, darunter Alan Kay und CTO Mary Lou Jepsen.

Schon wegen der schieren Dimension ist das Projekt für die Großen der Branche interessant. Außerdem ist der große Maßstab unerlässlich, um die Kosten für den XO zu drücken. Die Unternehmen unterstützen OLPC, wirtschaften aber mit der Produktion des XO in die eigene Tasche. Quanta verdient an der Endfertigung, Red Hat am Fedora-Linux, CMO am Display. Marvell will die WLAN-Hardware mit Gewinn verkaufen, von Google stammen Karten und eBay kommt mit Skype und PayPal ins Spiel. In Libyen will SES Astra ein Satellitensystem aufbauen.

Für die erste Runde von fünf bis zehn Millionen XO-Laptops geht die aktuelle Kalkulation von einem Verkaufspreis von 150 US-Dollar aus – ein 100-Dollar-Laptop wird der XO also vorerst nicht. Etwa 140 US-Dollar kostet der Laptop, die größten Posten bilden Display und CPU inklusive Chipsatz mit jeweils knapp 30 US-Dollar. Zehn US-Dollar bleiben als Marge für Quanta und Co übrig. OLPC sorgt nach der Fertigstellung dafür, dass die Laptops zu den Regierungen kommen. Um die Logistik vor Ort müssen sich die beteiligten Regierungsstellen und eventuell UNDP kümmern.

Da auch abgespeckte x86-Notebooks zu viel kosten und bestehende Betriebssysteme nicht für Kinder taugen, kommt übliche AMD/Intel-Hardware ebenso wenig in Frage wie aktuelle Betriebssysteme mit ihren Bedienoberflächen. Also musste etwas völlig Neues her. Solchermaßen von aller Kompatibilität mit Hard- und Software entbunden, konnte OLPC einen XO entwickeln, der jede Menge Innovationen enthält.

Ein ganz neuer Laptop

Das Display ist sensationell, der avisierte Stromverbrauch rekordverdächtig und die Bedienung grundlegend anders und im Idealfall spielerisch zu lernen. Auch an einen mechanischen Generator denkt OLPC, denn mancherorts ist Strom ein Luxusgut. c't stand ein Prototyp der ersten Charge für einen Vorabtest zur Verfügung.

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Die Hauptplatine des XO steckt hinter dem Panel im Displaydeckel. Vergrößern

Das Aussehen stammt ursprünglich vom Design-Haus Design Continuum, für die jetzt vorgestellten Prototypen hat Fuseproject die Gestaltung übernommen. Der XO misst einige Zentimeter weniger als 12-Zoll-Subnotebooks und wiegt mit Akku etwa ein Kilogramm. Weil im Deckel hinter dem Display das Mainboard steckt, fällt der Gehäuseteil mit der Tastatur sehr dünn aus – ideal also für Kinderhände. Auch die Tastatur richtet sich mit ihrem 13,3-mm-Tastenraster am Zielpublikum aus – Notebook-Tasten für Erwachsene liegen im 19-mm-Raster.

Der Unterbau ragt hinter dem Display hinaus und endet in einem stabilen Griff. Im aufgeklappten Zustand verhindert der Griff das wegen des vergleichsweise schweren Deckels drohende Kippen des Laptops. Dem zugeklappten Gerät sollen Staub und Spritzwasser nichts ausmachen. Die mit zwei Millimetern recht dicke Gehäusehülle trägt zur Stabilität bei.

Herzstück des Mainboards ist ein Geode-GX2-500-Prozessor mit 366 MHz und einem 32 KByte kleinen Cache. Die x86-kompatible CPU sieht man sonst hauptsächlich in Embedded-Hardware. Sie integriert bereits Grafikchip und Northbridge, aber die Southbridge AMD CS5536 ist ein eigener Chip mit USB-2.0-, Sound und IDE-Anbindung und einer Datenanbindung von 32 MHz. Dem System steht ein eigener Speicher-Controller zur Seite, weil der im Geode-System den Entwicklern zu langsam war.

Die Rechenleistung liegt zwar weit unter der aktueller Notebooks, aber der Geode GX2-500 nimmt maximal etwa 3,5 W auf, der Chipsatz weniger als 1 W – Geode-Systeme sind eben auf einen besonders niedrigen Stromverbrauch hin optimiert. Da mit diesen Werten sowohl Lüfter als auch Kühler entfallen, passt das Board in den Display-Deckel. 128 MByte DDR266-DRAM dienen als Hauptspeicher. Der XO hat keine Festplatte, sondern kann Daten nur auf 512 MByte NAND-Flash-Speicher ablegen. Da auch ein optisches Laufwerk fehlt, hat der XO keine beweglichen Teile im Gehäuse. Für Erweiterungen stehen USB-Slots und ein SD-Card-Slot zur Verfügung.

