FAQ: Wie gefährlich sind Affenpocken?

Die bisher in Afrika endemische Erkrankung tritt plötzlich auch in Europa und den USA vermehrt auf. Wir erklären, warum das kein Grund zur Sorge sein muss.

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(Bild: Gorodenkoff/Shutterstock.com)

Lesezeit: 9 Min.
Von
  • Veronika Szentpetery-Kessler

Durch die Corona-Pandemie sind wir für plötzliche auftretende Infektionskrankheiten sensibilisiert. Da erscheint auch die Ausbreitung der Affenpocken in Europa und den USA als besorgniserregend. Sie breitet sich allerdings deutlich langsamer aus, verläuft meist mild in den Symptomen und es gibt Schutzmaßnahmen.

Weltweit gibt es laut der von Wissenschaftlern gegründeten Infektionsdaten-Initiative „Global Health“ außerhalb von Afrika 431 Fälle. In Deutschland gab es bisher zwölf bestätigte Fälle und einen Verdachtsfall (Stand: 25. Mai).

Affenpocken - Was ist das fĂĽr ein Virus?

Das Affenpockenvirus (Orthopoxvirus simiae) ist kein Unbekannter und wurde 1958 in Laboraffen entdeckt. Daher kommt auch der irreführende Name, denn Affen gehören wie der Mensch zu den Fehlwirten. Als Hauptwirte gelten Nagetiere. Der Erreger gehört zu den Pockenviren und ist sowohl mit dem seit 1980 ausgerotteten humanen Pockenvirus (Variola major) als auch mit dem Kuhpockenvirus verwandt. Die nur dem Namen nach ähnlichen Windpocken-Erreger gehören dagegen zu den Herpesviren.

Verbreitet sich das Virus aufgrund genetischer Veränderungen schneller?

Affenpocken sind relativ große DNA-Viren, die anders als die häufig mutierenden RNA-Viren à la Sars-Cov-2 Veränderungen mit einem molekularen Reparaturkit beheben können. Bisher haben Experten keine Erbgut-Veränderungen ausgemacht, die für eine schnellere Verbreitung sorgen.

Der bisherige R0-Wert, der angibt, wie viele andere Menschen ein Infizierter im Schnitt ansteckt, lag bisher in Afrika Schätzungen zufolge meist unter 1. Bei den neueren Fällen in der westlichen Welt gehen Experten vorerst auch von einem solchen niedrigen R-Wert aus, der allerdings noch genau ermittelt wird. Trotzdem gelten längere Infektionsketten bislang als unwahrscheinlich.

Wo kommt das Virus vor?

Affenpocken sind in einigen Ländern von West- und Zentralafrika endemisch. Hier kam es auch immer wieder vorübergehend zu stärkeren Ausbrüchen mit einigen Hundert Fällen. Dass das Virus sich in Afrika in den letzten Jahren stärker ausgebreitet hat, liegt an der wachsenden Bevölkerungsdichte und dem immer stärkeren Heranrücken an Wildtiergebiete, sodass die Erreger häufiger von den Tierwirten auf den Menschen überspringen und eben auch hinter den bisherigen Ausbrüchen dort stecken. Zudem hat auch die Verbreitung der Immunschwächekrankheit AIDS dazu beigetragen, dass es vermehrt zu direkten Übertragungen zwischen Menschen kommt.

Wie wird das Virus ĂĽbertragen?

Für eine Übertragung ist ziemlich enger Kontakt nötig. Die Viren werden meist bei Kontakt mit den Hautbläschen der Infizierten oder über Tröpfchen bei längerem Gesichtskontakt übertragen. Die Flüssigkeit in diesen Läsionen enthält die höchste Virenkonzentration. Allerdings können die Viren auch schon vor dem Auftreten der Läsionen übertragen werden.

Die Keime sind zudem im Speichel, Wundflüssigkeit und im Blut enthalten. Laut dem Robert-Koch-Institut ist derzeit noch unklar, ob auch Sperma oder Vaginalsekret zur Verbreitung beiträgt. Forscher des Instituts für Mikrobiologie haben bei einem Patienten auch Viren im Sperma gefunden. Hier ist aber noch unklar, ob es sich um infektiöse Erreger handelt.

Da die Pockenläsionen aber auch im Genital- und Analbereich auftreten können, wäre allein der enge Hautkontakt dort ausreichend, um die Viren weiterzugeben. Weitere Übertragungswege sind Kontakte mit Oberflächen und Materialien, die Infizierte berührt haben - also Kleidung, Bettwäsche, Handtücher oder Geschirr.

Ist die Erkrankung mit Affenpocken gefährlich?

Für die meisten gesunden Menschen sind Affenpocken nicht gefährlich und heilen auch ohne Behandlung aus. Menschen mit einem geschwächten Immunsystem könnten allerdings – wie leider generell bei Infektionen – viel anfälliger und gefährdeter sein. Das sind hauptsächlich Krebspatienten und Menschen, die nach Organtransplantationen immunsupprimierende Medikamente nehmen müssen.

