Schneller Funk überall

Mit Wimax steht Providern eine neue Funktechnik zur Anbindung von Kunden in dünn besiedelten Gebieten zur Verfügung, in denen der Aufbau einer kabelgebundenen Infrastruktur zu teuer wäre. Aber kann Wimax der Telekom auch in Großstädten gefährlich werden?

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Von
  • Jens Weller

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Die Funktechnik Wimax soll das Potential haben, das Monopol der Telekom für die letzte Meile zu brechen. Versprochen werden eine Übertragungskapazität jenseits von 100 MBit/s und Reichweiten von über 50 Kilometer. Steht eine neue Hype-Technik ins Haus?

Wimax, Worldwide Interoperability for Microwave Access, basiert auf den in IEEE 802.16 genormten Broadband-Wireless-Access-Technologien, Point-to-Multipoint-Übertragungen auf Basis von Mikrowellentechniken für Sichtverbindungen und solche ohne Sichtkontakt. Sie sollen bis zu 134 MBit/s übertragen können, Distanzen bis 60 km überbrücken und im mobilen Bereich noch bei Geschwindigkeiten von über hundert Stundenkilometern funktionieren.

Allerdings gelten diese Spitzenwerte auch in der Theorie nicht gemeinsam. Speziell mit NLOS-Verfahren (Non Line of Sight) sind solche Maximalwerte unerreichbar. Dennoch sind die genannten Parameter so erstaunlich, dass eine nähere Beschäftigung mit Wimax mehr als lohnenswert ist. Immerhin sieht Intel Wimax als "the most important thing since the Internet itself".

IEEE 802.16 normiert Zugangstechniken für Breitbandnetze auf OSI-Schicht 1 (PHY) und 2 (MAC). Der Basis-Standard 802.16 (Wireless MANs) wurde zusammen mit 802.16.2 im Jahr 2001 als amerikanische Norm verabschiedet. IEEE 802.16 definiert LOS-Verbindungen (Line of Sight) in den Frequenzbereichen 10 bis 66 GHz, entspricht also dem Standard für klassischen Mikrowellen-Richtfunk.

Wesentlich für die Hersteller war im April die Verabschiedung von IEEE 802.16a 2003. Dieser Standard definiert NLOS-Verbindungen in lizenzpflichtigen und lizenzfreien Bändern im Bereich von 2 bis 11 GHz. Wichtige Frequenzen sind 3,5 GHz für die lizenzpflichtigen und 5,8 GHz für die lizenzfreien Anwendungen. IEEE 802.16c und IEEE 802.16d beschäftigen sich mit Profilen für 10- bis 66-GHz- beziehungsweise 2- bis 11-GHz-Systeme.

Im Rahmen von IEEE 802.16e, "Mobile Wireless MAN", sind mobile Zugänge mit einem Durchsatz von mehr als 10 MBit/s bei Zellgrößen im Bereich von einigen Kilometern, Geschwindigkeiten von über hundert Stundenkilometern und Roaming zwischen verschiedenen Funkzellen geplant. Neu sind die Managementgruppen IEEE 802.16f und 802.16g, die entsprechende MIBs definieren.

MAN im Mikrowellenbereich

Seit dem 24. Juni 2004 gibt es eine neue Ausgabe des Standards IEEE 802.16 (802.16-2004), die den Basisstandard aus dem Jahre 2001 mit den NLOS-Erweiterungen aus IEEE 802.16a und den Profilen in IEEE 802.16c umfasst, ohne neue Funktionen hinzuzufügen.

Um die 802.16-Standards in kompatible Produkte umzusetzen, hat sich das Wimax-Forum etabliert. Es wurde im Jahre 2003 von Nokia, Wi-LAN und Ensemble gegründet, heute zählen mehr als 170 Firmen dazu, von Alcatel und AT&T über Fujitsu, Intel und Siemens bis zu Yahoo.

Einer der wesentlichen Vorteile von IEEE 802.16 ist die breite Auswahl unterschiedlicher Verfahren, die für die meisten Zugangsszenarien die jeweils optimale Lösung bieten sollen. Für die Kommunikation ohne Sichtverbindungen kommen Orthogonal Frequency Division Multiplexing (OFDM) nebst Orthogonal Frequency Division Multiple Access (OFDMA) zum Einsatz. OFDM ist ein auch bei 802.11a oder DVB-T eingesetztes Verfahren, das ein Breitband- auf mehrere, möglichst übersprechungsarme Schmalbandsignale aufteilt. Bei OFDMA handelt es sich um den dafür vorgesehenen Mechanismus für die Zuteilung der Kapazitäten an verschiedene Benutzer, der allerdings nicht zwingend zum Einsatz kommen muss – 802.11a beispielsweise arbeitet mit OFDM, aber ohne OFDMA. Zur Authentifizierung der Basisstationen gegenüber der zentralen Sendeinstanz kommen X.509-Zertifikate zum Einsatz, die auch für die Verschlüsselung des Datenverkehrs sorgen.