Daten können per WLAN auf einem Schul-Rechner abgelegt werden. Für einen Preis von 100 US-Dollar plant OLPC einen solchen Server mit 330 GByte Speicherplatz. Doch bislang ist von ihm noch nichts zu sehen. Nur wenige Schulkinder wohnen in der Nähe der Schule, die meisten eher in Nachbarschaft anderer Kinder. Für die drahtlose Verknüpfung der OLPCs per WLAN haben sich die Entwickler deshalb einen Kniff ausgedacht. Die WLAN-Chips arbeiten untereinander als sogenanntes Mesh (vermaschtes Netz), in dem jeder Laptop Daten für andere weiterleitet. Das reduziert die Infrastruktur: Im Minimalfall genügt eine einzige WLAN-Basisstation, um alle Schüler ans Internet zu bringen.

Einzelne XOs halten als Mesh Point Portal mit einer WLAN-Basisstation Kontakt, die den Internet-Zugang bereitstellt. Parallel leiten sie Daten an die anderen Mesh Points weiter. Das Ganze funktioniert mit ein und derselben WLAN-Schnittstelle. Der OLPC-Laptop gilt dabei als erste Implementierung nach dem für Mesh-Netzwerke entstehenden IEEE-Standard 802.11s [1].

Im XO sorgt der Anfang 2005 vorgestellte USB-WLAN-Chip 88W8388 von Marvell für die Vernetzung. Er enthält einen ARM-Prozessorkern nebst etwas RAM als Firmware-Speicher und funkt nach IEEE 802.11g. Dank seines ARM-Kerns kann der WLAN-Controller den Funkbetrieb auch dann aufrechterhalten, wenn der XO ausgeschaltet ist. Geschwindigkeitsrekorde sollte man von einem WLAN-Mesh nicht erwarten: Der typische Durchsatz über mehrere Knoten liegt mit ein bis zwei Megabit pro Sekunde im unteren DSL-Bereich. Doch das genügt für das Nachschlagen in Online-Enzyklopädien oder für die Kommunikation per E-Mail und Chat. Das Mesh dient vor allem auch zur Vernetzung der Kinder untereinander, ohne dass externe Verbindungen notwendig sind. Zusammen mit Skype oder Telepathy, der eingebauten Kamera und dem Mikrofon, ist der XO sogar videokonferenzfähig.


OLPC-Notebook XO – Spezifikation
XO (Prototyp BTest-1)
HerstellerQuanta Computers
TypSubnotebook mit drehbarem Deckel
BetriebssystemLinux (Fedora mit 2.6.19) mit Sugar-Oberfläche
SoftwareWebbrowser, Messaging, E-Book-Anzeige, VoIP, E-Mail-Client, Etoys, Audio/Video-Anzeigen
DisplayDualmode LCD
Größe15,2 cm × 11,3 cm, 7,5 Zoll
Auflösung Reflektiv-Mode1200 × 900 Pixel, 200 dpi (schwarzweiß)
Auflösung Transmissiv-Modeca. 800 × 600 Punkte, 134 dpi (Farbe)
Helligkeit / Kontrast (*1) / Blickbereich64 cd/m² / 82:1 (*1) / 33° (horizontal), 30° (vertikal)
BIOSLinuxBIOS Open Firmware (1 MByte Flash auf SPI-Chip)
ProzessorAMD Geode GX2-500 (366 MHz, 32 KByte Cache)
ChipsatzAMD CS5536 (Southbridge)
Arbeitsspeicher128 MByte DRAM
Speicher512 MByte SLC NAND-Flash
AudioAC'97: Analog Devices AD1888
Ports und Erweiterungen3 × USB 2.0, SD-Card-Slot, Audio out, Mikrofoneingang (mit AD-Modus), internes Mikrofon
Stromversorgungseingang2-Pin-DC, 10... 25 V, -23...-10 V
Touchpad / Touch-FlächeAlps (kapazitiv) / gesamte Gehäusebreite (resistiv)
Kamera640 × 480, max. 30 fps
WLANMarvell Libertas 88W8388 (802.11 b/g) (mit ARM-CPU, 96 KByte RAM)
Akku22,8 Wh NiMH (5 Zellen)
Laufzeit: mit / ohne Displaybeleuchtung2,6 h (*3) / 3,5 h (*3)
Größe23,0 cm × 24,5 cm × 3,2 cm
Gewicht Gerät / Akku1,07 kg / 0,35 kg
Preis (*2)150 US-$
*1 mit Display-Beleuchtung, ohne Umgebungslicht     *2 nicht im freien Verkauf, nur Massenauslieferung an Regierungen     *3 Akkulaufzeiten des BTest-2-Prototypen ohne optimiertes Power-Management