Zwar können laut dem RKI unter Umständen auch Neugeborene, Kinder, Schwangere und alte Menschen schwer an den Affenpocken erkranken. Zu möglichen Komplikationen gehören Hautinfektionen, Augeninfektionen bis zum Sehverlust, Lungenentzündung und Verwirrtheit. Diese Erfahrungen stammen jedoch größtenteils aus den endemischen Gebieten, in denen nicht immer eine gute medizinische Versorgung gegeben ist. Die Deutsche Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie weist dem Infektiologen Clemens Wendter von der München Klinik Schwabing zufolge darauf hin, dass es hierzulande kein erhöhtes Risiko für Kinder und Jugendliche gibt.

Bisher gibt es in der westlichen Welt keine Todesfälle. In den endemischen Gebieten von West- und Zentralafrika verzeichnete die Weltgesundheitsorganisation (WHO) in drei bis sechs Prozent der gemeldeten Fälle einen tödlichen Verlauf, öfter bei Kindern, bei denen die Fallsterblichkeit bis zu elf Prozent betrug, und bei Menschen mit Vorerkrankungen. Die sich außerhalb von Afrika ausbreitenden Affenpocken-Variante gehört von zwei Versionen zur ungefährlicheren.

Welche Symptome hat die Erkrankung?

Die Krankheitsanzeichen sind anfangs recht unspezifisch und ähneln jenen einer Erkältung oder Grippe: Kopf-, Muskel- und Rückenschmerzen, Fieber und geschwollene Lymphknoten. Ein paar Tage später entwickeln sich die typischen Hautpusteln, die später verkrusten und abfallen. Die Pocken treten meist auf dem Gesicht sowie den Handflächen und Fußsohlen auf, können aber auch im Genitalbereich, auf den Augen und im Mund vorkommen. Die Krankheit dauert zwei bis vier Wochen und klingt auch ohne Behandlung ab.

Affenpocken haben im Vergleich zu den Menschenpocken einen weitaus milderen Verlauf, wenngleich auch schwere Fälle möglich sind. Dabei treten unter anderem mehr Hautläsionen und Genitalgeschwüre auf. Schwerere Fälle treten laut der europäischen Gesundheitsbehörde ECDC zum Beispiel bei immungeschwächten Personen auf, die etwa an AIDS erkrankt sind.

Nachgewiesen werden die Affenpocken per PCR, hauptsächlich anhand von Abstrichmaterial aus Bläschen, Krusten, Hautveränderungen und gegebenenfalls Blutproben oder anderen Körperflüssigkeiten.

Wie sollten sich Infizierte verhalten? Macht eine Quarantäne Sinn?

Wer Kontakt zu einer infizierten Person hatte, sollte das lokale Gesundheitsamt informieren: https://tools.rki.de/PLZTool/. Treten Symptome auf, sollte man auch den Hausarzt über den Verdacht informieren. Wer telefonisch nicht zur Praxis durchkommt, sollte Praxismitarbeiter sofort beim Betreten der Räume informieren. Das RKI hat Empfehlungen für Kontaktpersonen zusammengestellt: https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/A/Affenpocken/Kontaktpersonen.

Das Robert-Koch-Institut empfiehlt symptomatischen Infizierten, engen Kontakt mit anderen Menschen so lange zu vermeiden, bis der letzte Schorf von den Hautläsionen abgefallen ist. Das kann zwei bis vier Wochen dauern. In dieser Zeit sollten auch geschützte sexuelle Kontakte vermieden werden.

Leben auch anderen Personen im selben Haushalt, sollten Infizierte möglichst ein eigenes Bad benutzen und vermeiden, Bettwäsche und andere Haushaltsgegenstände mit Familie oder Mitbewohnern zu teilen. Die Viren können nämlich lange – mitunter wochen- bis monatelang – auf Oberflächen überleben. Deshalb ist auch das Desinfizieren berührter Oberflächen und das Waschen von Kleidung nötig.

Für die Gesundheitsbehörden ist eine möglichst lückenlose Kontaktverfolgung, die Unterbrechung der Infektionsketten und der Schutz vulnerabler Bevölkerungsgruppen wichtig.

Update

Das Robert-Koch-Institut hat mittlerweile ausführlichere Verhaltensregeln für eine Isolierung bei einer bestätigten Affenpocken-Infektion veröffentlicht. Diese geben Hinweise für das Leben in der Quarantäne sowie für speziellere Fälle:

