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Know-how Farben (Teil 1): Das bewirken Farbprofile 0 Kommentare

Ralph Altmann

RGB-Bilder brauchen Farbprofile, wenn sie „farbrichtig“ angezeigt oder ausgedruckt werden sollen. Doch was sind und wie wirken solche Profile eigentlich? Diese und andere Fragen beantworten wir in einer kleinen Artikelserie, und machen dabei auch ab und zu einen Abstecher vom Farb- in den Weltraum.

Ob Ihr Browser, mit dem Sie gerade diesen Artikel lesen, überhaupt Farbmanagement unterstützt, zeigt das folgende Bild:

Ralph Altmann

Roter Planet oder blauer Planet? Was Sie hier sehen, hängt davon ab, ob das Farbmanagement arbeitet oder nicht.

(Bild: Ralph Altmann)

Sehen Sie einen roten Planeten mit zwei „Monden“ – einer blau, einer grün –, dann ist alles in Ordnung. Zeigt Ihr PC aber statt eines roten einen großen blauen Planeten in der Mitte an, dann funktioniert das Farbmanagement nicht wie gewünscht. Oder es ist – wie bei fast allen Nicht-Windows-Smartphones und Tablets – gar nicht erst eingebaut. Aktuelle Browser auf dem Windows-PC und dem Mac arbeiten unseres Wissens inzwischen alle mit Farbmanagement.

Mit Farbmanagement kommt das spezielle Farbprofil zum Zuge, das wir diesem Bild angefügt haben. Es zeigt, wie mächtig Farbprofile sind: Sie können Farben völlig verdrehen. Genau dies passiert nämlich mit diesem Bild, wenn es vom Farbmanagement-Modul (CMM) – einer Software, welche die Farbumrechnungen ausführt – in die Mangel genommen wird: Aus Blau wird Rot, aus Rot wird Grün und aus Grün wird Blau.

Das ist Absicht, denn bei der Konstruktion des Originalbilds ist uns ein "Fehler" unterlaufen: Wir haben den großen Planeten in der Mitte mit blauer statt mit roter Farbe gefüllt. Die Farben der beiden Monde entsprechen auch nicht ihren Beschriftungen: Der mit "Blau" beschriftete ist eigentlich grün, der mit "Grün" beschriftete ist rot. So sieht das Bild im Original mit seinen RGB-Werten aus:

Know-how: Was bewirken Farbprofile (Teil 1)

So sehen die Originalfarben unseres Testbilds ohne Farbmanagement aus. In den RGB-Tripeln steht der erste Wert für Rot, der zweite für Grün, der dritte für Blau. „0,0,255“ bedeutet also, dass in der Farbe keinerlei rote und grüne Anteile stecken, aber das Maximum (255) an Blau.

(Bild: Ralph Altmann)

Unser spezielles Farbprofil, das in die Bilddatei eingefügt („eingebettet“) ist, verpetzt aber dem CMM unseren Fehler. Es sagt: Meine Farben sind falsch verteilt! Die Werte im Rot-Kanal stehen eigentlich für Grün, die Werte im Grün-Kanal sollen für blaue Farbe gelten und die Werte im Blau-Kanal für rote Farbe. Das CMM korrigiert daraufhin diese Fehler. So kommt es, dass Sie auf Ihrem Display – wenn es Farbmanagement unterstützt – die richtigen Farben sehen. Wenn das Profil nicht gelesen werden kann oder es gar kein Farbmanagement gibt, sehen Sie die "falschen" Farben – die aber eigentlich die originalen Farben im Bild sind.