Wunder-Display

Das Aushängeschild des XO ist das Display. Es misst nur 7,5 Zoll und stammt von Chi Mei Optoelectronics (CMO). Das komplett neu entwickelte Panel zeigt sowohl unter praller Sonne als auch drinnen ein gut ablesbares Bild und übertrifft in dieser Hinsicht alle handelsüblichen Laptop-Displays. Das Panel hat zwei Betriebsarten. Hinter der Flüssigkristallschicht liegt eine Art Sieb, dessen breite Stege das Umgebungslicht reflektieren und streuen. Weil die Farbfilter dahinter liegen und für die Bilderzeugung daher keine Rolle spielen, blickt man bei hellem Umgebungslicht auf ein Schwarzweißbild (Betriebsart 1). Wegen der enormen Auflösung von 200 dpi (1200 × 900 Pixel) sieht Schrift gestochen scharf aus – auch hier müssen andere Notebook-Displays passen. Der BTest-1-Prototyp hat noch ein spiegelndes Display, der BTest-2 bereits ein mattes.

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Dual-Mode-Display im XO mit Mikroskop-Aufnahmen: Mit Umgebungslicht beleuchtet reflektieren die hellen Stege (links) das Licht – das Bild erscheint schwarzweiß. Nur mit der LED-Hintergrundbeleuchtung blickt man auf ein Farbbild (rechts). Vergrößern

Mit angeschalteter LED-Hintergrundbeleuchtung fällt Licht von hinten durch die Farbfilter und durch die Löcher des Verteilungssiebs. Dadurch entsteht ein Farbbild (Betriebsart 2). Jedes der 1200 × 900 Pixel ist dann entweder rot, grün oder blau. Da jeweils ein grünes, rotes und blaues Pixel zusammen einen Bildpunkt darstellen, liegt die Auflösung des Farbbilds nur bei umgerechnet etwa 800 × 600. Der Display-Controller DCON sorgt dabei für ein automatisches Antialiasing, um die Kanten zu glätten. Er frischt außerdem das Bild auch dann auf, wenn der Rest des Rechners im Ruhemodus ist. Die Helligkeit beträgt mit 64 cd/m² nur die Hälfte von durchschnittlichen Notebook-Panels und der Kontrast fällt mit 82:1 etwas flau aus. Doch im Dunklen reichts und im Hellen hilft das Umgebungslicht – je mehr es beiträgt, desto weniger erkennt man aber die Farben.

Einige Tasten stehen für unterschiedliche Display-Helligkeiten bereit. Der XO soll auch einen Backlight-Sensor bekommen, doch der Prototyp hatte noch keinen oder er funktionierte nicht. Unsere Messungen ermittelten für das Display eine Leistungsaufnahme von nur 1,5 W, später soll die Leistungsaufnahme bei nur einem Watt liegen. Auch dies ein Rekordwert, denn übliche Displays verbrauchen mindestens das Vierfache davon.

Ergonomie und Ports

Vor der Tastatur liegt ein kapazitives Touchpad, mittels dessen man wie gewohnt mit dem Finger den Cursor bewegt. Aber auch die gesamte Gehäusefläche links und rechts inklusive Touchpad dient zur Eingabe, denn darunter steckt eine resistiv arbeitende Schicht. Mit einem Eingabestift kann man darauf schreiben oder malen.

Der XO soll natürlich auch das Lesen fördern. Dafür lässt sich das Display drehen und mit der Anzeige nach oben auf die Tastatur klappen, ähnlich wie bei den als Convertibles bezeichneten Tablet PCs. Anders als diese hat der XO aber kein berührungsempfindliches Display. Verschiedene Tasten und ein Navigationsknopf im Display-Rand erlauben die Bedienung der Sugar genannten Bedienoberfläche aber auch ohne. Ob das Drehgelenk Kinderbehandlung verträgt, werden vielleicht die gerade begonnenen Feldtests zeigen. Es könnte sich als Schwachstelle erweisen. Einige der B2-Prototypen verschickte die Organisation bereits an einige Länder, darunter mehrere hundert XO für brasilianische Schulkinder. Auch in einer nigerianischen Testschule in Galadima bekamen die Kinder etwa hundert XOs in die Hände gedrückt. Die Tests laufen noch, Ergebnisse liegen bislang nicht vor.