Jenseits von UMTS

Die eingangs genannten Eckdaten verdeutlichen, dass Wimax nicht, wie gelegentlich behauptet, als Alternative zu UMTS zu betrachten ist. Es spielt mit 20 MBit/s gegenüber 1 MBit/s und realistischen Zellgrößen von 30.000 gegenüber 300 Metern Radius in einer ganz anderen Liga. Ob allerdings Wimax UMTS überflüssig machen kann, steht auf einem anderen Blatt.


Online-Quellen
Informationen zum Standard
Wimax-Forum
Deutscher Frequenzbereichszuweisungsplan mit Nutzungsbestimmungen
Eckpunktepapier der RegTP
Frequenzvergabe in Österreich

Wimax ist in erster Linie eine Zugangstechnik für die stationäre Geschäfts- und Privatkundenanbindung, in der zweiten Ausbaustufe ist die Einbindung mobiler Geräte geplant (Ankündigung von Intel für 2006). Und: Wegen der Kanalkapazität und vorgesehener QoS-Verfahren ist die Übertragung von Daten und Sprache möglich.

Eines der ersten Einsatzgebiete dürfte die Anbindung von 802.11-Hotspots an das Internet sein. Weitere Szenarien sind Campusverbindungen in größeren Unternehmen und der Ersatz von DSL-Verbindungen. Während Point-to-Multipoint-Richtfunk nur ein paar Kilometer weit sendete, soll der Radius einer 802.16a-Zelle bis zu 50 Kilometer groß sein können. Realistisch schätzen Experten die maximale Entfernung auf bis zu 30 Kilometer, wobei auch Hindernisse zwischen Sender und Empfänger stehen dürfen. Der Durchsatz liegt bei etwa 240 MBit/s pro Basisstation, unterteilt in sechs 60-Grad-Sektoren à 40 MBit/s. Das entspricht 240 SDSL-Leitungen zu je 1 MBit/s.

Finanzierbare DSL-Alternative

Diese Zellgrößen und Teilnehmerzahlen machen Wimax ökonomisch interessant, und zwar als flächendeckende Alternative zu DSL. UMTS schafft das nicht auf Grund der beschränkten Übertragungskapazität. 802.11-WLANs zögen wegen der zu kleinen Funkzellen nicht finanzierbare Infrastruktur- und Betriebskosten nach sich. Wimax hat diese Nachteile nicht.

Großstädte lassen sich mit wenigen Basisstationen versorgen. Um etwa den Stadtbereich von Darmstadt abzudecken, wären lediglich 16 Basisstationen (mit je vier Sektoren bei 90 Grad Ausleuchtung) notwendig. Nimmt man eine Übertragungskapazität von 40 MBit/s an, so liegt die gesamte Bandbreite in diesem Netz bei 2,5 Gbps. Selbst wenn man mit geringen Überbuchungsfaktoren rechnet, kann man mit dieser Bandbreite leicht 5000 Endkunden bedienen.

Geht man von Kosten je Basisstation von 50.000 Euro aus, so ergibt sich ein Investitionsvolumen von 800.000 Euro. Ein Teilnehmerzugang schlägt mit etwa 1500 Euro zu Buche, sodass sich bei mit DSL vergleichbaren Preisen in vielen Fällen ein Return of Invest im Jahresbereich ergibt. Hinzu kommt, dass auf Grund der QoS-Garantien nicht nur der Daten-, sondern auch der Sprachanschluss ersetzt werden kann. Aus Kundensicht heißt das, er spart nicht nur die DSL-, sondern auch die ISDN-Gebühren.

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Point-to-Multipoint: 802.11-WLAN-Zellen werden per Draht von Border-Routern versorgt, die wiederum über Funk mit der zentralen Sendestation verbunden sind.

So weit die Theorie. Ganz so weit ist man in der Praxis noch nicht. Im Juni 2004 gab Intel die Ergebnisse eines Pilotprojektes in Warner Robins, Georgia, bekannt: In einem Umkreis von 12,5 Meilen hat man eine Bandbreite von 6 Mbps realisiert. Als Reichweite für Wimax spricht Intel mittlerweile von bis zu 10 Meilen.

Wi-LAN hat in Vantaa, Finnland, eine Internetanbindung per Funk für 150 Teilnehmerstationen aufgebaut, die auf 802.16-2004 umgestellt werden sollen. Zurzeit werden Richtfunkstrecken mit Sichtverbindung für die Versorgung einzelner Gebiete eingesetzt, mit einer Reichweite von 4 Kilometern. Der Teilnehmeranschluss verfügt über eine Bandbreite von 512 Kbps, eingesetzt wird "Pre-Wimax-Technik".