Damit haben wir schon eine wichtige Eigenschaft von Farbprofilen entdeckt: Sie sind Whistleblower, sie verraten Fehler, die bei der Erstellung des Bildes passiert sind. Das ist ausgesprochen nützlich, denn damit gestatten sie, solche Fehler zu korrigieren. Ist der Ersteller eine Kamera oder ein Scanner, dann verrät das Farbprofil, welche Farben dieses Gerät überhaupt erfassen kann und welche Fehler es dabei macht. Oft ist ein solches "Geräteprofil" eine riesige Tabelle, in der jede mögliche RGB-Kombination, die das Gerät ausgeben kann, der dabei erfassten realen Farbe gegenübergestellt ist. Wegen vieler technischer Toleranzen gibt es keine zwei Kameras oder Scanner, die beliebige Farben auf die exakt gleiche Weise „sehen“, aus ihnen also die gleichen RGB-Werte machen. Zwar sind die Fehler nicht so grob, dass ganze Farbkanäle vertauscht werden, doch kleine oder größere Farb- und Sättigungsverschiebungen sind die Regel. Korrigiert man diese nicht oder nicht vollständig, dann machen die verbliebenen Fehler die „Charakteristik“ einer Kamera aus – ähnlich den unterschiedlichen Filmcharakteristiken aus analoger Zeit.

Als Fotograf kommen Sie mit einem Kamera-Geräteprofil normalerweise höchstens im Rawkonverter in Berührung, denn manche gestatten es, die Charakteristiken (also die Profile) unterschiedlicher Analogfilme und Digitalkameramodelle auszuwählen. Es wäre auch viel zu aufwendig, jedem Bild das Profil seines Erzeugers mitzugeben – dazu sind Geräteprofile viel zu groß. Die Bilder, die als JPG-Datei aus der Kamera kommen, enthalten kein Geräteprofil mehr, sondern wahlweise eines der Standardprofile sRGB oder Adobe RGB. Der Rawkonverter gestattet die Ausgabe in weiteren Farbräumen, zum Beispiel dem recht großen Prophoto-RGB. Die Umrechnung aus dem Geräte- in einen Standardfarbraum (oft Arbeitsfarbraum genannt) erfolgt direkt in der Kamera oder im Rawkonverter. Ein Farbraum ist zwar nicht das gleiche wie ein Farbprofil, doch die Begriffe sind äquivalent: Ein Profil ist eine Rechenvorschrift oder eine Tabelle, die einen Farbraum definiert – das Profil steckt die Grenzen ab oder ist sogar ein ausführlicher Lageplan für die Farben innerhalb des Farbraums.

Ein Standard-Farbprofil enthält keinerlei Information mehr über das Gerät, was die Bilddatei erzeugt hat, auch nicht über dessen Fähigkeiten und Fehler. Sein einziger Sinn und Zweck besteht darin, Farben zu definieren. Die Crux des RGB-Farbsystems ist nämlich, dass die Farben in ihm nicht eindeutig definiert sind. Die Angabe eines RGB-Wertes ohne die gleichzeitige Angabe eines Farbraumes, in dem dieser Wert gelten soll, ist wie die Angabe einer Zahl für eine Entfernung, ohne dazuzusagen, ob es sich um Meter, Fuß oder Ellen handelt. An solchen Unklarheiten über die verwendeten Maßeinheiten ist schon mal eine Mission zum echten Roten Planeten gescheitert: Der Mars Climate Orbiter stürzte 1999 ab, statt auf eine Kreisbahn zu gelangen [1].

Im Farbraum sind die Gefahren zwar nicht ganz so groß wie im Weltraum (und die Konsequenzen nicht so teuer), doch auch hier ist es wichtig, dass man weiß, in welchem Maßsystem eine Farbe gemessen wurde. Es gibt allgemeingültige Farb-Maßsysteme wie Lab, XYZ und Yxy, die aber wenig anschaulich sind und aus verschiedenen Gründen kaum für die Kodierung von Farbbildern eingesetzt werden. Die RGB-Welt ist dagegen anschaulich, aber auch irgendwie mittelalterlich: Wie damals die ganzen kleinen Fürstentümer eigene Maße und Gewichte hatten, stellt heute jedes Gerät und jeder Standardfarbraum ein eigenes Farb-Maßsystem dar, und beim Überschreiten der Grenzen muss man sozusagen Zoll zahlen, in Form von Umrechnungsaufwand, und nicht selten durch den Verlust von Farben und Farbabstufungen.

