Surfen in der Pampa

Das Gebiet um Skelleftea in Nordschweden, rund 200 Kilometer südlich des Polarkreises, ist dünn besiedelt. Viel gibt es hier nicht, aber immerhin eine verdammt schnelle Internetanbindung.

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Lesezeit: 7 Min.
Von
  • Holger Eriksdotter
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Foto: Jan Hedström

Hier, wo eine Verkabelung der über 7000 Quadratkilometer großen Gemeinde Unsummen verschlingen würde, ragen die zurzeit leistungsfähigsten Funkantennen für Breitband- Datenübertragung in den Himmel: Kein Hügel, kein Hochhaus weit und breit – Idealbedingungen für die neue Funktechnik Wimax (Worldwide Interoperability for Microwave Access), einer Art Super-WLAN. Seit letztem September betreibt der schwedische Anbieter MobileCity zusammen mit dem Chip-Riesen Intel diese Testanlage.

30 Haushalte nahmen anfangs an dem Test teil und wurden mit 8 Megabit (MBit) Übertragungsrate (wohlwollend 10fache DSL-Geschwindigkeit) ans Internet angeschlossen, sie benötigten lediglich eine Außenantenne. "Eine Breitbandversorgung mit Wimax kostet in dieser Region etwa ein Siebtel dessen, was man für eine Verkabelung ausgeben müsste", sagt Goran Eriksson, Geschäftsführer von MobileCity. Zurzeit haben nur 23 Prozent der Schweden Internetzugang über Kabel. Der Rest sind potenzielle Wimax-Kunden. Wenn auch die sprichwörtliche letzte Meile in Deutschland nicht ganz so lang ist wie in Nordschweden, so könnte Wimax doch auch hierzulande ein Erfolg werden. Die theoretisch möglichen Wimax-Reichweiten von 50 Kilometern bei Übertragungsraten von 70 MBit sind allerdings der Idealfall und nur bei einer Sichtverbindung erreichbar. Dafür sind eine Richtantenne nötig und ein fester Standort des Empfängers.

Bei mobilen Endgeräten sieht das ganz anders aus: "Auch Wimax unterliegt den Gesetzen der Physik", sagt Wolfgang Holz, Leiter des Bereichs "Drahtlose Netzzugänge" bei Alcatel. "Die Spitzenwerte einer stationären Sichtverbindung lassen sich mit mobilen Endgeräten nicht erreichen, denn bei Non-Line-of-Sight-Verbindungen schmelzen die großen Reichweiten zügig zusammen: "In Gebäuden und in eng bebauten Städten lägen typische Reichweiten eher bei 600 Metern." Den Metrospot, der mit einer zentralen Antenne alle Laptops einer Stadt mit Internetzugang versorgt, wird es auch mit Wimax nicht geben.

Ursprünglich war Wimax als Richtfunkstandard mit Sichtverbindung geplant. Aber dann hat das Wimax-Forum mit 170 Teilnehmern, darunter Unternehmen wie AT&T, Intel, Nokia und Siemens, auch die Versorgung von portablen Geräten ins Auge gefasst. Weil Mehrfachreflexionen, fehlende Richtcharakteristik der Antennen und Wände das Signal abschwächen, sind für mobile Anwendungen allerdings robustere Modulationsverfahren nötig. Die entsprechend überarbeiteten Wimax- Spezifikationen befinden sich derzeit noch in der Standardisierungsphase.

Dabei hat die stationäre Technik schon lange den Beweis ihrer Tauglichkeit erbracht. "Wir verkaufen schon jetzt auf Wimax-Technik basierende Anlagen ins Ausland", sagt Alcatel-Experte Holz. In Chile und Brasilien versorgt Wimax ganze Landstriche, in Frankreich ist das Department Vendée flächendeckend mit der Funktechnik ausgestattet, in Hongkong surfen fast eine Million User per Wimax. Alle Installationen sind allerdings noch "Pre-Wimax", ohne internationales Zertifikat und untereinander nicht kompatibel.

Das soll sich noch im Laufe dieses Jahres ändern. Der gemeinsame Standard ist fertig, lediglich einige Details stehen noch aus. Wenn auch das geklärt ist, steht der Eroberung des Massenmarktes eigentlich nichts mehr im Wege. Besonders der Chip-Gigant Intel gehört zu den eifrigsten Verfechtern und hat einen ehrgeizigen Zeitplan vorgelegt: Nach den fest installierten Außenantennen (IEEE 802.16a) sollen noch in diesem Jahr kleinere Zimmerantennen den stationären Empfang von Wimax ermöglichen (IEEE 802.16 Rev d); etwa ab 2007 könnten dann mobile Wimax-Geräte wie Laptops, PDAs oder Handys auf den Markt kommen (IEEE 802.16 e). Einen speziell für Wimax entwickelten Chip – Rosedale genannt – liefert Intel seit kurzem aus.