Die Ports verstecken sich links und rechts am oberen Display-Rand hinter Klappen: Auf der rechten Seite zwei USB-Ports und links ein Audio-Port und ein weiterer USB-Anschluss. Der Audio-Port hat auch einen Modus, in dem er als Eingang mit A/D-Wandler dient, zum Beispiel für Bastelprojekte mit Photosensoren oder für Messgeräte. Die beiden Klappen schützen nicht nur die Ports, sondern sie dienen auch als WLAN-Antennen.

Stromsparen oder aufziehen

Ein Nickelmetallhydrid-Akku aus fünf Zellen speichert 22,8 Wh, etwa die Hälfte bis ein Drittel dessen, was normalerweise in Notebooks steckt. Lithiumionen-Akkus waren den Entwicklern bislang zu gefährlich, doch neue Lithium-Stromspeicher könnten vielleicht noch die Abkehr von NiMH mit ihrer hohen Selbstentladung zur Folge haben.

Negroponte gibt als Zielverbrauch des XO sehr optimistische zwei Watt an. Verglichen mit etwa zehn Watt für die genügsamsten Notebooks wäre das ein hervorragender Wert und die Laufzeit läge trotz der geringen Kapazität bei über zehn Stunden. Die Prototypen schaffen das bei weitem nicht, weil die Stromsparmöglichkeiten noch nicht funktionieren: Derzeit liegt die Laufzeit bei 2,5 Stunden mit und 3,5 Stunden ohne Display-Beleuchtung, das macht 9,1 respektive 6,5 Watt.

Eine niedrige Leistungsaufnahme ist für Gegenden ohne Stromnetz oder mit nur lokal verfügbarem Strom wichtig. Der Strombedarf muss so niedrig sein, dass die Akkuladung einen Großteil des Tages hält und dass eventuell ein Generator möglich ist – Stromerzeuger mit Muskelkraft sind nicht sehr leistungsfähig. Ursprünglich ragte dafür eine Kurbel aus dem XO-Gehäuse. Wegen der hohen mechanischen Belastung wurde diese Art der Stromerzeugung ersatzlos gestrichen. In der Diskussion steht derzeit eine Art Jojo: Ein Generator mit aufziehbarer Schnur soll in einer Minute genügend Strom liefern für zehn Minuten XO-Betrieb. Das System hat den Prototypenstatus aber noch nicht erreicht.

Software für die Bildung

Bedienoberfläche und Anwendungen orientieren sich am didaktischen Konzept, das auf Theorien vom konstruktiven Lernen von Seymour Papert und später Alan Kay zurückgeht. Auch Negropontes Ideen, die er in seinem Bestseller "Being Digital" dargelegt hat, fanden Eingang. Auf dem XO soll ausschließlich Open-Source-Software laufen. Eine Ausnahme musste OLPC aber zulassen: Die Firmware des WLAN-Controllers gibt es derzeit nur als Binär-Image. Davon abgesehen sollen die Schulkinder so weit wie möglich ihr System verändern können. Das geht nur mit offenliegendem Code.

Das BIOS ist ein LinuxBIOS mit OpenFirmware. LinuxBIOS steht unter GNU GPL, der Source Code ist also frei verfüg- und veränderbar. Auf den Rechnern läuft ein abgespecktes Fedora-Linux von Red Hat (Kernel 2.6.19), das eine speziell für OLPC entwickelte grafische Oberfläche namens Sugar enthält. Die Bedienoberfläche und die Anwendungen werden für die jeweilige Sprache und Schrift lokalisiert. Das gilt auch für die Tastenbeschriftung.

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Bedienoberfläche Sugar: Symbole unten am Rand führen zu den Anwendungen, der Kreis zeigt auf geöffnete Anwendungen und die Symbole oben verweisen auf Betriebsmodi (allein oder im Mesh-Netzwerk). Vergrößern

Nach dem Booten prangt in der Mitte von Sugar das X-förmige Logo des Projekts. Sobald man die Maus Richtung Bildschirmrand bewegt oder eine Sondertaste dafür drückt, erscheint ein breiter Rahmen mit diversen Symbolen. Oben links sieht man einen Kreis mit acht Punkten, der für die Gruppe aller Anwender steht, die gerade am Mesh-Netzwerk teilnehmen, ein Kreis mit drei Punkten symbolisiert einen individuell festgelegten Personenkreis, und mit einem Klick auf den Kreis mit nur einem Punkt entscheidet man sich fürs lokale Arbeiten mit den eigenen Anwendungen.