Know-how: Was bewirken Farbprofile (Teil 1)

Der Yxy-Farbraum (links) ist ein mathematisches Konstrukt, das es gestattet, Farben exakt zu definieren. RGB-Farbräume sind darin Pyramiden mit dreieckiger Grundfläche, hier ist der sRGB-Farbraum als Drahtmodell eingezeichnet. Die vereinfachte zweidimensionale Darstellung (Projektion auf die Grundfläche, rechts) dient als CIE-Normfarbtafel unter anderem zum groben Vergleich von Farbraumgrößen.

(Bild: Ralph Altmann)

Bleiben wir aus Gründen der Veranschaulichung noch etwas bei der Entfernungs-Analogie: Im Farb(-Welt)raum bestimmt das Profil, ob mit dem Wert 255 (der Maximalwert im 8-Bit-System) „255 Meter“ oder „255 Fuß“ gemeint sind. Wenn Meter gemeint sind, ist der Farbraum natürlich deutlich größer. Ein Punkt, der im kleinen „Fuß-Farbraum“ die Entfernung 128 hat, wird im größeren „Meter-Farbraum“ mit dem Entfernungswert 39 gemessen (1 Fuß = 0,3048 Meter). Gravierende Konsequenzen bekommt dieser Unterschied, wenn man die Werte relativ zu den Maximalwerten sieht, die in beiden Fällen 255 sind. Im Gegensatz zum Weltraum ist unser 8-Bit-Raum endlich, er endet an jeder Achse mit dem Wert 255. Im kleinen Fuß-System liegt der betrachtete Punkt somit bei genau 50% des Maximalwerts. Im Meter-System liegt derselbe Punkt bei nur 15% des Maximalwerts.

Verlassen wir jetzt die Analogie und kehren zu den Farben zurück: Unser Punkt im Raum ist nun eine konkrete Farbe, beispielsweise ein Rot, dessen R-Wert in einem kleinen Farbraum 128 beträgt, in einem sehr großen Farbraum aber nur 39. 255 ist der im jeweiligen Farbraum maximal mögliche Tonwert, gleichbedeutend mit der maximal möglichen Sättigung der Farbe Rot. Im kleinen Farbraum hat unsere Farbe also 50% der maximalen Sättigung, im großen nur 15% - obwohl es sich immer um die gleiche Farbe mit der gleichen konkreten Sättigung handelt. Merke: In großen Farbräumen wird eine konkrete Farbe mit kleineren RGB-Werten bezeichnet (kodiert) als in kleinen Farbräumen. Und: Die relative Sättigung einer konkreten Farbe (relativ zum Maximalwert) ist umso größer, je kleiner der Farbraum ist.

Schauen wir uns eine andere Farbe an, die im großen Farbraum (entspricht dem Meter-Farbraum) den R-Wert 128, also 50% des Maximalwerts hat. Im kleinen Fuß-Farbraum müsste diese den Wert 420 (128 Meter = 420 Fuß) erhalten. Das liegt deutlich über dem maximal möglichen Wert von 255. Man sagt, dass diese Farbe in diesem(!) Farbraum nicht dargestellt werden kann, sie liegt außerhalb des Farbraums. „Nicht dargestellt“ bedeutet allerdings nicht, dass an ihrer Stelle Schwarz oder Weiß auf dem Display erscheint. Sie wird weiterhin als Rot dargestellt, jedoch mit einer Sättigung, die dem maximal möglichen R-Wert von 255 entspricht. Damit ist sie von einer Farbe, die wirklich den R-Wert von 255 hat (im großen Farbraum demnach den Wert 78) nicht zu unterscheiden. Farben, die außerhalb des Farbraums liegen, verschwinden nicht einfach wie der Mars Climate Orbiter (der vermutlich in der Mars-Atmosphäre verglüht ist), sondern es verschwinden nur die Unterschiede zwischen ihnen. Auf einem Display wirken sie wie eine einzige Farbe. Sie können dies mit einer profanen Überbelichtung vergleichen, wo ja auch alle Details im Weiß – dem maximalen Helligkeitswert – verschwinden.