Damit scheint hardwareseitig alles auf dem Weg zu sein, in Deutschland ist jedoch noch nicht einmal geklärt, wer überhaupt per Wimax funken darf. "Bisher haben wir etwa zehn Lizenzen für den Wimax-Testbetrieb vergeben", sagt Bernhard Möhl, der bei der Regulierungsbehörde (RegTP) für das Zuteilungsverfahren der Wimax-Frequenzen zuständig ist.

Sogar die Art der Lizenzvergabe ist noch offen: Zur Debatte steht die so genannte Allgemeinzuteilung. Dann könnte jeder Anbieter, wie heute bei WLANs, ohne spezielle Erlaubnis eine Wimax-Sendestation betreiben. "Das ginge jedoch nur mit einer Zwangsregistrierung, denn die Frequenzen sind knapp", sagt Möhl. "In einer Region können parallel nur wenige Wimax-Stationen betrieben werden." Alternativ käme die Einzelzuteilung in Frage, bei der die RegTP die Betriebserlaubnis für bestimmte Regionen erteilt.

"Wir denken auch über ein Licensinglight nach, das die Vergabe vereinfacht. Dabei müssten sich die Interessenten im Falle von Frequenzknappheit durch konkurrierende Anträge untereinander einigen", sagt RegTPMann Möhl. Welche Art der Vergabe beziehungsweise ob und mit welchen Auflagen eine Wimax-Betriebserlaubnis verbunden sein wird, sei gegenwärtig noch völlig offen. Zurzeit hat Möhl mehr als 50 Kommentare zum Anhörungsverfahren auf dem Schreibtisch. Bedarf gibt es in Deutschland. Viele Gebiete auf dem flachen Land werden von der Telekom aus Kostengründen nicht mit DSL versorgt. Auch Regionen, die in den 90ern mit Glasfaser-Technik ausgestattet wurden, also praktisch der gesamte Osten, bekommen keine flächendeckende DSL-Breitbandversorgung, denn DSL ist eine Kupfertechnik.

In diesen Bereichen sieht Michael Friedewald vom Fraunhofer-Institut für Systemund Innovationsforschung in Karlsruhe die ersten Einsatzorte für die neue Funktechnik: "Für Gebiete ohne DSL-Versorgung drängen sich Wimax-Netze geradezu auf", sagt der Forscher. Als Autor der Studie "Wechselseitiges Verhältnis hochbitratiger Funknetze in künftigen Telekommunikationsmärkten" hat er das Potenzial der verfügbaren und zukünftigen Funktechnologien untersucht. Sein Resümee: Auf absehbare Zeit wird Wimax keines der vorhandenen Funknetze, weder WLAN noch UMTS, ersetzen oder überflüssig machen, sondern die vorhandene Infrastruktur ergänzen und die bestehenden Lücken – vor allem auf der DSL-Landkarte – schließen.

Das Telekom-Unternehmen Arcor hat seine Labortests mit Wimax inzwischen abgeschlossen und startet demnächst den ersten Feldversuch. Auch Arcor plant keine Versorgung in Ballungsräumen, sondern startet auf dem flachen Land: "Sinnvoll ist der Einsatz von Wimax etwa in Gemeinden mit 500 bis 2000 Einwohnern – das kann auch wirtschaftlich funktionieren", sagt Arcor-Sprecher Michael Peter. Er rechnet im nächsten Jahr mit ersten kommerziellen Angeboten. "Wir haben aber keine Pläne, in Großstädten eine Wimax-Infrastruktur aufzubauen; das würde erhebliche Investitionen erfordern."

Anfang Juli wird die RegTP das Ergebnis der Kommentierung veröffentlichen und die Art der Zuteilung festlegen. "Das muss dann aber noch in Handlungsanweisungen umgesetzt werden", sagt Möhl. Wann die ersten Wimax-Stationen online gehen können, hängt dann noch davon ab, für welches Verfahren sich die RegTP entscheidet. "Bei einer Allgemeinzuteilung geht das schneller, die Einzelzuteilung nimmt etwas mehr Zeit in Anspruch. Aber ich rechne damit, dass wir noch in diesem Jahr die ersten Wimax-Frequenzen an die Anbieter vergeben." ([amilto:wst@heise.de wst])

(Entnommen aus aus Technology Review Nr. 6/2005; das Heft können Sie hier bestellen) (ll)