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Ressourcenschonung im Informationszeitalter

Daniel Koch, Alexander Neumann

Kaum ein Unternehmen, das nicht mit aktivem Umweltschutz wirbt. An einer Branche schienen grüne Bestrebungen allerdings lange vorbeizugehen: der IT. Das hat sich mittlerweile geändert. Allerorten ist mittlerweile von Green IT und "Grüner Software" zu lesen.

Kaum ein Unternehmen, das nicht mit aktivem Umweltschutz wirbt. Die Autohersteller sind natürlich ganz vorne mit dabei. Aber auch Energieunternehmen buhlen mehr und mehr um die Gunst umweltbewusster Kunden. An einer Branche schienen grüne Bestrebungen allerdings lange vorbeizugehen: der IT. Das hat sich mittlerweile geändert. Allerorten ist mittlerweile von Green IT und "Grüner Software" zu lesen.

Wie wichtig Green IT ist, verdeutlicht beispielsweise die aktuelle Studie "Abschätzung des Energiebedarfs der weiteren Entwicklung der Informationsgesellschaft [1]" der Fraunhofer-Institute IZM und ISI. Für sie untersuchten beide im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie (BMWI) unter anderem den Energieverbrauch der ITK-Techniken. Der Abschlussbericht geht davon aus, dass heute die IT etwa 10 Prozent des gesamten Strombedarfs verwendet. Der Wert wird sich voraussichtlich bis zum Jahr 2020 auf 30 Prozent steigern.

Dass Green IT zwar ein weitverbreiteter Begriff ist, kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass das Thema noch nicht in den Köpfen angekommen ist. Anders lässt sich wohl kaum erklären, dass bei einer Umfrage [2] der Münchner Experton Group lediglich 15 Prozent der deutschen IT-Entscheider den Energiebedarf ihres eigenen Rechenzentrums kannten. Verwundern muss das freilich niemanden. Denn in der Tat liegt die Verantwortung für den Energieverbrauch bei den meisten Unternehmen in den Händen des Facility Management. Dort können die Verantwortlichen oft nur schlecht einschätzen, wie weit ein Rechenzentrum tatsächlich herunterzukühlen ist, damit es problemlos läuft. Experten empfehlen daher, dass die IT-Entscheider der Unternehmen die Aspekte des Energiebedarfs bestimmen sollten.

Um für die kommenden Aufgaben gewappnet zu sein, werden weltweit Initiativen gegründet, die sich dem Thema Green IT widmen. In Deutschland ist das beispielsweise die "Green IT Allianz [3]", ein Zusammenschluss der ITK-Wirtschaft.

Spricht man von Green IT, kommt die Sprache fast zwangsläufig auf die Rechenzentren. Experten gehen mittlerweile davon aus, dass der Stromverbrauch der momentan circa 50.000 deutschen
Rechenzentren 2006 bei 8,67 Terawattstunden (TWh) lag, was der Jahresproduktion von drei mittelgroßen Kohlekraftwerken entspricht. Geht die Tendenz unverändert weiter, würde das 2010 einen Stromverbrauch der Rechenzentren von 12,9 TWh bedeuten. Wie sich die Energieeffizienz in Rechenzentren steigern lässt, zeigt die Bitkom in ihrem "Leitfaden zur Energieeffizienz im Rechenzentrum [4]". Für die Steigerung der Energieeffizienz von Rechenzentren sind unterschiedliche Aspekte zu berücksichtigen. Sie reichen von der Hardware über die Stromversorgung bis hin zur Gebäudeplanung und Kühlung. Vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit gibt es zum Thema die durchaus lesenswerte Broschüre "Energieeffiziente Rechenzentren: Best-Practice-Beispiele aus Europa, USA und Asien [5]".