Unten links enthält die Sugar-Oberfläche Symbole zum Start der vorinstallierten Programme. BTest-1 enthält bereits Mozilla fürs Browsen, die Mal- und Experimentier-Umgebung EToys, AbiWord als Textverarbeitung, ein an das bekannte Memory angelehntes Spiel sowie TamTam zum Ausprobieren von Tönen, Melodien und Rhythmen [2]. Sobald man das Bild eines Musikinstruments anklickt, kann man die Tastatur wie die Tasten eines Klaviers dazu nutzen, um Töne zu erzeugen. Das nett gestaltete Musikprogramm liefert die Schlagzeugbegleitung zu den eigenen Kompositionen. Zukünftig sollen ein Flash-Player und ein Multimedia- und E-Book-Reader zum Software-Paket gehören.

Vermutlich wird der endgültige OLPC auch eine Variante der von Seymour Papert entwickelten Programmiersprache Logo enthalten. Jüngere Kinder, so das Konzept, könnten damit experimentieren und erste Programmiererfahrungen sammeln. Für etwas ältere Schüler eignet sich die EToys-Umgebung am besten, während für Jugendliche die Möglichkeit besteht, mit Python zu arbeiten.

Die EToys sind eng mit Squeak verknüpft, einem Dialekt der objektorientierten Programmiersprache Smalltalk. In zahlreichen Projekten in den USA, aber beispielsweise auch in Deutschland, der Schweiz und Österreich beschäftigen sich Lehrer, Psychologen und Didaktiker mit den Möglichkeiten, die die quelloffene Entwicklungsumgebung im mathematisch-naturwissenschaftlichen Unterricht bietet. Der Begriff EToys, der häufig synonym für Squeak verwendet wird, bezeichnet eine kindgerechte Oberfläche, die jüngeren Schülern einen Zugang zu dieser Programmiersprache bietet. Sie können darin sehr leicht selbst gemalte Objekte animieren und deren Verhaltensweisen auf dem Bildschirm beobachten. So setzen sie sich spielerisch etwa mit physikalischen Konzepten von Geschwindigkeit oder Beschleunigung auseinander.

Aktuell arbeiten die Entwickler an einer Journal-Funktion, in die sie später AbiWord als Editor integrieren wollen. Wie in einer Art Tagebuch soll der Schüler im Journal dann die eigenen Arbeitsschritte zurückverfolgen können. Einen Text, an dem er am Vormittag des zurückliegenden Tages zuletzt gearbeitet hat, könnte er mit Hilfe dieser Zeitangabe im Journal jederzeit wiederfinden. Auf diese Weise soll das Journal die explizit vom Anwender vorgenommene Dateiablage in Verzeichnissen oder Unterverzeichnissen überflüssig machen. Der XO soll zudem einen Chat- und einen Mail-Client bekommen.

Auf Videostream-Seiten wie YouTube haben Entwickler viele Videos hochgeladen, die zeigen, wie sich Sugar und die bereits vorhandenen Anwendungen bedienen lassen. Mit VMware oder QEMU auf einem Windows-, Mac-OS- oder Linux-Rechner kann man Sugar aber auch selbst ausprobieren. Entwickler bieten kostenlos Images des aktuellen Softwarebestands inklusive Anleitungen an [3].

Ganz sicher nur für Kinder

Schon die fehlende Festplatte und das weggelassene optische Laufwerk soll vorsätzlich fehlgeleitete Lieferungen von Paletten voller XOs unattraktiv machen. Damit sich Diebstähle einzelner Laptops nicht lohnen und vor allem, damit sich ein Schädling nicht in Windeseile über die vernetzten XOs ausbreitet, hat Ivan Krsti´c, der OLPC-Verantwortliche für Sicherheitsfragen, vor kurzem das Sicherheitskonzept Bitfrost vorgestellt [4]. Bitfrost kam zu spät für BTest-2 und konnte sich daher im Test noch nicht bewähren.

Bitfrost sieht vor, dass ein XO erst nach einer Aktivierung am Einsatzort einsetzbar ist. Die Codes dafür liegen auf einem USB-Stick, den die Schule hat und der in den OLPC-Server vor Ort kommt. Nach der Aktivierung und dem ersten Booten erzeugt das System ein Schlüsselpaar aus dem Namen und dem aufgenommenen Bild des Kindes. Damit hat das Kind eine digitale Identität. Antidiebstahl-Server im Land sollen die Laptops regelmäßig abfragen und OLPC hat dann die Möglichkeit, den XO-Laptop lahmzulegen, sofern dessen ID gemeldet wurde.

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In TamTam wählt man ein Musikinstrument aus und spielt darauf mit Hilfe der Tastatur, auf Wunsch mit Schlagzeugbegleitung. Vergrößern

Grundsätzlich ist die Software des XO so ausgelegt, dass Kinder sie ändern und an ihre Bedürfnisse anpassen sollen. Externe Backups und Datenrettung sind daher Teil des Sicherheitskonzepts. Es soll keine geheime Sicherheit auf einem offenen System geben, stattdessen hat der Anwender so weit wie möglich die Kontrolle – auch wenn der noch nicht lesen kann. Aktionen der Art "wollen Sie das Programm wirklich starten" verbieten sich da natürlich.