In Skelleftea, Schweden, ist ein Gebiet von 7000 Quadratkilometern abgedeckt. In diesem Pilotprojekt wird laut Projektleitung in drei Orten bereits 802.16a-Technik eingesetzt.

In Deutschland gab es zwei Pilot-Projekte. In Schloss-Holte Stuckenbrock, einem so genannten NDV (Non DSL Village), wurde ein Wimax-Projekt begonnen und, da man nicht die nötigen 500 initialen Kunden gewinnen konnte, wieder eingestellt. Grund: Die Telekom sah sich urplötzlich doch in der Lage, DSL anzubieten. Beharrlicher ist man in Selm. Obwohl auch hier die Telekom nach Bekanntwerden der Wimax-Pläne einer Internet-Agentur sehr schnell bereit war, Glasfaser-Kupfer-Adapter zu installieren und T-DSL anzubieten, macht man mit 260 angemeldeten Kunden weiter, Weihnachten 2004 gingen die ersten 60 Anschlüsse drahtlos online. Das Preis/Leistungs-Verhältnis entspricht in etwa dem von T-Online. Leider waren keine weiteren technischen Details über die Ausstattung dieses Projekts zu erfahren.

Was die mögliche Bandbreite angeht, sind sich die Fachleute durchaus nicht einig. So gibt es Stimmen, die bei einer Sichtverbindung auf einer Distanz von 15 Kilometern 4,5 MBit/s für das Maximum halten.

Offene Regulierungsaspekte

Die Produktsituation im 802.16-Bereich lässt sich am besten mit "real soon now" beschreiben. Auf dem Intel Developer Forum kündigte Intel "Rosendale" an, einen Chip, der 10/100-Base-T und 802.16-2004 integriert und 2005 verfügbar sein soll. Auch andere Hersteller haben Produkte im Breitband-Wireless-Access-Bereich angekündigt, viele von ihnen können schon länger Pre-802.16-Systeme liefern. Die folgende Tabelle gibt eine Übersicht zu Anbietern von Systemen mit mehr als 384 Kbps im Frequenzbereich unter 10 GHz. Alvarion will die heutigen Geräte gegen standardkonforme austauschen, Wi-LAN, Inhaber der Basis-OFDM-Lizenz, nutzt bereits heute 256 Subcarrier und garantiert ihren Kunden einen Upgrade auf die standardkonforme Version.


Breitband-Funkprodukte
Firma Gerät
AxxceleraAB Access
AirSpanAS400, AS4020
AlvarionWALKair, BreezeAccess, eMGW
Aperto NetworksPacketWave
BeamReachBeamPlex System
Cambridge BroadbandVecta Star
HarrisClearBurst MB
IP WirelessTotal Network Solution
MarconiMDMS, WipLL
MotorolaCanopy
NaviniRipWave
SR Telecom (Netro)Angel, AirStar, Symmetry
NextNetExpedience
ProximTsunami PMP
Soma NetworksSoftAir
RemecExcelAir 70
Trango BroadbandAccess 5800, FOX5800
VyyoV251 Wireless Modem, V3000 Wireless Hub
WaveRiderLMS2000, LMS2001, LMS4000, LMS3000
Wi-LANLibra MX 5800, Ultima3

Langfristig gesehen ist Wimax eine "Carrier Class"-Technologie, was bedeutet, dass lizenzfreie Bänder wie 5,8 GHz nur für eine Übergangszeit infrage kommen. Andernfalls würden sich ähnliche Probleme ergeben, wie sie aus den 802.11-Netzen bekannt sind – Überlagerung und gegenseitige Störung von Funkzellen, Kollisionen mit anderen Strahlungsquellen et cetera. Vor allem ist – in Deutschland – die Sendeleistung im 5,8-GHz-Bereich auf 1 Watt beschränkt, was die mögliche Reichweite auf wenige hundert Meter begrenzt. Für das lizenzpflichtige 3,5-GHz-Band dagegen kann man mit 3 Watt für Endgeräte und 30 bis 60 Watt für Sendestationen rechnen.

Das Problem: Das 3,5-GHz-Band ist in Deutschland bereits für die Wireless-Local-Loop-Technologie vergeben worden, ein Verfahren, das niemals nennenswerte Marktanteile erreichte. Viele der Firmen, die damals Lizenzen gekauft haben, sind heute insolvent, andere haben die Lizenz geparkt, sodass diese brachliegen. Die Regulierungsbehörde hat darum im Dezember 2004 ein Eckpunktepapier veröffentlicht, um die Vergabe dieses Frequenzbereiches neu zu regeln. Bis zum 10. Februar 2005 können Interessenten Stellungnahmen dazu abgeben, ab 2006 stehen dann wahrscheinlich ausgewählte Frequenzen mit regionalen Einschränkungen zur Verfügung. In Österreich ist man schon weiter: Dort wurden im Herbst 2004 die Lizenzen vergeben. (js)