Teleskop statt Teleobjektiv

Seit die chinesischen Hersteller den Markt für Teleskope dominieren, bekommt man für kleines Geld lange Brennweiten mit ordentlicher Bildqualität. Und die eignen sich keineswegs nur zum Sternegucken, sondern durchaus auch für terrestrische Bilder. Wir haben an der DLSR getestet, ob günstige Teleskope eine Alternative zu teuren Teleobjektiven sind.

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Lesezeit: 39 Min.
Von
  • Thomas Gade
  • Sascha Steinhoff
Inhaltsverzeichnis

Wer mit einer Kamera weit entfernte Motive nah heran holen möchte, greift traditionell zum Teleobjektiv. Für Kameras mit Wechselbajonett wie DSLRs und Systemkameras gibt es eine auf den ersten Blick reichhaltige Auswahl entsprechender Linsensysteme. Teleobjektive, zumindest die besseren Vertreter ihrer Art, sind ideal auf den Einsatzzweck an der Kamera abgestimmt. Dennoch gibt es gute Gründe, für bestimmte Aufnahmesituationen ein Teleskop statt eines Teleobjektivs in Betracht zu ziehen. Ein kurzer Überblick über die aktuell auf dem Markt angebotenen Teleobjektive (> 400 mm) erklärt, warum das so ist.

Für den schmalen Geldbeutel gibt es Linsenobjektive einfacher Bauart mit fester Brennweite wie die sogenannte Wundertüte. Das ist ein langbrennweitiges, aber lichtschwaches Teleobjektiv (500 mm, f/8.0). Es hat kameraseitig ein T2-Gewinde und wird über preisgünstige Adapter mit Systemkameras verbunden. Fokussiert wird manuell. Konzeptionell stammt das Objektiv aus den 1970er Jahren, die Bildqualität ist entsprechend einzustufen. Heute ist die Wundertüte unter verschiedenen Namen (Walimex, Dörr, Beroflex, Danubia etc.) im Handel beziehungsweise auf dem Gebrauchtmarkt erhältlich. Das Objektiv kostet neu gerade einmal 100 Euro. Mit einer Länge von 31,5 Zentimetern ist es bezogen auf die Brennweite allerdings nicht sehr kompakt. Was nur wenige wissen: Der interne Aufbau der Wundertüte entspricht einem Linsenteleskop mit integriertem Flattener. Der Flattener ist ein Element zur Bildfeldebnung, welches für eine plane Bildwiedergabe sorgt. Die Bildqualität der Wundertüte ist in Relation zum Kaufpreis durchaus ordentlich.

Die Wundertüte (Danubia 500 mm, f/8.0) ist eine Konstruktion aus den 1970er Jahren und mit einem Neupreis von 100 Euro ein echter Preisbrecher. Per T2-Anschluss ist das Objektiv an alle gängigen Kamerasysteme adaptierbar.

Wer alle Automatikfunktionen seiner Kamera bei bester Bildqualität ausnutzen möchte, greift allerdings nicht zu billigen, sondern zu teuren und möglichst lichtstarken Festbrennweiten. Für professionelle Fotografen, die an den Pisten der Formel-1-Rennen zu Hause sind oder Naturfotografie ernsthaft betreiben, sind teure Festbrennweiten von Originalherstellern wie Nikon oder Canon die erste Wahl. Gängig sind hier Objektive mit Brennweiten bis maximal 800 mm. Die Festbrennweiten sind konstruktiv einfacher zu handhaben als Telezooms mit ähnlichen Brennweiten. Das Sigma 5,6/800 mm kostet rund 5000 Euro, für das Gegenstück vom Originalhersteller Canon sind etwa 12.000 Euro zu bezahlen. Wenn man noch mehr Brennweite braucht, helfen nur Sonderanfertigungen weiter. Objektivmonster wie das sagenumwobene Canon EF 5,6/1200 mit einem Gewicht von sportlichen 16,5 kg sind von einem Fotografen alleine kaum auf das Stativ zu heben. Das 1200er Canon wird unseres Wissens inzwischen nicht mehr gebaut. In früheren Zeiten wurden 120.000 US-Dollar für die Linse berechnet. Wer mehr als 800 mm Brennweite benötigt, wird bei Fotoobjektiven also de facto nicht mehr fündig.