Viele sehen in der Virtualisierung eine der Schlüsseltechniken für Green IT. Denn durch sie lassen sich die einzelnen Rechner innerhalb eines Unternehmens besser auslasten. Eines der größten Probleme ist es, dass Server auch bei schwacher Auslastung Wärme erzeugen und Strom verbrauchen. Steigt die Anzahl der Systeme, sinkt erfahrungsgemäß die Auslastung der einzelnen Server. Denn jeder Server ist auf die Maximalleistung ausgerichtet. Da sie allerdings nur in (kurzen) Spitzenzeiten beansprucht wird, arbeiten die meisten Server die Hauptzeit mit wenigen Prozent ihrer tatsächlichen Leistung. Hier setzt die Virtualisierung – also das Zusammenfassen und Aufteilen von Ressourcen eines physischen Rechners in mehrere isolierte Umgebungen – an, durch die sich die Auslastung der einzelnen Server optimieren lässt. Wie effektiv eine Virtualisierung tatsächlich sein kann, zeigt die Experton Group in einer Studie [6], in der die Analysten von einem mittelständischen Industrieunternehmen mit 900 Mitarbeitern ausgehen, die über drei deutsche Standorte verteilt sind. Das Unternehmen betreibt ein Rechenzentrum mit 25 dezidierten Servern, 120 Blades in Racks und 10.000 Gigabyte Storage-Volumen (SAN/NAS). Der Stromverbrauch der Infrastruktur beträgt circa 1,2 MWh pro Jahr, was Kosten in Höhe von circa 165.000 Euro entspricht. Die Experton Group hat auf Basis der Daten berechnet, wie sich in dem Szenario Virtualisierung auswirken würde. Das Ergebnis weiß durchaus zu überzeugen: Die Kosten für die Umstellung der Infrastruktur hätte sich – konstante Strompreise vorausgesetzt – nach 32 Monaten wieder amortisiert.

Üblicherweise stehen die Rechenzentren, wenn es um das Thema Green IT geht, im Vordergrund. Das bedeutet aber nicht, dass nicht auch die Client-Seite etwas für den Umweltschutz tun kann. Die aktuelle Windows-Version soll – laut Microsoft [7] – deutlich energieeffizienter als ihre Vorgänger arbeiten. Das ist übrigens nicht nur aus Umweltaspekten löblich, Notebook-Besitzer dürfen sich demnach längere Akku-Laufzeiten erhoffen. Einem aktuellen Test von Intel und Microsoft zufolge soll Windows 7 zwischen 10 und 20 Prozent weniger Energie verbrauchen. Verschweigen darf man allerdings nicht, dass es bei dem Test ausschließlich um das Abspielen einer DVD ging. Darüber, wie sich andere Faktoren auf den Energiehaushalt auswirken, schweigt sich der Test aus.

Professionelles Debugging kann die Fehleranfälligkeit von Software deutlich senken.

Softwareentwickler werden sich in naher Zukunft immer mehr die Frage stellen, wie sich "Grüne Software" entwickeln lässt. Denn immer mehr Kunden werden – allein schon aus Kostengründen – auf energiesparende Applikationen setzen. Entwickler müssen zunächst einmal nicht unbedingt neue Wege einschlagen. Vielmehr gilt es, sich auf eines der Hauptziele der Softwareentwicklung zu konzentrieren: Am Ende sollte ein anwenderfreundliches Produkt entstehen. Daran hapert es aber oftmals. Stattdessen kommt Software auf den Markt, die für normale Anwender wenig intuitiv ist und sich nur schwer bedienen lässt. Das führt in Unternehmen dazu, dass regelmäßig Schulungen nötig werden. Diese sind es wiederum, die einen erhöhten Energieaufwand bedeuten. Hält man sich vor Augen, dass durch gute Software der Schulungsaufwand von drei auf einen Tag reduziert werden könnte, hieße das für die Unternehmen eine Einsparung von Energie und Arbeitszeit um zwei Drittel.

In Sachen Entwicklung "Grüner Webseiten" scheint es auf den ersten Blick keinen Gestaltungsspielraum zu geben. Dem ist allerdings nicht so, gewinnt beispielsweise blackle.com [8], eine schwarze Version von Google, immer mehr Anwender. Die Idee dahinter klingt durchaus einleuchtend. Da blackle.com mit einem schwarzen Hintergrund daherkommt, geht man gemeinhin davon aus, dass dadurch der Monitor des Betrachters weniger Strom verbraucht. Ist das ein Grund, alle Seiten ab sofort dunkel zu gestalten? So einfach ist es nicht. Denn Strom lässt sich bei blackle.com & Co. leider nur bei Röhrenmonitoren einsparen. Bei TFT-Bildschirmen sieht die Sache hingegen anders aus. Messungen des Wall Street Journal [9] zeigen, dass TFT-Monitore bei schwarzen Hintergründen zwischen zwei und vier Watt mehr Strom verbrauchen. Der Ansatz schwarzen Webdesigns mag auf den ersten Blick richtig sein, effektiv ist er in Zeiten weitverbreiteter TFTs allerdings nicht.