Dass Kinder einfach Programmzeilen verändern können, den Code sehen und damit in Python spielen können, wäre für hiesige Administratoren ein Albtraum, aber Bitfrost berücksichtigt das, indem bei jeder Aktion des Systems eine strenge Kontrolle darüber stattfindet, was die Anwendung darf. Kernel und OS im NAND-Flash-Speicher bleiben zum Beispiel unverändert. Manche Anwendungen dürfen nur lesen, andere auch schreiben und ändern. Anwendungen, die nicht essentiell für den laufenden Betrieb sind, bekommen nur zehn Prozent der CPU-Leistung zugeteilt. Vom Anwender erstellte Dokumente sind nicht direkt Teil eines Dateisystems, stattdessen verweist ein Dateispeicherdienst auf diese Dokumente.

Bitfrost sieht natürlich die Möglichkeit vor, eigene Software zu nutzen; die mitgelieferte Software darf der Anwender aber nicht verändern. Mit einem sogenannten Entwicklerschlüssel sollen Anwender eigene Programme signieren können. Auch die offiziellen Software-Updates werden nur aus signierten Anwendungen bestehen.

Top oder Flop?

Die Software läuft nur teilweise, die Hardware hat Prototypenstatus und auch das Sicherheitskonzept fehlt im XO. Angesichts dessen scheint der Zeitplan, der für Juli 2007 die Serienreife vorsieht, sehr ambitioniert. Immerhin geht es um den größten IT-Launch der Geschichte und dass der reibungslos vonstatten geht, erwarten wohl nicht einmal die OLPC-Mitarbeiter. Doch selbst eine Verspätung des Projekts von Monaten oder sogar Jahren wäre keine Katastrophe, wenn es OLPC dann wirklich schafft, Millionen von Schulkindern Bildungschancen zu bieten, die sie vorher nicht hatten.

Seit ihrer Gründung vor nicht einmal zwei Jahren hat OLPC ein weiteres Stück Weg zurückgelegt, als viele für möglich hielten. Jetzt hat das Projekt eine kritische Phase erreicht, denn die nächste Zeit entscheidet über Top oder Flop: Nach Abschluss der XO-Entwicklung müssen die interessierten Länder Farbe bekennen und handfeste Kaufverträge über Millionen von XO-Laptops eingehen. Bislang gegebene Versprechungen auf Minister-Ebene sind dann nichts mehr wert.

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EToys bietet Schülern einen einfachen Zugang zu einer Experimentier- und Gestaltungsumgebung. Vergrößern

Ein Machtwechsel könnte die OLPC-Pläne bereits durchkreuzen: Ob Thailand nach der Wahl 2006 die Bereitschaft zum Kauf behält, ist immer noch unklar. Ursprünglich hatte auch Indien großes Interesse am XO gezeigt, verabschiedete sich aber letztes Jahr mit dem Argument, dass es effizientere Möglichkeiten gäbe, als Schüler mit OLPC-Laptops auszustatten. Das war eine ebenso herbe Niederlage für das Projekt wie das Nein von China. Der Erfolg des Negropontschen Politikerklinkenputzens ist aber entscheidend für den Start des Projekts, sprich für die erste Auslieferung der Laptops.

Der mittelfristige Erfolg von OLPC muss sich daran messen, ob das Pilotprojekt zum Engagement weiterer Nationen führt. Dafür muss OLPC zeigen, dass XO für jede Nation bezahlbar ist. Wie üblich, wenn es um die Kosten geht, klaffen die Meinungen weit auseinander. OLPC rechnet vor, dass der Betrieb des Laptops für ein Jahr etwa 30 US-Dollar kosten wird. Das sei genauso finanzierbar wie der Kauf der Laptops durch die Regierungen. Für Libyen mag das stimmen, aber in Ruanda würden die 150 Millionen US-Dollar für eine Million Laptops ein größeres Loch im Haushalt hinterlassen.

Was in Afrika, Asien und Südamerika mit defekten XO-Laptops passiert, also wer Service und Support leistet und welche Zusatzkosten auf die Länder zukommen, darüber hat OLPC offiziell noch nichts verlauten lassen. Das internationale Finanzdienstleistungsunternehmen Merrill Lynch & Co sieht darin aber eine der größten Schwachstellen für eine Ausweitung des Projekts. OLPC geht von einer Nutzungsdauer von fünf Jahren aus, aber wenn wegen fehlender Service-Struktur nach einem Jahr ein Großteil der Notebooks kaputt in der Ecke liegt, werden sich wohl kaum weitere Länder finden, mit deren Hilfe man die angestrebte Zahl von 100 Millionen XOs erreicht. An dieser Zahl orientiert sich aber Quantas Business-Plan. Merrill Lynch blickt skeptischer in die Zukunft und prognostiziert bis 2010 nur 40 Millionen Laptops.