Ralph Altmann

Bei der Konvertierung aus einem großen in einen kleinen Farbraum werden nicht nur die Farben flauer, sondern es können auch Farbdifferenzierungen verloren gehen, was meist für den Bildeindruck sehr viel nachteiliger ist. Solch starke Verluste wie hier gezeigt sind beim Ausdruck eines Fotos nicht selten.

(Bild: Ralph Altmann)

Farbunterschiede sind allerdings für uns viel wichtiger als die exakte Einhaltung der Farben. Deshalb gibt es bei der Umrechnung zwischen unterschiedlich großen Farbräumen verschiedene Methoden, solche Unterschiede zu erhalten. Statt die außerhalb des kleineren Farbraums liegenden Farben einfach „abzuschneiden“, also sie den am Farbraum-Rand liegenden Farben anzugleichen (wobei eben die Unterschiede verschwinden), verringert man bei der Konvertierung in einen Ausgabefarbraum die Sättigung aller Farben etwas, bis auch die ursprünglich außerhalb liegenden Farben in den kleineren Farbraum passen. In unserer (Welt-)Raumanalogie würde dies bedeuten, dass im Meter-Universum alle Entfernungen schrumpfen, bis ein Meter genauso lang wie ein Fuß ist (die Maßeinheit des kleineren Fuß-Universums). Nun passen alle Planeten auch ins US-amerikanische Maßsystem und kein Mars-Orbiter kann mehr abstürzen. Einstein hätte sicher seine Freude an der Relativität der Farbräume.

Know-how: Was bewirken Farbprofile (Teil 1)

Wir haben hier die im Mohnblütenfoto enthaltenen Farben ins Yxy-Farbdiagramm eingefügt, zuerst im Prophoto-Farbraum (links, die Farben gehen deutlich über die Grenze des sRGB-Farbraums hinaus) und dann nach Konvertierung in den kleineren sRGB-Farbraum. Eine Konvertierung, welche die relativen Farbabstände, also die Differenzierungen erhält, müsste etwa so aussehen wie in der Mitte. In der Praxis werden die Farben bei der Konvertierung aber doch am Farbraumrand zusammengedrängt (rechts).

(Bild: Ralph Altmann)

Welche Methode bei der Umrechnung zwischen Farbräumen zum Einsatz kommt, kann man teilweise wählen. Oft hat die Auswahl jedoch gar keine Auswirkungen – Photoshop und andere Programme täuschen hier Optionen vor, die gar nicht vorhanden sind. Bei den Umrechnungen zwischen Standardfarbräumen wird jedenfalls nie auf die Erhaltung der (relativen) Abstände zwischen den außerhalb des Zielfarbraums liegenden Farben geachtet. Dazu später mehr. Nur bei der Umrechnung in einen Ausgabefarbraum, zum Beispiel den eines Druckers, kann man wirklich zwischen mehreren Methoden wählen, sofern dies vom Druckerprofil unterstützt wird.

In der Fortsetzung widmen wir uns den Auswirkungen unterschiedlicher Bild-Farbräume auf die Displaydarstellung und werden sehen, dass diese auch dann noch eine große Rolle spielen, wenn gar kein Farbmanagement stattfindet. (keh [2])


URL dieses Artikels:
https://www.heise.de/-2631110

Links in diesem Artikel:
[1] http://de.wikipedia.org/wiki/Mars_Climate_Orbiter
[2] mailto:keh@heise.de