Videogrüße per Handy

Nokias Deutschland-Chef Mads Winblad vergleicht die Einführung der Multimedia-SMS (Multimedia Messaging Service, MMS) mit dem Übergang vom Radio zum Fernsehen.

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Von
  • Torge Löding

Nokias Deutschland-Chef Mads Winblad vergleicht die Einführung der Multimedia-SMS (Multimedia Messaging Service, MMS) mit dem Übergang vom Radio zum Fernsehen. Eine Revolution. Gerätehersteller und Mobilfunkunternehmen hoffen tatsächlich auf eine Umwälzung durch MMS. Denn mit dem neuen Dienst soll es nun schon vor der Einführung von UMTS möglich sein, Nachrichten mit bunten Bildern, Filmen und Musik per Handy oder PDA zu versenden. Im Unterschied zur E-Mail müssen bei der MMS auch keine Attachments geöffnet werden – quasi drehbuchartig läuft eine Message nach dem Empfang so ab, wie der Absender sie vorgegeben hat.

Dem Verbraucher soll der MMS-Dienst neue Info-Möglichkeiten und Unterhaltung bieten. Netzbetreiber und Gerätehersteller erhoffen sich dadurch Auftrieb für ihr lahmendes Geschäft. So gibt es denn auch keinen, der auf der CeBIT zu diesem Thema nichts zu präsentieren hätte. Angeheizt werden die Hoffnungen von Marktanalysen wie der des Finanzunternehmens Merrill Lynch. Die besagt, dass 2002 rund 56 Prozent aller Gerätekäufe Ersatzkäufe für ältere Modelle sein werden. Bis Ende 2003 können weltweit angeblich 125 Millionen MMS-fähige Geräte abgesetzt werden. Typische Merkmale der neuen Geräte sind Farbdisplay und integrierte Kamera (bei Ericsson eine Aufsteck-Kamera). Die ersten kommen schon auf der CeBIT 2002 zum Einsatz: Einige Handvoll Hostessen hasten dann durch die Hallen und bieten ihre Dienste als Fotografinnen an. Das Foto wird als MMS aufbereitet und an einen Messestand verschickt, wo sich Besucher das Ergebnis anschauen können.

Als Programmiersprache zur Zusammenstellung und für die Ablaufsteuerung von MMS-Nachrichten wurde Smil (Synchronized Multimedia Integration Language) entwickelt. Auf XML-Basis beschreibt Smil die Chronologie einer Multimediapräsentation und deren Darstellung auf dem Display und erlaubt die Verknüpfung von Hyperlinks mit Multimedia-Objekten. Kürzlich formierten Verteter führender Unternehmen wie Ericsson, Motorola, Siemens, Sony Ericsson, CMG Wireless Data Solutions und Comverse eine sogenannte Gruppe für Interoperabilität (IOP) von MMS. Diese Initiative wurde mit dem Third Generation Partnership Project (3GPP) und dem WAP-Forum abgestimmt. Ihr Ziel ist es, dass Smil-Elemente auch in anderen XML-Sprachen nutzbar bleiben und eine reibungslose End-to-End-Durchführung von mobilen Multimedia-Diensten zwischen MMS-fähigen Mobiltelefonen und Servern unterschiedlicher Hersteller zu gewährleisten.

Die Länge einer MMS ist prinzipiell nicht begrenzt. Bis etwa 100 Kilobyte werden zunächst möglich sein – bei Ericsson rechnet man mit einer durchschnittlichen Größenordnung von 50 Kilobyte je Nachricht. Bereits vor dem Versenden über die Luftschnittstelle soll eine MMS an die Gegebenheiten des Empfänger-Gerätes angepasst werden. So soll verhindert werden, dass Nutzer eine bestellte MMS bezahlen müssen, die sie nach dem Empfang nicht lesen können. Denn in diesem Jahr werden nicht nur die neuen Multimedia-Handys unangenehm teuer sein (kein Hersteller rechnet mit Preisen unter 500 Euro): Eine MMS wird wie ein Datenpaket per GPRS verschickt. Nach den aktuellen GPRS-Tarifen würde der Versand einer durchschnittlichen MMS rund 1,50 Euro kosten. Den Mobilfunkanbietern ist klar, dass das zuviel ist. Immer noch hinter verschlossenen Türen tüfteln Viag Intercom, Vodafone, T-Mobile und Co an realistischen Einführungsangeboten. Klar ist nur, dass die sich die Bezahlmethode grundsätzlich an der SMS-Abrechnung orientieren wird: In der Regel zahlt der Absender, nur bei abonnierten Diensten wie etwa Börsennachrichten mit Echtzeit-Kursen bezahlt der Empfänger.

Zur Multimedia-Infrastruktur der Betreiber gehören MMS-Rechner im Netz - MMS-Center. Dessen Aufgaben ähneln denen eines SMS-Centers, das jeder Mobilfunkbetreiber selbst unterhält oder von einem Dienstleister betreiben lässt. Jede Kurznachricht läuft über so ein Center, wird hier verwaltet, bearbeitet und weitergeleitet. Die MMS-Rechner müssen nur leistungsstärker sein, denn das MMS-Center tritt über das Endgerät in den Dialog mit dem Kunden, der seine Wünsche artikuliert und MMS-Aktionen konfiguriert; das geschieht zumeist per Wap. Ein angeschlossener Inhalts-Server hält Informationen bereit, die der Nutzer abrufen kann.

Ericsson war im September 2001 der erste Hersteller, der so ein MMS-Center vorgestellt hat. Auch die Dortmunder Materna GmbH, die als Dienstleister zum Beispiel ein SMS-Center für E-Plus betreibt, hat bereits eine Lösung entwickelt. Materna-Projektleiter Dirk Markner glaubt an den Siegesfeldzug der MMS. "Wichtig ist auch die Bereitstellung einer Speicherlösung, denn auf dem Gerät kann man nicht genügend MMS speichern. Ich setze auf Storage im Internet."

Auch die werbetreibende Industrie wartet angeblich ungeduldig auf den Dienst und die neuen Reklamemöglichkeiten. Bei soviel Freude bleibt nur eine unangenehme Frage unbeantwortet: Droht uns bald der Mega-Spam per MMS? Das kann ja heiter werden ... (tol)