Einen effektiven Beitrag zum Schonen von Ressourcen kann man als Webentwickler dennoch leisten. Großes Potenzial bieten Druck-Stylesheets, mit denen sich spezielle Eigenschaften für eine Webseite definieren lassen, die erst beim Ausdrucken der Seite angewendet werden. Darüber lassen sich Papier und Toner sparen. Das geht einfach, indem man den Medientyp dem link-Element zuweist.

<link rel="stylesheet" type="text/css" href="styles/print.css" media="print" />

Der Wert print des media-Attributs teilt dem Browser mit, dass er die Stylesheets automatisch anwenden soll, wenn das Dokument ausgedruckt wird. Mit der Definition einer zusätzlichen Stylesheet-Datei ist es allerdings längst noch nicht getan. Denn wirklich sinnvoll ist das nur, wenn die Druck-Datei tatsächlich für den Ausdruck optimierte Elemente enthält. Es wäre zunächst zu überlegen, was denn alles zu drucken ist. Bilder und Grafiken, die eine Webseite optisch ansprechend machen, sollte man in aller Regel nicht mit ausdrucken. (Hintergrundbilder und -farben drucken die meisten Browsern standardmäßig nicht mit.) Mit CSS lässt sich über die display-Eigenschaft explizit festlegen, welche Elemente man anzeigen möchte beziehungsweise welche nicht.

#bild {
display:none;
}

Verwendet man den Wert none, lassen sich die dadurch gekennzeichneten Elemente nicht anzeigen, folglich auch nicht ausdrucken. display:none sollte man vor allem auf Elemente wie Navigation, Werbebanner und Schaltflächen anwenden. Ziel ist es, alle Elemente auszublenden, die der Benutzer in der Druckversion nicht braucht. Weiteres Optimierungspotenzial stellen Schriftarten und -farben dar.

Die Schriftgröße für den Ausdruck definiert man über Punkt-Angaben. Zusätzlich sollte man dafür sorgen, dass der Text tatsächlich die gesamte Breite des ausgedruckten Blatts einnimmt.

#content   { 
background-color:transparent;
padding: 0px;
margin: 0px;
}

CSS3 führt die sogenannten Media Queries [10] ein. Dank dieses neuen Moduls sollen sich die Stylesheets an die Größe des jeweiligen Endgeräts anpassen lassen. Die Media Queries sind übrigens bereits heute nutzbar. So unterstützen beispielsweise iPhone, Mozilla 3.5, Opera 10 und Safari 4 das Modul.

.content  {float: left; width: 50%; padding: 1% 1% 0 0; border-top: 
3px solid overflow: hidden}
@media all and (max-width: 640px) {
.content {width: 99%;}
}
@media all and (min-width: 640px) {
.content {width: 49%;}
}
@media all and (min-width: 800px) {
.content {width: 32%;}
}
@media all and (min-width: 1000px) {
.content {width: 25%;}
}
@media all and (min-width: 1200px) {
.content {width: 19%;}
}

Die CSS3 Media Queries liegen momentan als W3C Candidate Recommendation [11] vor.

Die GreenSoftwareCommunity lädt zum Mitmachen ein.

Für Green Software kann sich übrigens jeder Entwickler engagieren. So wurde vor Kurzem die sogenannte GreenSoftwareCommunity [12] unter Federführung der KATE-Kontaktstelle für Umwelt und Entwicklung, dem Forschungszentrum Informatik Karlsruhe und der Karlsruhe Technology Consulting GmbH gegründet. Die neue Community konzentriert sich auf das sogenannte Öko-Management. Kernpunkte der Software sollen Umwelt- und Energieeffizienz, nachhaltige Betriebsführung und laufendes Controlling sowie Umwelt- und CSR-Reporting (Corporate Social Responsibility) bilden. Als Plattform der neuen Applikation dient die seit 2005 in zahlreichen Projekten eingesetzte Open-Source-Managementsoftware AVANTI von KATE.