Langfristig muss OLPC beweisen, dass die selbst gesteckten Bildungsziele erreicht werden. Wie schnell man ein gut gemeintes Projekt in den Wüstensand setzten kann, zeigt das Beispiel Ägypten. Das ägyptische Bildungsministerium hat 1994 das Technology Development Center (TDC) ins Leben gerufen, um Schulen mit Computern, Satellitenfernsehen und Internet auszustatten. Das Projekt funktionierte deshalb nicht, weil Technik auf ein bestehendes Bildungssystem aufgesetzt wurde: Der Zugang war für Schüler reglementiert, die Lehrer waren trotz oder wegen eines Videokonferenzsystems für die Ausbildung überfordert. Viel Geld wurde in ein IT-Projekt ohne großen Nutzen gesteckt.

OLPC steht gut da, weil die Kinder im Mittelpunkt stehen, nicht die Technik. Jedes Kind kann mit vorhandener Software und der offenen Struktur des Systems spielen und sich so Kenntnisse selbst aneignen – dynamisches Lernen statt Frontalunterricht. Lehrer haben im OLPC-Projekt von vornherein nicht die Schlüsselrolle wie in Ägypten. Zwar muss der OLPC-Schul-Server laufen, sonst gibts keinen Internet-Zugang und keine neuen E-Books, sprich Lehrbücher, aber die Vernetzung untereinander läuft auch ohne ihn. Da erfahrungsgemäß Erwachsene schwerer lernen als Kinder, scheint das der bessere Ansatz – Lehrern Computer-Know-how nahezubringen, bleibt auch hierzulande eine anspruchsvolle Aufgabe.

Die Kritiker des Projekts haben mit dem Argument, dass Entwicklungsländer dringend andere Hilfe brauchen als ausgerechnet einen Laptop, sicher recht für Länder, in denen Hunger, Krieg und instabile politische Verhältnisse herrschen. Ein Mindestmaß an Infrastruktur, Lebensstandard und Kampf gegen Korruption muss vorhanden sein, damit der XO-Laptop Sinn ergibt. Das sieht auch OLPC so – nicht zufällig kommen die Hauptinteressenten aus dem Kreis der G20-Schwellenländer. Zudem sieht sich OLPC selbst nicht als Allheilmittel für die Lösung aller Ungerechtigkeiten auf dieser Welt, sondern als einer von vielen NGOs, also nichtstaatlichen Organisationen.

Konkurrenz

Auch wenn's um ein Bildungsprojekt geht – die Aussicht auf einen Markt von 100 Millionen Laptops ruft die Großen auf den Plan, die bislang außen vor sind, aber jetzt doch mitmischen wollen. Zunächst machten sich Intel und Microsoft über den Spar-Laptop lustig, Bill Gates stänkerte "get a real Laptop". Als Microsoft dann aber als Schnellschuss erst ein aufgemotztes Handy als bessere Alternative für Länder mit Nachholbedarf präsentierte, danach den Ultra Mobile PC (UMPC) empfahl, waren die Lacher auf der anderen Seite – der UMPC mit seiner kurzen Laufzeit, den ergonomischen Unzulänglichkeiten und dem Preis von 1000 Euro kann nun wirklich nicht gegen den XO bestehen.

Der zunehmende Erfolg des OLPC-Projekts führte dann zu seriöseren Reaktionen. Die Kehrtwende vollzog Gates im Dezember mit dem Ziel, Windows auf den XO zu bringen. Negroponte assistierte augenzwinkernd und flunkerte, der SD-Slot sei eh nur für Microsoft eingebaut worden – Windows braucht mehr als ein Gigabyte an Platz, der XO hat aber nur 512 MByte. Windows auf dem XO ist wohl eher ein Windei.

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Sugar hat keinen Datei-Manager, sondern verweist auf ein Journal, das Änderungen und Dateien chronologisch listet. Vergrößern

Intel nimmt dagegen die Herausforderung an. Der Chip-Hersteller setzt sein Bildungsprodukt World Ahead dagegen. Das dazugehörige Notebook hieß erst Eduwise, jetzt Classmate und soll 400 US-Dollar kosten. Classmate ist noch etwas kleiner als der XO, hat ein 7-Zoll-Display (800 × 480, 133 dpi), ein Gigabyte Flash-Speicher statt Festplatte und einen Celeron M (900 MHz). Die Laufzeit soll vier Stunden betragen, als Betriebssystem kommt Windows XP Embedded zum Einsatz, aber auch Linux ist möglich. Unter anderem China, Brasilien, Indien, Mexiko und Nigeria haben Interesse angemeldet. Brasilien fährt zweigleisig und hat derzeit neben XOs auch Classmate-Prototypen im Testbetrieb. Laut Intel läuft die Serienproduktion bereits.

