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Klapp-Tab

| Christian Wölbert

Das erste Android-Tablet zum Aufklappen passt in die Jackentasche und zeigt trotzdem mehr Pixel als das iPad. Zum Doppeldisplay-Konzept passen aber nur wenige Apps.

Klapp-Tab

Diese silberne Schatulle soll ein Tablet sein? Zugeklappt erinnert das Sony Tablet P eher an ein Brillenetui. Aufgeklappt offenbaren sich zwei 5,5-Zoll-Displays, die zusammen 1024 × 960 Punkte zeigen und ungefähr so viel Fläche bieten wie ein Sieben-Zoll-Bildschirm. Im superkompakten Gehäuse steckt also ein ausgewachsenes Tablet.

Das Klapp-Konzept hat allerdings einen Nachteil: den schwarzen Steg, der die Displays trennt. Beim Surfen auf Nachrichtenseiten durchschneidet er den Kopf von Angela Merkel und im Mediathek-Video den des Tagesschau-Sprechers. Textabsätze und Formularfelder muss man nach oben oder unten bugsieren, damit die Kluft nicht mitten hindurchgeht. Multitouch-Gesten funktionieren immerhin wie gewohnt – auch wenn man einen Finger oben ansetzt und den anderen unten.

Sony liefert einige Apps mit und bewirbt eine Handvoll weitere, die für das „P“ optimiert sind. Sie nutzen die beiden Displays für separate „Fenster“, sodass der schwarze Balken nicht stört: Ein Skype-Client zeigt den Gesprächspartner oben und das eigene Bild unten. Die E-Book-App läuft hochkant, sodass man das Tablet wie ein aufgeschlagenes gedrucktes Buch in der Hand hält – es ist die einzige App, die das Klappkonzept wirklich gewinnbringend nutzt.

Der Medien-Player zeigt Videos oben und die Bedienelemente unten. Aufgrund des extrem breiten Formats der Displays (2,13 : 1) bleiben allerdings schwarze Streifen an den Seiten. Auch das mitgelieferte Playstation-Spiel Crash Bandicoot läuft nur in einem kleinen Fenster.

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Die allermeisten Apps aus dem Android Market sind nicht an das Doppel-Display angepasst. Sie nutzen beim ersten Start nur den oberen Schirm, der untere bleibt schwarz und zeigt bei Bedarf die Tastatur – Platzverschwendung. Deshalb schalteten wir stets schnell mit einem Button in der Systemleiste auf „volle Bildschirmgröße“ um, damit der App-Inhalt sich über beide Displays erstreckt. Das ist praktikabler, auch wenn der schwarze Steg dann bei manchen Apps die wichtigsten Elemente durchtrennt.

Den Vollbildmodus bietet das „P“ bei fast allen Apps an. Normale Android-3.2-Tablets strecken oder zoomen hingegen nur Smartphone-Apps. Die meisten Apps stürzten beim Wechsel allerdings ab, sodass wir sie neu starten mussten. Ein Programm (Scout Navigation) lief gar nicht, und bei zwei Spielen versagte die Steuerung. Am ärgerlichsten war, dass der Vollbildmodus für die Android-Market-App nicht zur Verfügung stand – auf halber Fläche machte das Stöbern nach Anwendungen wenig Spaß.

Auch die Hardware zwingt den Anwender zu Kompromissen. Die Auflösung der beiden stark spiegelnden Displays ist um rund 50 dpi höher als bei 10-Zoll-Tablets, sodass man auf vielen Webseiten zoomen muss, um Textlinks sicher zu treffen. Der untere Bildschirm leuchtet schwächer als der obere – die reduzierte Helligkeit soll offenbar den Akku schonen. Trotzdem lief das „P“ mit einer Ladung nur rund sechs Stunden, rund zwei Stunden kürzer als gute Android-Tablets.

Sonys Klapp-Tablet passt geschlossen in die Sakkotasche und liegt aufgeklappt gut in der Hand.

Sonys Klapp-Tablet passt geschlossen in die Sakkotasche und liegt aufgeklappt gut in der Hand.

Das Ladekabel wird auf der rechten Seite eingestöpselt und ist dadurch der Hand im Weg, wenn man das Tablet hält. Das Ablegen auf einem Tisch ist nur bedingt eine Alternative – bei jedem Antippen des oberen Displays kippelt das Gehäuse. An der Verarbeitung gibt es nichts zu kritisieren: Die Kunststoffschale und die Scharniere machen einen soliden Eindruck. Die 5-Megapixel-Kamera schießt ordentliche Fotos, kommt an die Schärfe und Farbtreue der besten Smartphone-Kameras aber nicht heran. Ein Update auf Android 4.0 hat Sony bislang nicht versprochen.

Das „P“ setzt sich nicht nur mit seiner Bauform von anderen Android-Tablets ab, sondern auch mit Sonys Medienangebot: „Music Unlimited“ bietet für vier Euro im Monat werbefreie Webradio-Kanäle sowie einen Cloud-Speicher für die eigene Musiksammlung. Für zehn Euro im Monat kann man darüber hinaus Sonys zehn Millionen Titel große Musiksammlung nach Belieben anzapfen. Sonys On-Demand-Videothek „Video Unlimited“ enthält einige tausend Kino- und Fernsehtitel zum Leihen und Kaufen – leider fehlt ein HDMI-Ausgang.

Auf den ersten Blick klingen 580 Euro für ein Tablet mit einzigartigem Konzept und integriertem UMTS vernünftig. Doch Sony baut nur 4 GByte Speicher ein und liefert eine MicroSD-Karte mit nur 2 GByte mit, sodass man für ausreichend Speicherplatz zukaufen muss. Auch das USB-Kabel für den Anschluss an den PC müssen Sony-Kunden extra kaufen.

Zum schlechten Preis/Leistungsverhältnis gesellen sich die Nachteile des Doppeldisplays: Zu viele Apps überraschen mit Darstellungsfehlern, die Laufzeit ist unterdurchschnittlich. Als Vorteile verbleiben der Hingucker-Effekt, die kompakten Abmessungen, die schicke Reader-App und die Online-Videothek – die Musik-App läuft auch auf Androiden anderer Hersteller. Unter dem Strich erweist sich das „P“ als weniger praxistauglich als sein Schwestermodell „S“ [2] mit 9,4-Zoll-Display und integrierter Infrarot-Fernbedienung.

Sony Tablet P
Android-Tablet mit zwei Displays
Lieferumfang Netzteil, Speicherkarte
Spezifikation Android 3.2.1, Nvidia Tegra 250, 2 × LCD (5,5 Zoll, 1024 × 480, spiegelnd), 1 GByte RAM, 4 GByte Flash, microSDHC-Slot, Rückkamera (2592 × 1944, Video: 1280 × 720), Frontkamera (640 × 480, Video: 640 × 480), WLAN 802.11 b/g/n, Bluetooth 2.1+EDR, GPS, HSPA
Schnittstellen Kopfhörer, Micro-USB
Abmessungen (B x T x H) / Gewicht 18 cm × 8,3 cm × 2,4 cm / 368 g
Preis 580 €

(cwo [3])


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