Mehr Infos

Green Hosting

Nicht nur bei der Web-Entwicklung kann man etwas in Sachen Green IT unternehmen. Auch das Hosting kann durchaus "grün" sein. Es gibt mittlerweile zahlreiche Anbieter, die ganz auf Öko-Strom setzen. Handelte es sich bis vor nicht allzu langer Zeit um eher kleine Provider, sind mittlerweile einige der Großen auf den Zug aufgesprungen. So bezieht der Massen-Hoster Strato [13] seinen Strom von der baden-württembergischen NaturEnergie AG, die auf Laufwasserkraft-Energie setzt. Aber Vorsicht: Bevor man sich für einen Hoster entscheidet, ist genau zu überprüfen, ob er tatsächlich Öko-Strom nutzt. Denn durch eine Gesetzeslücke können Unternehmen im Ausland billige Zertifikate für Öko-Strom kaufen. Den Strom erwerben sie damit aber nicht. Vielmehr wird konventioneller Strom in Deutschland mit den Zertifikaten in Öko-Strom umdeklariert [14].

Die Software dient dem Qualitäts-, Umwelt- sowie Nachhaltigkeitsmanagement und ermöglicht ein sogenanntes elektronisches Managementhandbuch. AVANTI wird mittlerweile von mehr als 80 Unternehmen eingesetzt. Dabei steht im Vordergrund immer die Frage, wie sich Sozial- und Umweltverantwortung in das Kerngeschäft integrieren lassen. Hauptabnehmer für diese sind vor allem Projekte aus dem Umwelt- und Nachhaltigkeitsmanagement der Entwicklungszusammenarbeit, kirchlichen Einrichtungen sowie der kommunalen Entwicklung. Zum Mitmachen eingeladen sind explizit Wissenschaftler, Anwender und Entwickler. Anwender sollen ihre Erfahrungen im Umgang mit Green Software einbringen und Anregungen für denkbare Weiterentwicklungen liefern. Entwickler hingegen sollen beim Ausbau der Green Software helfen. KATE stellt dafür eine Plattform zur Verfügung. Zudem wird es Diskussionsforen geben, über die die gesamte Kommunikation laufen soll. Interessenten können sich über die Webseite der GreenSoftwareCommunity melden. Die Community sucht vor allem Methoden und Werkzeuge, mit denen sich Geschäftsprozesse unter ökonomischen, ökologischen und sozialen Aspekten visualisieren, analysieren und kontrollieren lassen.

Bis Anfang 2010 soll AVANTI 2.0 veröffentlicht werden. Darin ist ein vollständig neu entwickeltes Indikatoren-Tool enthalten. Im Rahmen der GreenSoftwareCommunity sollen weitere Module für AVANTI entwickelt werden.

Hinsichtlich Green IT bleibt abzuwarten, ob und wann sich aktiver Umweltschutz in der IT-Branche durchsetzt. Die Chancen stehen allerdings nichschlecht für einen Sinneswandel. Das gilt allein schon vor dem Hintergrund, dass es sich kein Unternehmen mehr leisten kann, ineffizient mit den Kosten für Energie umzugehen. Auch Entwickler werden immer mehr mit dem Aspekt grüner Software konfrontiert. Im Fokus stehen vor allem eine verbesserte Usability und schnellere Anwendungen. Denn Software, die performanter und effizienter ist, verbraucht in aller Regel auch weniger Energie.

Daniel Koch
arbeitet als freiberuflicher Entwickler und Autor.
(ane [15])


URL dieses Artikels:
https://www.heise.de/-879710

Links in diesem Artikel:
[1] http://www.bmwi.de/BMWi/Navigation/Service/publikationen,did=305306.html
[2] http://www.experton-group.de/fileadmin/experton/press/2009/pm-2009-07-08-Green-IT.pdf
[3] http://www.bitkom.org/de/themen/51051_60514.aspx
[4] http://www.bitkom.org/files/documents/Leitfaden_Energieeffizienz_in_RZ_final_31072008(1).pdf
[5] http://www.borderstep.de/details.php?menue=22&subid=24&projektid=254&le=de#
[6] http://www.experton-group.de/press/releases/pressrelease/article/virtualisierung-rechnet-sich-allein-durch-strom-einsparung-aber-wer-hat-ein-interesse-daran.html
[7] http://www.microsoft.com/germany/presseservice/detail.mspx?id=532789
[8] http://www.blackle.com/
[9] http://blogs.wsj.com/numbersguy/date/2007/05/11/
[10] http://www.w3.org/TR/2009/CR-css3-mediaqueries-20090915/
[11] http://www.w3.org/TR/css3-mediaqueries/
[12] http://www.green-software.org/
[13] http://www.strato.de/holding/ueber_uns/klimaschutz.html
[14] http://www.greenpeace.de/themen/energie/presseerklaerungen/artikel/atom_und_kohlestrom_als_oeko_strom_umdeklariert/
[15] mailto:ane@heise.de