Intel will das World-Ahead-Programm in den nächsten Jahren mit insgesamt einer Milliarde Dollar finanzieren. Ziel des Projekts soll sein, Nationen an aktuelle Technik und an Highspeed-Internet-Zugänge heranzuführen sowie Lehrer und Schüler entsprechend auszubilden. Wie die Gelder konkret verteilt werden und was von den Nationen selbst kommt, teilte das Unternehmen bislang nicht mit.

OLPC motiviert offenbar zum Engagement reicher Unternehmen in Ländern mit dürftiger IT-Infrastruktur, wie das Beispiel Intel zeigt. Sofern daran ein Bildungsauftrag hängt und nicht nur Hardware wie aus dem Füllhorn über Länder kommt, ist das grundsätzlich zu begrüßen. Projekte wie Simputer in Indien oder der Longmeng mit Godson-Prozessor für China, die sich auf die Herstellung von möglichst günstiger Hardware konzentrieren, sind damit nicht vergleichbar und derzeit nicht zukunftsfähig. Auch sie wollen bislang unterversorgte Gegenden an die digitale Welt heranführen, sind aber rein kommerziell ausgerichtet.

Fazit

Die Köpfe hinter One Laptop Per Child, allen voran Nicholas Negroponte, ziehen offenbar die Fäden an den richtigen Stellen. Das Bildungsprojekt mit dem Ziel, möglichst vielen Schulkindern in Entwicklungs- und Schwellenländern einen möglichst günstigen Laptop zu geben, hat in kurzer Zeit einen enorm weiten Weg zurückgelegt. Allen Widrigkeiten, Kritikern und ungelösten Fragen zum Trotz hat OLPC das Potenzial, eine Vielzahl von Menschen an moderne Kommunikationsformen heranzuführen und Inhalte zu vermitteln. Die bereits ausgelieferten XO-Laptops sind sichtbares Zeichen dafür, was in der Welt bewegt werden kann, wenn Visionäre, global agierende Unternehmen und internationale politische Organisationen zusammenarbeiten.

Auf der Bildungsebene hat OLPC aus den Fehlern anderer Projekte gelernt, indem neue Technik nicht auf den Schultern der Lehrkräfte abgeladen wird. OLPC-Vorstandsmitglied Michail Bletsas hat das in einem Interview mit ORF.at während der 3GSM auf den Punkt gebracht: "Ich glaube, es ist ein kosteneffektiver Weg, um auf der Bildungsebene etwas zu verändern, indem man die Kinder antreibt, sich selber etwas beizubringen, statt sich auf den traditionellen Ansatz zu stützen, der das Bauen von Schulen und das Training von Lehrern voraussetzt – was Generationen dauern kann." Für den Endpreis von 150 US-Dollar hat OLPC dafür einen Laptop und eine Bedienoberfläche entwickelt, von der auch Schulkinder in Industriestaaten profitieren würden. Zudem steckt der kleine Rechner voller Innovationen: Das sonnenlichtfähige Dualmode-Display und die Mesh-Vernetzung hat kein anderes Notebook.

Die nächsten Schritte werden entscheidend für den Erfolg des Projekts sein: Der XO-Laptop samt Software muss die Serienreife erreichen und Abschlüsse der Kaufverträge mit den Pilotstaaten über fünf bis zehn Millionen Laptops stehen an. Wenn das Projekt das derzeitige Tempo beibehält, kann OLPC zuversichtlich in die Zukunft blicken. (jr)

Literatur
[1] Guido R. Hiertz, Funk-Maschen, Standard für WLAN-Mesh-Netze erreichen Entwurfsstatus, c't 5/07, S. 208
[2] TamTam (tamtam4olpc.wordpress.com)
[3] Sugar-Emulation (wiki.laptop.org/go/OS_images_for_emulation)
[4] Bitfrost (dev.laptop.org/git.do?p=security;a=blob;hb=HEAD;f=bitfrost.txt)
[5] Entwickler-Blog (planet.laptop.org)
[6] OLPC-Portal (www.laptop.org) und Wiki (wiki.laptop.org)
[7] Gut informiertes Blog (www.olpcnews.com)
[8] Video-Demo Sugar (www.ivr-usability.com/olpc/olpc.html)