  • Begeben Sie sich umgehend fĂĽr mindestens 21 Tage nach der Infektion in eine häusliche Quarantäne. Informieren Sie das Gesundheitsamt und Ihren Hausarzt ĂĽber die Infektion sowie laufend täglich ĂĽber Ihren Gesundheitszustand.
  • Achten Sie auf genĂĽgend Abstand zu anderen Personen in- und auĂźerhalb Ihres Haushalts und tragen Sie eine FFP2-Maske, wenn sich ein Kontakt doch nicht vermeiden lässt. Nicht-Infizierte sollten zudem unbedingt den Hautkontakt zu Oberflächen oder Gegenständen (einschlieĂźlich MĂĽll und Wäsche), die Sie berĂĽhrt haben, vermeiden.
  • Personen, die mit Ihnen in einem Haushalt leben, mĂĽssen ebenfalls 21 Tage in häusliche Quarantäne. Unabhängig davon, ob sie Symptome entwickeln, sollen sie sich mit dem zuständigen Gesundheitsamt in Verbindung setzen, um Infektionsketten zu durchbrechen.
  • Achten Sie auf eine gute Handhygiene. Waschen Sie sich dazu Ihre Hände regelmäßig mit Wasser und Seife.
  • Reinigen Sie alle Gegenstände und Oberflächen, mit denen Sie in Kontakt kommen, insbesondere von abgefallenen Krusten der Läsionen. Desinfizieren Sie Flächen am besten einmal täglich, bei viel genutzten Bereichen wie (Nacht-) Tischen, Waschbecken, der Dusche oder der Toilette sogar direkt nach der Benutzung. Verwenden Sie dazu haushaltsĂĽbliches Reinigungs- bzw. Desinfektionsmittel. Zur Reinigung von (Bett-) Wäsche setzen Sie ein normales Vollwaschmittel sowie mindestens 60 Grad Wassertemperatur ein.
  • Bewahren Sie Wäsche und MĂĽll, die Sie während der Infektionszeit berĂĽhren, in separaten Beuteln auf. Entsorgen Sie jede Art von MĂĽll ĂĽber den RestmĂĽll.
  • Wenn Sie ein Haustier halten, vermeiden Sie jeden Kontakt zu dem Tier, damit es sich nicht bei Ihnen ansteckt. Informieren Sie zudem Ihr lokales Veterinäramt. Mehr Informationen dazu finden Sie auf der Website des Friedrich-Löffler-Instituts unter www.fli.de sowie in der FAQ des FLI zu den Affenpocken.

Die gesamte Liste der Verhaltensregeln bei einer Affenpocken-Infektion finden Sie unter: https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/A/Affenpocken/Isolierung.pdf

Gibt es eine Impfung?

In Deutschland wird zwar seit der Ausrottung der Humanpocken nicht mehr gegen sie geimpft, wer aber noch den klassischen Pockenimpfstoff erhalten hat, ist wegen des hohen Verwandtschaftsgrades beider Erreger auch gegen Affenpocken nach Expertenschätzungen zu etwa 85 Prozent geschützt. Das bedeutet, dass 85 Prozent der Infektionen verhindert werden, die ohne Impfung auftreten würden. Dennoch sollte sich auch Geimpfte verantwortungsbewusst verhalten.

Deutschland hat vorsorglich 40.000 Dosen des Humanpocken-Impfstoffs „Imvanex“ des dänischen Biotech-Unternehmens Bavarian Nordic geordert. Das reicht für 20.000 Immunisierungen, die pro Person aus zwei Dosen besteht. Der Impfstoff ist noch nicht eingetroffen und soll nicht einer allgemeinen Immunisierung der Bevölkerung dienen, sondern – in Einzelfällen – dem strategischen Unterbrechen von Infektionsketten. Möglich sind etwa Ringimpfungen bei Kontaktpersonen, um die Ausbreitung sozusagen um Infizierte herum zu unterbrechen.

Update

Die Stiko hat mittlerweile eine Impfempfehlung für Risikogruppen herausgegeben. Zu diesen Personen mit erhöhtem Expositionsrisiko gehören demnach Menschen mit engem Kontakt zu infizierten Personen, Labor-Personal mit ungeschütztem Kontakt zu Laborproben und Männer mit gleichgeschlechtlichen und wechselnden Sexualpartnern. Weitere Informationen finden Sie auf der Website des RKI: https://www.rki.de/DE/Content/Kommissionen/STIKO/Empfehlungen/PM_2022-06-09.html

Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es nach der Ansteckung?

Im Januar wurde in Europa das orale Medikament Tecovirimat gegen Humanpocken zugelassen. Es blockiert das Freisetzen von umhüllten Viruspartikeln aus einer infizierten Zelle. Für Affenpocken ist es bisher nicht zugelassen, könnte aber Experten zufolge bei schweren Verläufen oder bei immungeschwächten Menschen zum Einsatz kommen – gerade auch weil Affenpocken bei Gesunden weitaus milder verlaufen als Humanpocken.

Wie haben sich die Affenpocken so schnell weltweit verbreitet?

Eine große Rolle für die Verbreitung in westlichen Ländern haben wohl zwei aus aller Welt besuchte Großveranstaltungen in Spanien und Belgien Anfang Mai gespielt. Das breite Inkubationsfenster von fünf bis 21 Tagen und dass die Infektion auch vor dem Auftreten der relativ unspezifischen Symptome ansteckend ist, dürften zur weiteren Verbreitung beigetragen haben. Da die Übertragung vor allem durch engen Körperkontakt geschieht, sind Sexualkontakte ein Hauptübertragungsweg. Hinzu kommt, dass eben seit einigen Jahrzehnten nicht mehr gegen die Humanpocken geimpft wird und dieser Schutz bei jüngeren Generationen wegfällt.

(anka)